Vor genau 50 Jahren ging Erik Ode (1913-1986) in der Rolle des Herbert Keller erstmals auf Mörderjagd. Es sollte der Beginn einer bis heute andauernden Ära sein: Zwar produziert die Produktionsfirma Helmut Ringelmanns (1926-2011), die „Neuer Münchner Fernsehproduktion“, nur noch den „Alten“ – mittlerweile in miserabler Qualität –, zu Hochzeiten jedoch brachte es Ringelmann auf drei-bis vier Serien nebeneinander.
Eine davon war „Der Kommissar“. Eine Kriminalserie, deren 97 Episoden trotz der sukzessiven Etablierung des Farbfernsehens bis zur Einstellung der Serie 1976 ausschließlich in schwarz-weiß ausgestrahlt wurden. An der Spitze der männerdominierten Mordkommission stand Herbert Keller: Ein gutbürgerlicher, älterer Herr mit Hut und Schlips, gepflegt, schweigsam, verständnisvoll und interessiert an den Schicksalen der einzelnen Figuren.
Ihm zur Seite der charmant-jugendliche Playboy Harry Klein (Fritz Wepper), den später Derrick abwerben sollte, der draufgängerische Schelm Walter Grabert (Günther Schramm) und der gesetztestreue Beamte Robert Heines (Reinhard Glemnitz). An der Schreibmaschine saß Fräulein Rehbein, eine unverheiratete Sekretärin – die „gute Seele des Büros“.
Eine klare, abgegrenzte Welt also, die Drehbauchautor Herbert Reinecker seinem Publikum da zeigt. Ganz anders häufig die Welt der Täter: Nicht nur die oberen Zehntausend, auch der Zeitgeist spiegelt sich in den Filmen wieder: Jugendliche Hippies, Drogensüchtige und Obdachlose lungern an Münchens Stadträndern herum. Sie alle haben ihren Platz in der Bundesrepublik der Nachkriegsjahre. Und deshalb auch in der Serie.
Doch ist der deutsche Krimi viel differenzierter als der amerikanische: Hier gibt es kein so eindeutiges Gut und Böse wie im anglo-amerikanischen Film. Auch der Täter kann Opfer sein. Opfer des Milieus, das ihn prägt. Opfer seiner Zeit, oder eines unbesiegten Gefühls. Und dennoch gibt es klare Strukturen. Gut und Böse sind keine Kategorien der einzelnen Figuren, sondern ausschließlich des Rahmens, innerhalb dessen sie sich bewegen. Böse sind die Zersetzer und Zerstörer der gesellschaftlichen Strukturen, die im Einzelfall Täter wie Opfer sein können. Und obwohl nicht explizit ausgesprochen, liegt der Serie sehr wohl eine unumstößliche Moral, ein eindeutiges Weltbild zu Grunde, das immer wieder erschüttert wird. Aus diesem Konflikt heraus entstehen die einzelnen Geschichten.
Reinecker selbst, ohne Zweifel der fleißigste und disziplinierteste Drehbuchautor der Nachkriegszeit, einst Mitglied der Flieger-HJ, Hauptschriftleiter der „Jungen Welt“ und Autor der SS-Zeitung „Das schwarze Korps“, entwarf hier ein eindeutiges Gegenbild zu den wilden 68er. Nicht ihnen, den verwirrten Jugendlichen, sondern ihren Ideologen wurde ein vernichtendes Urteil gesprochen. Der Rebellion wurde hier eine Autorität entgegengestellt. Eine mildere als früher. Eine hörende, keine herrschende. Eine Autorität des Wortes, nicht des Säbels.
AL
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