Respekt sollte eine Form besonders hoher Aufmerksamkeit, Achtung, Wertschätzung und Bewunderung gegenüber anderen sein. Respekt sollten wir vor Menschen, der Natur oder vor Institutionen haben. Nun hat unser Bundespräsident in einer Rede mehr Respekt und Achtung eingefordert. Zwar hat er nicht dezidiert Namen genannt, anhand von Ereignissen jedoch unmissverständlich klargelegt, worum es sich handelt und wer oder was Auslöser dieser Forderung war. Von höchster Stelle so etwas zu hören, war einzigartig in der Geschichte der Zweiten Republik und hat jedes am Tagesgeschehen interessierte Ohr getroffen.
Respekt- und Respektlosigkeit beruhen aber auch auf Gegenseitigkeit. Und hier hat unser Herr Bundespräsident zwar von der einen Seite Respekt eingefordert, die andere Seite jedoch außer Acht gelassen. Bei allem, was im Parlament nach demokratischen Grundregeln beschlossen wird, geht es um die Bürger dieses Landes. Von diesen wird auch Respekt gegenüber der Obrigkeit eingefordert und erwartet. Aber muss man vor jemanden Respekt, Achtung und Wertschätzung entgegenbringen, der sich über das Gesetz hinwegsetzt, der mutmaßlich falsche Zeugenaussagen liefert, der in Korruptionsgeschehen verwickelt ist, der wider den Bedürfnissen und Erfordernissen der Bürger Gesetze ändert und verabschiedet?
Vielfach fordert die Obrigkeit angesichts auch unverständlicher Entscheidungen Respekt vor den Beschlüssen. Oder fordert man nicht eher Gehorsam ein? Einem „hohen oder mächtigen Tier“ begegnet man mit Respekt, heißt es. Aber ist es nicht vielmehr Angst, die sich hinter dem Respekt versteckt? Respektlosigkeit gegenüber dem Volk zieht sich durch alle Ebenen der Politik, denn auch Ungerechtigkeit ist eine Form von Respektlosigkeit. Dies zeigt sich gerade in diesen Tagen, wenn die EU ihr milliardenschweres Hilfspaket verteilt.
Während Österreich mit neun Millionen Einwohner 3,5 Milliarden erhält, dürfen sich die Spanier über 140 Milliarden bei 47 Millionen Einwohnern und die Italiener über 191 Milliarden bei 60 Millionen Einwohnern freuen. Von Griechenland ganz zu schweigen. Bedenkt man, dass besagte Länder vielfach nur durch Misswirtschaft und Korruption in diese Situation gekommen sind, ist zu erwarten, dass ein Teil der Mittel wiederum in undurchsichtige Kanäle fließen wird. Dann aber noch einer Schuldenunion zuzustimmen, ist wohl der Gipfel an Respektlosigkeit gegenüber den Leistungen eines Volkes. Wir Österreicher müssen für das Verschulden der anderen herhalten. Hier mutiert Respektlosigkeit zu Dummheit und hier hat es der Bundespräsident verabsäumt. Einhalt zu gebieten.
Manfred Tisal ist Kabarettist, Moderator, Autor und Journalist.
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