Es wäre sicherer, ab 9 Uhr abends im Hotel zu bleiben, erfuhr die elegant gekleidete Juristin von der jungen Mitarbeiterin in der Tourist-Info am zentralen Grazer Hauptplatz. Ganz privat, von Frau zu Frau, rate sie der auswärtigen Besucherin davon ab, sich in bestimmten Teilen der Grazer Innenstadt nach Einbruch der Dunkelheit allein zu bewegen.
Also doch wieder eine neue Ausgangssperre? Oder wurden hier jetzt Rechtsvorschriften aus Saudi-Arabien übernommen?
Mitnichten! Ein Lokalaugenschein zeigt: Sobald die Sonne am Horizont versunken ist, wird im Stadtpark, rund um den Jakominiplatz und im Bahnhofsviertel der wahre Grund sichtbar. Gruppen junger, kräftiger Männer, allesamt mit viel dunklerem Teint als die steirische Sommersonne es erzeugen könnte, tauchen wie aus dem Nichts auf. Laut palavernd, gestikulierend und testosteron-strotzend ziehen sie durch „ihr“ Revier der Innenstadt. Weibliche Wesen ohne kräftige männliche Begleitung betrachten sie als legitime Beute. Anzügliche Gesten und Bemerkungen sind normal, ein Grapscher auf den Po im Vorübergehen hat das Weib hinzunehmen, und die schlimmeren Exzesse kann man dann am übernächsten Tag im Polizeibericht nachlesen.
Wobei, die Polizei. Erschöpft von der Jagd auf Jugendliche, die am Ufer der Mur die Corona-Regeln gebrochen und ein Bierchen mit Freunden im Freien getrunken haben, fehlen Kraft und Mannschaftsstärke, dem Treiben der maskulinen Nachtjäger Einhalt zu bieten. Schließlich ist die Durchsetzung von Verwaltungsvorschriften wichtiger als der Schutz vor Gewaltverbrechen und sexueller Nötigung.
Und die Politik: Erklärt sich für machtlos! Leider habe man gegenüber dem Stadtpolizeikommandanten keine Weisungsbefugnis, heißt es schwammig aus dem Grazer Gemeinderat. Da fragt sich der Bürger, ob dort wirklich alles noch mit rechten Dingen zugeht. Denn wenn es so bleibt, ist es zur Bürgerwehr kein großer Schritt mehr. Das kann aber eigentlich niemand wollen.
[Autor: U.K. Bilder: Wikipedia/NAC Lizenz: CC BY-SA 4.0]