„Die Klimafrage ist wie einst der Ablasshandel“

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Meinungsforscher Werner Beutelmeyer (Market) zu dem, was die Bevölkerung in der „Klimafrage“ bewegt und über die zahlreichen Widersprüche ­innerhalb dieser

Herr Professor, durch das in den letzten zwei Jahren alles beherrschende Thema Corona ist die Klimapolitik etwas aus dem Blickpunkt gerückt. Sieht das die Öffentlichkeit eigentlich auch so oder steht das Klimaanliegen nach wie vor im
Vordergrund?
Werner Beutelmeyer: Natürlich haben sich die Wertigkeiten in der Öffentlichkeit etwas verschoben. Im Zentrum steht immer die persönliche Betroffenheit des Einzelnen. Im Falle der „causa prima“ musste ja zumindest anfangs jeder damit rechnen, einer der Betroffenen zu werden. Im Falle des Klimas ist es so, dass allgemein die Meinung vorherrscht, dass die Auswirkungen eine teure Angelegenheit für die Allgemeinheit werden, die meisten aber glauben, dass sie persönlich nicht oder nur wenig davon betroffen sein werden. Und das auch im Zusammenhang mit den Mobilitätsveränderungen, wenn wir etwa an die E-Mobilität denken, die ja ganz massiv propagiert wird. Kein Mensch fragt heute in diesem Zusammenhang, woher die zusätzliche Energie dafür kommen soll oder wie die Entsorgung der umweltschädlichen Batterien geschieht. Es ist etwa nur ein Drittel, das einen Schaden für sich selbst daraus erwartet.

Prof. Dr. Werner Beutelmeyer ist Institutsvorstand und Geschäftsführer des Marketinstitut. (Bild: market.at)

Wenn Sie von einem Drittel der Bevölkerung sprechen, das sich angesprochen fühlt, war das schon einmal mehr, oder ist das eine stabile Größe?
Beutelmeyer: Na ja, das war schon einmal mehr. Es ist auch so, dass es sich bei dem Drittel um jene handelt, die einen persönlichen Schaden erwarten. Wenn es um die Wahrnehmung und um die Auswirkungen auf die Allgemeinheit geht, dann ist das schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung, die sich betroffen fühlt. Es ist natürlich ein Megathema, neben der Wirtschaft und der Corona-Krise. Es ist natürlich auch eine Frage, wie die Fragestellung lautet.

Kann man da Prioritäten setzen?
Beutelmeyer: Ja, es beginnt mit Corona, dann kommt die Wirtschaft. Ist diese stabil, ist mein persönliches Fortkommen in finanzieller Hinsicht gesichert und dann die Frage, wohin die Reise in klimatechnischer Hinsicht geht. Wie entwickelt sich die Zukunft, was kann das für mich persönlich bedeuten? Rund ein Drittel der Bevölkerung sagt: „Durch diese Veränderung werden Kosten entstehen, die auch von mir selbst zu tragen sein werden. Da werde auch ich zur Kassa gebeten“.

Es gibt eine Zeche, etwa Verbrennungsmotoren, Urlaubs­reisen und das Essen von Fleisch.

Wenn Sie die persönlichen Kosten ansprechen und die Mobilität in diesem Zusammenhang nennen, muss man schon erwägen, dass wir auf eine Situation hinsteuern, wo in zehn Jahren Verbrennungsmotoren verboten werden sollen. Wie sollen wir uns das leisten können? Als Bürger einerseits und amdererseits auch als Volkswirtschaft mit der Energieversorgung?
Beutelmeyer: Das Megathema, das da im Hintergrund steht, nenne ich immer den „Modernen Ablasshandel unserer Gesellschaft“. Wir sind alle „Klimasünder“. Und als Sünder müssen wir viel Geld zahlen. In irgendeiner Form gibt es eine Zeche, also den Verzicht auf Verbrennungsmotoren, weniger Mobilität, hohe Steuerbelastung usw. Das ist also eine Situation, die an den Ablasshandel erinnert, wenn ich das als Protestant so sagen darf. Damals hat es auch geheißen: „Ihr seid alle Sünder und wenn ihr euch freikauft, dann könnt ihr die Sünde vom Tisch bekommen.“ Ich hoffe nicht, dass wir in so einer Sackgasse bereits sind. Im Endeffekt hat man aber auch hier den Eindruck, dass es ähnlich läuft. Es wird auch hier mit Zertifikaten gehandelt, Ablasskäufe für „Umweltsünder“ stehen auch jetzt am Programm. Das sind schon sehr starke Parallelitäten.

Wie aber sieht es mit den „Klimasünden“ in der Auffassung der Bevölkerung wirklich aus?
Beutelmeyer: Wie die Umweltbilanz sich wirklich darstellt, ist weitgehend unbekannt. Da herrscht auch in der Bevölkerung das große Rätselraten. Natürlich weiß die Bevölkerung, dass Österreich nicht viel mehr als eine Nadel im Heuhaufen ist. Das heißt einerseits, dass sich unsere Bemühungen nicht bemerkbar machen können, andererseits sollen wir aber mit gutem Beispiel vorangehen. Ich glaube also, dass wir es mit zahlreichen Widersprüchen und Ungereimtheiten zu tun haben, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Die Politik wird es gar nicht so leicht haben, weil das kritische Potential zunimmt. Es gibt große Unsicherheiten, da wird es auch noch große Verwerfungen geben. Es herrscht in Wirklichkeit eine Meinungs­losigkeit in der Bevölkerung.

Sie haben mit dem Ablasshandel einen interessanten historischen Vergleich gezogen und auch die Frage gestellt, ob wirklich eine der angesprochenen Lösungen die E-Mobilität sein kann. Wie bedeutend ist dieses angesprochene Schuldbewusstsein in der Öffentlichkeit hinsichtlich der Umweltschäden?
Beutelmeyer: Dieses Schuldbewusstsein wird ja von oben her eingehämmert. Es ist ein Teil der politischen Strategie. Es war auch immer ein Teil der politischen Positionierung der Grünparteien, die stets gesagt haben: „Du darfst nicht mit dem Auto fahren! Du darfst nicht in den Urlaub fahren! Du darfst nicht Fleisch essen! Und wenn Du dem nicht folgst, bist Du ein Sünder! Diese Botschaft „Du darfst nicht!“ hinterlässt schon Spuren.
Und so ist es auch mit dem Klimaschutz und der E-Mobilität. Dieses Spannungsfeld zwischen gewohnten Verhalten und der Schuldhaftigkeit wird zelebriert mit dem Versprechen, sich freikaufen zu können.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

[Autor: Bild: Wikipedia/FridaysForFuture Deutschland Lizen: CC BY 2.0]

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