Chinas Autoindustrie setzt auf Chips und Algorithmen

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Autor: U.K. Bild: BYD Press Release Lizenz: –


BYD-Chef Lian Yubo: Software und Batterien werden wichtiger als Motor und Fahrwerk

Weitgehend unbemerkt von Europas Öffentlichkeit schickt sich die Volksrepublik China an, zu einer Weltmacht im Automobilgeschäft zu werden. Zwar werden momentan die Produkte von BYD, Geely oder SAIC noch in der Presse und vom Publikum als putzige Exoten belächelt, und bisherige Versuche, chinesische Autos hierzulande an den Mann zubringen, waren nur von mäßigem Erfolg gekrönt.

Doch die europäische Ignoranz könnte sich bitter rächen. Die Situation erinnert an die Geschichte Südkoreas, deren Autofirmen Hyundai und Kia Ende der 1980er-Jahren begannen, ihre Modelle in Europa zu vermarkten. Auch damals wurde über platzenden Lack und schiefe Spaltmaße gespottet. Heute ist die Hyundai/Kia Motors Group mit fast 8 Millionen produzierten Fahrzeugen der viertgrößte Autohersteller weltweit, und ist im Bereich der Kompakt- und Mittelklasse sowie bei SUVs bei uns bestens etabliert.

Und anders als seinerzeit Korea versucht China nicht, mit Dumpingpreisen Marktanteile zu gewinnen. Nein, Chinas Autoindustrie will die technologische Weltmarktführerschaft erobern. Der Kunde soll ein chinesisches Auto kaufen, weil es besser ist als das der Konkurrenz. Wenn man dann beim Preis-/Leistungsverhältnis auch noch einen klaren Vorteil bietet, um so besser.

Das dies mit klassischen Verbrennungsmotoren und für Geschwindigkeiten über 200 km/h ausgelegten Fahrwerken nicht erreichbar ist, wurde den Autobossen im Reich der Mitte schnell klar. Hier zum etablierten Know-How und Ingenieurwissen der Europäer aufzuholen, hätte ein jahrzehntelanges Hinterherhecheln bedeutet.

Stattdessen fokussieren sich Chinas Autobauer auf das, was ihrer Meinung nach das Fahrzeug der kommenden Jahrzehnte sein wird. Elektrisch angetrieben, autonom fahrend (zumindest für den größten Teil der Strecke), und damit es den Insassen nicht langweilig wird während der Reise, ein ausgeklügeltes Infotainment-System, das auch Sehenswürdigkeiten entlang der Route erklärt oder ein Arbeiten wie im Home Office ermöglicht. Als Lustfaktor für Selbstfahrer gilt anstelle einer Höchstgeschwindigkeit, die in den meisten Ländern ohnehin nie legal erreicht werden kann, die kurzzeitige Beschleunigung beim Gasgeben, die einen angenehm in die Sessel presst. Ein Top-Speed von 160 bis 180 km/h soll ausreichen, während Beschleunigungswerte von 4 bis 5 Sekunden von Null auf Hundert Rennwagenfeeling vermitteln. Anders als beim Verbrenner braucht es dafür aber keinen hochgezüchteten Ferrari-Zwölfzylinder oder brutalen Porsche-Turbo, sondern es genügen standardmäßige Elektromotoren. Auch Fahrwerk, Reifen und Aerodynamik sind für 160 Sachen viel einfacher dimensioniert als wenn das Auto bis Tempo 250 stabil liegen soll.

Mit diesen Vorgaben startet man in einer neuen Technologiewelt auf der selben Linie, auf der sich die weltweite Konkurrenz aktuell befindet. Gleichzeitig profitiert man von den besseren Rahmenbedingungen, die Chinas massive Staatsförderung für Chipindustrie, Künstliche Intelligenz und Batterietechnologie mit sich bringen.

Hinzu kommt, dass Brainpower und materielle Resourcen für die Fertigung komplett im eigenen Land verfügbar sind. China gilt mittlerweile als führend in der KI-Technologie, dem Schlüssel für wirklich autonomes Fahren, ist der weltgrößte Hersteller von Antriebsbatterien für Kraftfahrzeuge und bei Computerchips ohnehin längst eine Weltmacht. Dazu kommen große eigene Rohstoffvorkommen für Seltene Erden, die in den Antriebsmotoren und Displays benötigt werden, und Lithium für die derzeit dominierende Akkutechnologie.

Logisch, dass Lian Yubo, der Chef des zweitgrößten Elektroauto-Herstellers Chinas mit über 1 Million produzierten Elektrofahrzeugen pro Jahr, mittlerweile Chips, Software und Algorithmen als den entscheidenden Faktor für den Erfolg eines Autos ansieht. Das würde auch neue Partnerschaften und Prioritäten bei Zulieferern und Lieferketten bedeuten, erklärte Lian vor einigen Tagen auf der 4. Global New Energy Vehicle Innovation Conference in Beijing. Dazu ist BYD jetzt eine Partnerschaft mit Huawei eingegangen. Und Horizon Robotics, ein erst 2015 gegründetes chinesisches Start-up, das sich praktisch ausschließlich auf die Entwicklung von KI-Prozessoren für Automobile konzentriert, hat letztes Jahr seinen „Journey 5“ genannten KI-Chip für Level 4 Autonomes Fahren mit einer Rechenleistung von 128 TOPS (= Billlionen Operationen pro Sekunde) vorgestellt.

Als erstes will nun BYD ab diesem Herbst seine High-End batterieelektrischen Fahrzeuge in Europa einführen. Dazu kommt, dass die Modelle sicher verfügbar sind, da BYD unter anderem seine Akkus selbst produziert. Damit dürfte das Unternehmen einen klaren Vorteil auf dem deutschen Markt haben, der von langen Lieferzeiten aufgrund der Versorgungsengpässe geprägt ist.

Währenddessen vertrödelt Europa seine Zeit in politischem Klein-Klein und übt sich in Gutmenschentum und vermeintlicher moralischer Überlegenheit. Hauptsache, man hat’s dem „bösen Mann“ in Moskau gezeigt und kräftig Sanktionen verhängt, und denen man dann selbst am meisten leidet. Etwas, dass die Chinesen völlig kaltlässt, und klammheimlich wohl sogar freut…

 

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