Autor: A.R. Bilder: Wikipedia/Pressedienst des Präsidenten der Russischen Föderation Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei versprechen Spannung pur. Die Wiederwahl von Recep Tayyip Erdoğan als Staatspräsident könnte eine Fortsetzung seines Präsidialsystems und des Projekts „Jahrhundert der Türkei“ bedeuten. Doch die reale Situation im Land spricht eine andere Sprache.
Die AKP-Regierung steht vor großen Herausforderungen, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Wirtschaftskrise und der Mangel an Devisen haben die Türkei hart getroffen. Finanzielle Hilfen aus dem Ausland blieben aufgrund der angespannten Beziehungen zu den USA und den Golfstaaten aus. Erst die verbesserten Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien haben zu einer gewissen wirtschaftlichen Erholung geführt. Dennoch bleibt die Lira weiterhin im freien Fall, und es besteht akuter Devisenbedarf.
Um die Probleme zu überspielen, versucht Erdoğan mit Wahlgeschenken aufzuwarten. Die Erhöhung der Gehälter der Staatsbediensteten und die Vorverlegung des Renteneintrittsalters sind nur einige Beispiele. Zudem verkündet er große Infrastrukturprojekte, die jedoch auf ausländische Hilfe angewiesen sind.
Die Opposition unter der Führung der Republikanischen Volkspartei (CHP) hat realistische Chancen, Erdoğan abzulösen. Das Wahlbündnis, bekannt als der „Tisch der Sechs“, vereint unterschiedlichste Parteien, die von konservativen Islamisten bis hin zu liberalen Kräften reichen. Das Bündnis verspricht eine Rückkehr zum parlamentarischen System, die Bekämpfung von Korruption und Vetternwirtschaft sowie eine Verbesserung der Situation der Lohnabhängigen. In der Außenpolitik strebt es eine bessere Beziehung zu den USA und eine enge Zusammenarbeit mit der EU an.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die prokurdische HDP verhält und ob sie einen Einfluss auf die Wahl hat.
Die demoskopischen Agenturen zeigen eine positive Haltung der Kurden gegenüber Kilicdaroglu, dem Spitzenkandidaten der CHP. Es könnte zu einer zweiten Wahlrunde kommen, und die meisten Beobachter sind optimistisch, dass Erdoğan das Ergebnis akzeptieren wird.
Die kommenden Wahlen sind von großer Bedeutung für die Türkei und ihre Zukunft. Es bleibt zu hoffen, dass der Machtwechsel, falls er stattfindet, friedlich und demokratisch vonstattengeht. Die Welt wird mit Interesse verfolgen, welchen Weg die Türkei einschlägt und wie sich Erdoğans langer Atem letztendlich auswirken wird.