Der nächste Schuss ins eigene Knie

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Autor: U.K. Bild: Erich Westendarp auf Pixabay Lizenz: –


G7-Preisdeckel für Russen-Öl

Neben vielen salbungsvollen Worten brachte der am Dienstag zu Ende gegangene G7-Gipfel im oberbayrischen Schloss Ellmau auch eine neue Idee hervor, wie man Russlands Exporteinnahmen in die Knie zwingen könnte – nun aber wirklich! Die G7, oder „Gruppe der Sieben“, ist ein informeller Zusammenschluss von Regierungschefs, die sich nach eigenem Selbstverständnis als die „bedeutendsten Industriestaaten der Welt“ verstehen. Pikanterweise ist weder China, die mit weitem Abstand zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Erde, dabei, noch Indien, nach aktuellen Weltbank-Daten die Nummer Sechs in dieser Liste. Statt dessen darf Schuldenkaiser Italien mittun, und auch Kanada, was in dieser Rangliste auf Platz 9 notiert, aber ein treuer Gefolgsmann der USA ist.

Den im malerischen Bergresort versammelten 7 Regierungschefs, die übrigens dem Vernehmen nach von 7.000 (in Worten: Siebentausend!) Polizisten beschützt werden mussten, ist nicht entgangen, dass trotz aller Wirtschaftsblockaden des Westens gegen Russland Putins Einkünfte aus dem Verkauf von Erdöl, Gas und Kohle sprudeln wie nie zuvor. Denn dank der Sanktionen sind die Weltmarktpreise für Energierohstoffe auf historische Höchststände geschossen, wie jeder von uns beim Tanken oder spätestens bei der nächsten Heizkostenabrechnung selber merkt.

Und statt an Europa verkauft Russland jetzt zunehmend die übrig gebliebenen Mengen an China, nach Indien oder Abnehmer in Afrika. An Länder, die nie bei den Sanktionen gefragt wurden und diese wohlweislich auch nicht mittragen. Schmackhaft macht Russland diese Deals mit Rabatten von 20 bis 25% auf den aktuellen Weltmarktpreis. Die können Gazprom, Lukoil & Co. aber großzügig gewähren, denn selbst damit ist der Verkaufserlös noch höher als vor dem Ukraine-Krieg.

Um diesem Übelstand entgegenzuwirken, hat man sich auf Schloss Ellmau einen wahren Geniestreich ausgedacht: Einen Preisdeckel für russisches Erdöl auf der Käuferseite. Wohlgemerkt, einen Höchstpreis, den z.B. Deutschland oder Österreich pro Barrel Öl oder pro Kubikmeter Gas zu zahlen bereit wäre. Andernfalls würde man eben kein Öl mehr aus Putins Reich akzeptieren. Das ist ungefähr so logisch, als wenn ich im Wirtshaus sage, ich zahle höchstens 4 Euro fürs Schnitzel und 2 Euro für die Halbe. Geht der Wirt nicht darauf ein, bleibe ich eben aus Protest hungrig und durstig – in Zeiten wie diesen muss halt jeder mal ein Opfer bringen.

Die Politiker in ihrer Blase – anders kann man es nicht mehr nennen – wollen Russland maximal einen Preis zugestehen, der knapp oberhalb der russischen Förderkosten liegt. Dann, so ihre naiven Tagträume, würde immer noch die dringend benötigte Energie nach Europa fließen, aber Russland nicht mehr massiv daran verdienen. Beim Öl soll diese Regel kontrolliert werden über Strafandrohungen gegen Seefracht-Versicherer, die „zu teure“ Tankerladungen versichern, und beim Gas würde man einfach kein Gas mehr aus der Pipeline zapfen, wenn der Preis nicht passt.

Zu glauben, dass man in Russland diese Kröte schlucken würde, zeugt von völliger Weltfremdheit und absoluter Unkenntnis der Rohstoffmärkte. Bei Öl und Kohle sind die Handelsströme längst am Umschalten vom Westen nach Asien. Und beim Gas baut Russland derzeit intensiv die Kapazitäten der LNG-Terminals auf Sachalin und in Vladivostok aus, von wo aus ganz Asien beliefert werden kann. Ausserdem läuft die Power of Siberia Gasleitung nach China mittlerweile auf Volllast, und eine zweite Röhre ist in Bau.

Im Mai ist Russland mit 2 Millionen Barrels pro Tag erstmals zum größten Rohöllieferanten von China geworden, und hat den bisherigen Hauptlieferanten Saudi-Arabien verdrängt, eine Steigerung von 55% zum Vorjahr. Ein Großteil der Lieferungen läuft über die East Siberia Pacific Ocean Pipeline, ausserhalb jeglicher westlicher Einflussnahme. Auch die Drohung mit der Versicherung ist inzwischen ein stumpfes Schwert: Die staatliche Russian National Reinsurance Company bietet mittlerweile ausreichende Deckung für alle Handelsschiffe der russischen Sovcomflot, und die noch viel mächtigeren Versicherungsfirmen Chinas versichern nun auch Schiffe unter Drittstaatsflaggen, wenn diese russische Ladung transportieren. Die Leistungen sind zwar nicht ganz auf dem Niveau der Westfirmen, aber den Kunden in Asien, Afrika und Lateinamerika genügt es voll und ganz.

So dürfte sich auch diese neue Sanktions-Idee als kräftiger Schuss ins eigene Knie erweisen. Einem Preisdiktat des Westens wird sich Putin kaum beugen. Erstens, weil es sich kommerziell nicht lohnt, und zweitens aus machtpolitischem Kalkül. Denn Russland kann, angesichts der heutigen Lage auf dem Weltmarkt, inzwischen problemlos ein Jahr Liefersperren in Europa verkraften. Wir können das allerdings nicht.

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