Maximilian v. Habsburg, Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft, über den Donbass-Konflikt und die Beziehungen zwischen Russland und der EU bzw. Österreich
Wegen des Konfliktes im Donbass werden in der internationalen Politik und in den internationalen Medien die Töne Russland gegenüber immer aggressiver. Zu Recht?
Maximilian v. Habsburg: Ich möchte vorausschicken, dass die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft (ORFG) nicht politisch ist. Und den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gibt es bereits seit 2014; und lösbar ist er nur mit USA und NATO – wobei fraglich ist, wie er endet. Dass die NATO immer näher an Russland heranrückt und ihre Fühler nach der Ukraine ausstreckt und dass das in Moskau Reaktionen auslöst, ist klar. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass Russland und die Ukraine geschichtlich, kulturell und wirtschaftlich auf vielfältige Weise miteinander verbunden sind.
Wie könnte bzw. sollte eine Lösung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine aussehen?
M. v. Habsburg: Es braucht eine diplomatische Lösung, die Präsidenten Putin und Biden sollten sich an einem Tisch zusammensetzen. Aber dass Biden Putin kürzlich als „Mörder“ bezeichnet hat, ist natürlich kontraproduktiv.
Als Beobachter gewinnt man leicht den Eindruck, dass Europa bei diesem Konflikt abseits steht. Wie sehen Sie die Rolle der EU?
M. v. Habsburg: Wir in Europa brauchen Russland und die Ukraine; beide, Russen und Ukrainer, sind Europäer und sie sind christlich.
Wir müssen uns in Europa auch darüber im Klaren sein, dass wir keine Flüchtlingswelle wollen, weil eine solche schlechtweg nicht verkraftbar wäre. Erinnern Sie sich, wie viele Flüchtlinge im Jugoslawienkrieg nach Mitteleuropa bzw. nach Österreich gekommen sind und bedenken Sie, dass Russland mehr als 140 Millionen Einwohner hat und die Ukraine knapp 45 Millionen – dann sieht man, um welche Größenordnung es sich handelt.
Seit 2014 bestehen die Sanktionen, die die EU im Gefolge der USA gegen Russland verhängt hat und die Europa schaden. Wäre es nicht Zeit für die Aufhebung der Sanktionen?
M. v. Habsburg: Die Sanktionen hat die Politik beschlossen und es ist Sache der Politik, sie aufzuheben. Und es ist auch immer so, dass sich die Wirtschaft der Politik zu beugen hat.
Um noch kurz bei den Sanktionen zu bleiben: Wie hilfreich wäre eine politische Emanzipation der EU von den USA?
M. v. Habsburg: Europa verfolgt amerikanische Interessen, weil wir in Europa politisch noch nicht vereint sind.
Die österreichisch-russischen Beziehungen sind sehr gut, weil Österreich ein neutrales Land ist.
Inwieweit hängt die aggressivere Politik der USA auch mit der Verhinderung der Nord Stream 2-Erdgaspipeline zusammen?
M. v. Habsburg: Russland will den Europäern Gas verkaufen, Europa braucht Gas und die Amerikaner wollen ihr Flüssiggas per Schiff den Europäern verkaufen. Nord Stream 2 dient der Deckung des Erdgasbedarfs der Europäer, und natürlich hat Russland auch ein wirtschaftliches Interesse, sein Erdgas in die EU zu exportieren. Die Abhängigkeit liegt also nicht einseitig bei den Europäern, die natürlich ihr Gas auch bei den Amerikanern kaufen können. Hier stehen wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund, aber eines sollte klar sein: Wenn es die Europäer nicht machen, dann macht es China.
Wie würden Sie die österreichisch-russischen Beziehungen beschreiben?
M. v. Habsburg: Sie sind sicher sehr gut, weil Österreich ein neutrales Land ist. Allerdings gibt es momentan in der österreichischen Politik eine pro-amerikanische Linie, was wiederum damit zusammenhängt, dass wir Mitglied der EU sind. Der kulturelle Austausch zwischen Österreich – und dessen Förderung ist ja einer der Schwerpunkte der ORFG – funktioniert sehr gut. Sehr viele Russen wollen Europa bzw. Österreich besuchen, und zwischen der Universität Wien und der Finanzuniversität Moskau besteht ein Studentenaustausch. Leider sind aber die Austauschaktivitäten zwischen Russland und Österreich derzeit coronabedingt abgeschwächt. Was die kulturellen Aktivitäten betrifft, helfen wir derzeit, Michael Dangls Buch „Orangen für Dostojewskij“ zu übersetzen um es für den russischen Markt zugänglich zu
machen.
Wie sieht eigentlich der Durchschnittsrusse Österreich bzw. die Österreicher? Österreich ist ja bekanntlich ein kleines Land.
M. v. Habsburg: Österreicher und Russen sind einander viel ähnlicher, als viele denken. Der Russe ist sehr gastfreundschaftlich – noch gastfreundschaftlicher als der Österreicher – und fühlt sich in Österreich sehr wohl.
Wenn Sie Wünsche an die Politik formulieren könnten, wie sähen diese aus?
M. v. Habsburg: Dass die Diplomatie im Vordergrund steht und dass man sich annähern sollte.
Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.
[Autor: – Bild: Flickr/Rosa Luxemburg-Stiftung CC BY 2.0]
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