Humorlosigkeit als Gradmesser der Meinungsfreiheit

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Die politische Korrektheit ist der Feind des Humors

Von Mark Twain stammt folgender Ausspruch: Hätte ich meine Kritik nicht als Satire getarnt, hätte man mich längst aufgehängt.  Leider leben wir in hoffnungslos humorlosen Zeiten. Herbert Kickl übernahm seine gewohnte Rolle des Liberos und sprach am vergangenen Bundesparteitag der FPÖ vom Triple-A: Aggressive, afghanische, Asylwerber. Dies veranlasste eine NGO zu einer Sachverhaltsdarstellung wegen Verhetzung.

Juristische Details sind weitgehend überflüssig. Andernfalls kann die Tatsache, dass die britische Parlamentspause von zwei Gerichten bestätigt und von einem angefochten wurde, nicht erklärt werden.

Beinahe zeitgleich wurde Heidi Horten von einem Gewerkschaftsfunktionär als Aufgespritzte mit einer zwei Millionen Kette bezeichnet. Frau Horton leitete juristische Schritte ein. Der Funktionär erklärte sein Bedauern.

Der Unterschied: Humor kennt Grenzen. Aber nicht die des Gesetzes, sondern die des Geschmacks. Besagte Grenze verläuft entlang der Gürtellinie. Nicht umsonst ist der englische Ausdruck für Pointe „Punchline.“

Vermutlich würden Konservative konzilianter reagieren, wenn es nicht diese Flut an Anzeigen und Vorwürfen wegen Verhetzung, Hassreden, verbaler Aufbereitung von Gewaltakten etc. gäbe. Wäre es nicht so ernst, würde man es nicht so ernst nehmen.

Der brillante Komiker John Cleese bedauerte bereits, dass die politische Korrektheit den Humor einschränke. Man dürfe Witze über Amerikaner, Engländer, Deutsche etc. machen, aber nicht über Mexikaner. Dies impliziere, dass Mexikaner sich nicht verteidigen könnten und die übrigen Freiwild seien.

Nicht umsonst wird die Humordebatte im Vereinigten Königreich intensiver geführt als am Kontinent. Freiheit wird dort seitjeher stärker betont als Gleichheit.  Als Boris Johnson Burka-Trägerinnen als wandelnde Postkästen bezeichnete, ließ der Sturm nicht lange auf sich warten. Rowan Atkinson schritt umgehend zur Verteidigung: Man solle sich nur für schlechte Witze entschuldigen. Und der war ziemlich gut.

Die Auswirkungen der politischen Korrektheit sind bereits mit den Algorithmen von Facebook, Google und Co. zu vergleichen. Kritische Ergebnisse werden nicht angezeigt, nach hinten gereiht etc. So wie kritische Fragen von Journalisten nicht mehr gestellt werden.

So gab John Cleese vor kurzem ein Interview. An einem der Höhepunkte der Brexit-Debatte. Keine einzige Frage hierzu. Sein ehemaliger Kollege Terry Gilliam gab im selben Zeitraum ebenfalls Interviews. Kein einziges ohne Fragen zum Brexit. Er ist ein leidenschaftlicher Remainer.

Cleese erklärte kurz vorm Referendum 2016: Werft die Griechen aus dem Euro, führt eine ordentliche Buchhaltung ein und hängt Juncker auf. Andernfalls stimmen wir für „Leave“.

Diesen Mann vor sich sitzen zu haben, in dem Wissen, dass Boris Johnson in Downing Street Nr. 10 sitzt, und auf eine Frage zum Brexit zu verzichten, untermauert den Fortschritt der freiwilligen Selbstzensur.  Humorlosigkeit bleibt der Gradmesser der Meinungsfreiheit.

[Autor: G.B. Bild: www.wikipedia.org/Adam Jones from Kelowna, BC, Canada Lizenz: CC-BY-SA-2.0]

 

 

 

 

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