Autor: – Bild: Andy Wenzel/BKA Lizen: –
Meinungsforscher Werner Beutelmeyer (Market) zu den wechselhaften Erfolgen der Grünen, zu aktuellen Bewertungen und Themen, die die Öffentlichkeit bewegen.
Herr Prof. Beutelmeyer, in der BRD hat es einen ungeheuren Aufschwung für die Grünen gegeben, Frau Baerbock konnte als Kanzlerkandidatin sogar zeitweise die Spitze einnehmen. Schaut es für die Grünen in Österreich genauso aus oder müssen die sich noch ein bisschen anstrengen?
Werner Beutelmeyer: In Deutschland gab es ein Auf und Ab für die Grünen. Zuerst ein Höhenflug, bis es dann zum bösen Erwachen kam. Es war wohl auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, als man in den Unterlagen der Spitzenkandidatin einiges an „fake news“ gefunden hat. Die deutschen Grünen sind dort auch wieder eingebremst, das muss man schon realistisch sehen. In Österreich liegen die Grünen in unseren Umfragen hinter den NEOS. Nicht sonderlich weit, aber immerhin. Diese Woche waren sie bei zehn bis elf Prozent, während die NEOS bei 13 Prozent lagen.
Worauf ist das zurückzuführen?
Beutelmeyer: Man kann sagen, das ist auch ein Zeichen für die Regierungsunlust. Die Bevölkerung ist sehr kritisch, sehr unzufrieden und man kann durchaus sagen, der Juniorpartner in der Regierung muss hier auch sein „Pinkerl“ tragen.
Das dürfte wohl letzten Endes ebenso auf die Affäre Kurz zurückzuführen sein, der nun ja im Parlament Platz genommen hat. Betrachtet man die Grünen, so waren deren Werte unmittelbar nach der Regierungsbildung erheblich besser.
Beutelmeyer: Ja, die Werte waren bedeutend höher, da ging es, wenn ich mich recht erinnere, in Richtung 14 bis 15 Prozent. Der Abstieg geschieht aber nun schon seit geraumer Zeit. Diese Woche habe ich mir die Werte noch einmal angeschaut. Wir haben nach wie vor die SPÖ knapp vor der ÖVP mit 24 bis 25 Prozent. Die Grünen befinden sich aber im Abwärtstrend. Man kann nicht davon ausgehen, dass es so etwas wie Dynamik oder Erfolg geben würde.
Jetzt haben es die Grünen in relativ kurzer Zeit geschafft, in die Regierung zu kommen. Gibt es eine Ursache dafür, etwa den Marsch durch die Institutionen, den die 68er propagiert hatten? Ist das den Grünen geglückt, so dass sie nun stabiler sind, als zu Zeiten Meissner-Blaus, als sie sich noch für Umweltthemen gestanden haben.
Beutelmeyer: Ja, sie sind angekommen in der Regierungsverantwortung, und ich glaube schon, dass man sagen kann, sie nehmen die Aufgabe ernst. Wenn man sich die Bewertungen der Personen ansieht, dann ist in der letzten Umfrage von vorletzter Woche die Justizministerin Alma Zadic als beste Ministerin bewertet worden. Gut sieht es auch für den Gesundheitsminister aus, obwohl er auch heftiger Kritik ausgesetzt ist.
Das dritte große Thema wird die Inflation sein, denn da wird sich mit Sicherheit einiges tun.
Das ist gerade für den Bereich der Justiz etwas überraschend, zumal ja der Justizminister in der Vergangenheit nicht unbedingt einen hohen Stellenwert in Österreich genossen hat, und zum anderen handelt es sich bei Zadic ja um eine relativ junge Frau, eine also mit geringer Erfahrung.
Beutelmeyer: Sie hat den „Schattenminister“ von der ÖVP, Pilnacek, offenbar gut im Griff gehalten, und auch in dem Unruheherd um den zurückgetretenen Bundeskanzler Kurz ist sie gut ausgestiegen. Das hat offenbar den Österreichern gut gefallen, denn sie wird sehr gut bewertet.
Irgendwie hat man den Eindruck, dass Vizekanzler Kogler in den Hintergrund gerückt ist, zumindest, dass er sich massiv zurückhält…
Beutelmeyer: …ja, er steht bei den Personenbewertungen auch nicht im Vordergrund. Er laviert sich durch, er fällt nicht auf, auch nicht negativ, aber keinesfalls positiv. Das Heft halten eindeutig die anderen drei in der Hand. Der Chef der Gruppe ist im Hintergrund, das stimmt.
Die Grünen haben mit dem Hinausflug aus der Regierung in Wien einen wesentlichen Einflussfaktor verloren, hat das womöglich einen wichtigen Einfluss auf das gesamte Erscheinungsbild?
Beutelmeyer: Wien hat natürlich schon eine besondere Rolle, das ist daher schon ein wichtiges Signal, wenn man da mitzureden hat. Andererseits wird das kompensiert durch die Beteiligung an der Bundesregierung.
Der zweite gravierende Einschnitt war wohl, dass die Grünen bei der vorletzten Wahl auch aus dem Nationalrat geflogen sind, dann aber das „Comeback“ geschafft haben. Ein Vorfall, der auch nicht so schnell einer anderen Partei gelingt. Hat das etwas damit zu tun, dass sie in den unteren Chargen in sehr vielen Bereichen gut vertreten und vernetzt sind?
Beutelmeyer: Ja, das „Comeback“ war eine starke Sache, sicher hat das mit ihrer Vernetzung zu tun. Es gibt in jedem Bundesland so etwas wie eine grüne Basis, die, man kann sagen, die politische Verantwortung trägt.
Dadurch ist schon eine breite Verankerung da. Dazu kommt, dass die Kernthemen für sie sehr gut passen. Die „Klimadiskussion“ ist dabei natürlich eine aufgelegte Sache.
Könnte diese Klimadiskussion die ja ein eigentlich urgrünes Thema wäre, Teil einer weltweiten Strategie sein?
Beutelmeyer: Das ist der Punkt, bei dem die Bevölkerung sagt, wir können hier so und so nichts erreichen. Die formulierten Ziele sind nicht zu erreichen Die Verantwortung liegt in der Industrie und bei der Politik, bei anderen Mitspielern also und nicht im eigenen Konsumverhalten.
Es herrscht hier sehr wohl ein starkes Problembewusstsein, aber auch das „Floriani-Prinzip“ vor. Verantwortlich sind andere, aber die können letzten Endes auch nichts machen.
Damit sind wir aber wieder bei den Netzwerken. Die Medien sind voll mit dem Klimathema, die Justiz trifft ihre Entscheidungen meist zulasten der Industrie, wohl aber zugunsten der Klimaforderungen und den Bereich der Bildung haben die Grünen ohnehin bereits in der Hand, was Unterricht und Lehrer anbelangt.
Beutelmeyer: Das ist schon richtig, vor allem bei den Lehrern gibt es eine starke Affinität zu diesen politischen Angeboten. Klima ist ein ganz großes Thema, das Flüchtlingsthema ist praktisch vom Tisch. Es gibt derzeit nur das Klima und die Pandemie. Das dritte große Thema wird die Inflation werden, die derzeit noch schleichend ist. Allerdings werden die Medien auf diesen Zug aufspringen, denn da tut sich ja etwas.
Ob Wohnen oder das Energiethema, das spielt letzten Endes ja auch in die Klimadiskussion hinein. Das öffentliche Bewusstsein kommt den Grünen nun ganz eindeutig entgegen. Die Frage wird nur sein, inwiefern sie diese auch personell bewältigen können.
Inwieweit hilft eigentlich die Änderung an der Regierungsspitze dem kleineren Koalitionspartner? Schallenberg ist kein Sebastian Kurz?
Beutelmeyer: Ja das ist richtig, andererseits haben die Grünen auch bewiesen, dass sie mit dem System Kurz auch kritisch ins Gericht gehen können. Sie haben sich also weitgehend emanzipiert. Die Situation ist für sie nicht schlecht, wäre nicht die gesamte Regierung in der Auffassung der Bevölkerung beeinträchtigt.
Das Gespräch führte Walter Tributsch.