Autor: E.K.-L. Bild:
Das Moskauer Patriarchat steht fast alleine da
Das an Konflikten nicht eben arme Verhältnis zwischen den einzelnen christlich-orthodoxen Kirchen ist durch den russischen Einmarsch in das westliche Nachbarland weiter verschärft worden. Bisher gab es die bekannten Zwistigkeiten zwischen dem Ehrenoberhaupt in Konstantinopel (Istanbul), dem weitgehend machtlosen, aber als primus inter pares doch respektgebietenden Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. einerseits und den einzelnen autokephalen, sohin praktisch unabhängigen Landeskirchen andererseits.
Wobei Kyrill I., der Patriarch von „Moskau und der ganzen Rus“ als Drittes Rom immer wieder eine Vorrangstellung geltend machte. In letzter Zeit hörte man auch von Streitereien zwischen den Orthodoxen in Serbien und der wiedererstandenen, an das bis 1918 unabhängige Königreich Montenegro anknüpfenden montenegrinisch-orthodoxen Kirche, wobei es da auch um höchst weltliche Dinge, nämlich das Eigentum an Kirchengebäuden geht. Ähnlich verhält es sich beim Konflikt zwischen dem serbisch-orthodoxen Patriarchen in Belgrad und der jungen mazedonisch-orthodoxen Kirche.
Das erwähnte Moskauer Kirchenoberhaupt Kyrill I. steht in der Tradition des seit der Zarenzeit existierenden Bündnisses von Thron und Altar ganz auf der Seite seines Freundes Wladimir Putins, der sich als gläubiger Christ geriert, was allerdings einem KGB-Agenten nur schwer abzunehmen ist. Wobei anzumerken ist: Putins Mutter ließ den kleinen Wladimir heimlich taufen. Die russisch-orthodoxe Kirche profitiert von enormen staatlichen Finanzhilfen für die (Wieder)Errichtung von Kirchen und Klöstern. Beide, Kirchenfürst und Präsident, eint die Abneigung gegen den als dekadent betrachteten Westen. Was sich zum Beispiel in der harten staatlichen Verfolgung der Gruppe Pussy Riots (dt. Muschi-Aufruhr) gezeigt hat. Für ihren unappetitlichen Auftritt in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale am 21. Februar 2012 werden die „Damen“ vom Strafgericht abgeurteilt. Putin und Patriarch sind damit sehr zufrieden.
Auf der anderen Seite steht die im Westen der Ukraine über eine große Zahl von Gläubigen (über vier Millionen) sich stützende Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche mit dem Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk an der Spitze. Es handelt sich dabei um eine Glaubensgemeinschaft, die in der Mitte zwischen lateinischem Katholizismus und der Orthodoxie steht. Sie anerkennt seit 1596 (Union von Brest) den Heiligen Vater in Rom als Kirchenoberhaupt und versteht sich als Teil der Katholischen Kirche. Diese seinerzeit von Stalin verfolgten sogenannten Unierten feiern die Liturgie nach byzantinischem Ritus (ritus graecus) und stehen ohne Wenn und Aber für eine unabhängige Ukraine.
Ähnlich verhält es sich mit der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, die sich vom Moskauer Patriarchat gelöst hat, als autokephale Kirche versteht und als solche auch vom Ökumenischen Patriarchen anerkannt ist. Sie protestiert gegen die Invasion des Landes. Dann existiert in der Ukraine noch eine orthodoxe Kirche, die den Moskauer Patriarchen als ihr Oberhaupt anerkennt. Für sie ist eine Stellungnahme besonders heikel, sitzt sie doch zwischen zwei Stühlen – ihren ukrainischen Gläubigen und der Hierarchie. Wie hat sie sich entschieden? Ziemlich eindeutig und zwar gegen den Einmarsch. Dadurch kommt es jetzt zu einem überraschenden Zusammenrücken mit dem autokephalen Zweig, mit dem man sich bisher um Gläubige und Kirchenbesitz gezankt hat.