„Ein Nato-Beitritt der Ukraine, der die ‚rote Linie‘ gewesen wäre, wurde noch nicht überschritten“

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Der Unternehmer Hannes Hundegger über die Folgen von Coronakrise und Ukrainekrieg sowie Probleme bei der von der Politik forcierten Energiewende.

Erratum: auf Grund eines redaktionellen Fehlers wurde eine falsche Überschrift für den Beitrag gewählt. Der Unternehmer Hannes Hundegger hat in dem Interview nicht gesagt „Die ‘rote Linie’ wurde seitens der USA überschritten“, sondern „Ein Nato-Beitritt der Ukraine, der die ‚rote Linie‘ gewesen wäre, wurde noch nicht überschritten“. Das Redaktionsteam der ZurZeit entschuldigt sich für den gemachten Fehler.

Herr Diplomingenieur Hundegger, wir haben nun zwei Jahre Corona hinter uns, jetzt hat ein neuer Konflikt mit dem Krieg in der Ukraine begonnen. Wie hat man als Unternehmer in diesen zwei Jahren kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen?
Hannes Hundegger: Wir sind ein Unternehmen, das einen sehr breiten Absatzmarkt hat. In Österreich, in der BRD und eben auch in Russland. Es hat uns also sowohl das eine wie auch das andere betroffen. Wir haben auch Umsatzeinbrüche bis zu 30 Prozent hinnehmen müssen, die wir aber mit Kurzarbeit kompensieren konnten. Die eingangs vorherrschende Verunsicherung hat sich mittlerweile wieder aufgelöst. Die Gesundheitsrisiken sind nach meiner Einschätzung bei weitem nicht so schwer, wie das anfangs kommuniziert.

Dipl.-Ing. Hannes Hundegger Seit 2014 ist Hannes Hundegger Geschäftsführer und Eigentümer der Heinz Ehgartner GmbH in Leoben. Er ist weiters Mitglied des Aufsichtsrates der Holding Graz – Kommunale Dienstleistungen GmbH sowie Universitätsrat der Montanuniversität Leoben. (Bild: unirat.unileoben.ac.at)

Können Sie für unsere Leser ein bisschen Ihr Industrieunternehmen beschreiben?
Hundegger: Wir sind ein Getriebebauer und fertigen industrielle Zahnräder, bis eineinhalb Meter Durchmesser. Selbstverständlich auch Einzelanfertigungen für Betriebe. Darüber hinaus sind wir auch in der Entwicklung von Getriebebauteilen tätig. Die Industrien, die wir beliefern, sind sehr weit gefächert. Das reicht von der Erdölindustrie über die Automobilindustrie, Kraftwerksbetriebe, die Bahnindustrie und als zweiten Industriezweig haben wir seit einigen Jahren die Medizintechnik aufgebaut.

Die Verunsicherung, die Sie ansprechen, ist doch letzten Endes dadurch entstanden, dass es immer wieder unterschiedliche Meldungen seitens der Regierung gegeben hat. Haben Sie die eigentlich regelmäßig verfolgt oder ist das einfach im Zuge ihrer industriellen Tätigkeit an Ihnen vorbeigegangen?
Hundegger: Natürlich ist das verfolgt worden, sehr intensiv sogar. Letzten Endes aber war meine Richtschnur das, was ich selbst an weltweiten Zahlen erfasst habe, Infektionen, Hospitalierungen, Todesfälle. Meine relativ bald erlebte Erkenntnis war, dass nicht alles so dramatisch ist, wie es uns dargestellt werden sollte. Für mich war nach einiger Zeit klar, dass es sich zwar um eine außergewöhnliche Krankheitswelle handelte, aber dass es keine tödliche und zerstörerische Pandemie war.

Sie haben eingangs von einer breiten internationalen Palette der Absatzmärkte gesprochen. Darunter auch Russland. Damit sind wir in einer neuerlichen Krise angekommen …
Hundegger: … so ist es. Wir haben dort einen Kunden, der uns Geld schuldet. Wir wissen nicht, wann und wie wir dieses Geld bekommen. Ich gehe davon aus, dass diese Krise unsere Kunden schwer treffen wird. Es ist ein Getriebebauer für eine russische Luxuslimousine.

Auch für Fachleute ist die Elektro­motorisierung nicht so einfach, wie es von der Politik kommuniziert wird.

… Welche?
Hundegger: Die Russen haben vor fünf Jahren begonnen, eine Rolls Roys- und Bent­ley-ähnliche Luxuslimousine zu bauen. Das erste Modell war die Staatslimousine von Wladimir Putin. Wir waren als kleines steirisches Unternehmen lange Zeit darauf stolz, jetzt muss man das wohl sehr relativieren. Das wird für diese Unternehmen nun auch schwierig, weil sie nicht nur von uns, sondern auch von anderen westlichen Unternehmen viele Bauteile beziehen. Und wie das so ist, wenn da nur ein Bauteil fehlt, dann kann man das ganze Getriebe nicht mehr bauen. Da könnten wir künftig natürlich Geld verlieren.
Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, wie die gegenwärtige Kriegssituation weitergeht. Können wir da Ihrer

Meinung nach mit einem baldigen Ende rechnen, oder wird sich der Krieg noch einige Zeit hinziehen?
Hundegger: Ich bin überzeugt, Putin hat geglaubt, er wird in der Ukraine sehr schnell mit Blumen empfangen, das ist nicht der Fall. Ich war auch der Meinung, dass Putin einen „sauberen Krieg“ führen wollte. Auch das wird immer schwieriger. Otto von Bismarck hat ja gesagt: „Es wird niemals so viel gelogen, wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“. Es ist auch in diesem Fall schwer einzuschätzen, was wahr und was nicht. Also ich traue mir diesbezüglich keine Prognose zu.

Wenn sich der Krieg nun doch noch einige Zeit fortsetzen sollte, welche Auswirkungen hat das auf die Gesamtindustrie?
Hundegger: Für unsere Industrie spielen die globalen Märkte eigentlich eine große Rolle, liefern unsere Kunden doch in die ganze Welt. Aber auch in diesem Fall ist eine Prognose aus meiner Sicht schwierig. Wir wissen nicht, wo die Rohstoffmärkte hingehen werden und wir beziehen auch aus der Ukraine und Russland. Wir wissen auch nicht, wie sich die Fertigungskosten entwickeln werden, maßgeblich die Energiepreise und Personalkosten. Da kann sich noch einiges tun. Wir wissen nicht, wie die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Marktes insgesamt beeinflusst wird. Das ist alles sehr schwer einzuschätzen. Meine Prognose ist aber eher negativ.

Die ursprüngliche Einschätzung nach einem Jahr der Coronakrise war eigentlich positiv ausgerichtet. Da hatte auch die Industriellenvereinigung einen Aufschwung erwartet und dann kam nun der Ukrainekonflikt …
Hundegger: … das sehe ich ähnlich, der Aufschwung war deutlich spürbar da, die Aussichten positiv. Das ist jetzt wieder infrage gestellt.

Warum hat Putin gerade jetzt diese Krise vom Zaun gebrochen?
Hundegger: Das hat er schon einmal so gemacht. Seinerzeit mit der Krim. Ich persönlich hätte nicht erwartet, dass er das jetzt wieder tut, auch wenn er mehrfach darauf hingewiesen hat, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine die „rote Linie“ ist, aber die war ja noch nicht überschritten. Europäer und auch die USA spielen hier aber sicher auch schon seit vielen Jahren ihre Rolle. Ich glaube allerdings auch, dass er davon überzeugt war, in der Ukraine ein leichtes Spiel zu haben. Er hat die Reaktion und Heimatliebe der Bevölkerung falsch eingeschätzt.

In der Automobilindustrie werden wir die Brennstoffzelle, also den Wasserstoffantrieb viel eher brauchen.

Betrachtet man die Einflusssphären von West und Ost, war er da nicht geradezu gezwungen, einzuschreiten, bei der Ukraine etwas zu unternehmen, nachdem bereits einige „seiner“ Staaten zur NATO und zum Westen gewechselt waren.
Hundegger: Ich bin kein Historiker, sondern Unternehmer. Aber im 89er und 90er Jahr wurde nicht nur die Wiedervereinigung Deutschlands vollzogen, sondern auch der Warschauer Pakt aufgelöst. Damals hatten die Russen darauf gedrängt, dass nicht einmal die ehemalige „DDR“ der NATO beitreten soll. In weiterer Folge ist nicht nur diese, sondern sind auch noch eine Reihe anderer Staaten des Ostens und des Balkans zur EU und zur NATO gekommen. Bereits damals hatte man sich aber verständigt, dass so etwas die Ukraine nicht betreffen würde. Russland hatte damals schon großen Wert darauf gelegt, und der Westen hatte zugestimmt.

Sie hatten bis vor kurzem noch einen russischen Kunden beliefert, inwieweit ist der Firmenerfolg davon betroffen?
Hundegger: Das wird die Firma nicht gefährden, wir müssen zwar Geld abschreiben, aber umbringen wird uns das hoffentlich nicht. Ich halte aber die Summe der belastenden Ereignisse wie COVID-19 und jetzt den Ukrainekonflikt für eine möglicherweise zu große Belastung für die gesamte Wirtschaft. So gesehen würde die Politik gut daran tun, weitere Eskalationen – auch wirtschaftliche – zu verhindern.

Haben Sie alternative Absatzmöglichkeiten?
Hundegger: Jetzt in der Sekunde sicher nicht. Da müssen wir abwarten, wie sich die Märkte entwickeln. Wenn sich der prognostizierte Aufschwung fortsetzt, gibt es keine Probleme, sollte sich allerdings ein Flächenbrand entwickeln, weiß man nicht was geschieht.

Im politischen Spektrum gibt es Parteien, die die Industrie fördern, und andere, die sie blockieren, weil ihnen andere Ziele wichtiger erscheinen. Umweltziele oder Klimaziele etc. Diesbezüglich sind es vor allem grüne oder rote Organisationen, die versuchen, Einfluss zu nehmen. Frau Gewessler hat beispielsweise gemeint, wir wären mit Erdgas ausreichend versorgt, wir müssten lediglich die Produktion herunterschrauben. Was ist von solchen Äußerungen zu halten?
Hundegger: Für unser Unternehmen darf ich sagen, wir sind schon sehr „grün“ in der Produktion. Unsere Energie kommt nicht nur aus der Steckdose, sondern sehr viel davon aus sauberer steirischer und österreichischer Energie. Den Gasanteil zu reduzieren, ist hier nicht Aufgabe der Unternehmen, sondern der Politik.

Dann gäbe es auch keine Probleme mit dem Umstieg auf Elektromotorisierung in der Fahrzeugindustrie?
Hundegger: Dass die Elektrifizierung nicht ganz so einfach ist, wie es kommuniziert wird, ist für viele Fachleute unstrittig. Wir werden den gigantischen elektrischen Energiebedarf in kurzer Zeit nicht decken können.
Man stelle sich vor, jeder schließt seinen schicken Elektrowagen nach der Arbeit fast zeitgleich zu Hause an die Steckdose. Da wird jedes Netz der Welt kollabieren, nicht umsonst wird das Schlagwort „black-out“ immer präsenter.
Und die erhöhte Nachfrage führt auch zu überteuerten Preisen. Und die zahlen letzten Endes auch die Mindestpensionisten. Es wird ja nicht zwischen Autostrom und dem für den Haushalt unterschieden. Das ist dann auch nicht mehr sozial und bringt viele in eine gefährliche Schieflage. Das ist eine Ungerechtigkeit, die keiner, nicht einmal die Grünen so wollen können. Das ist einfach nicht durchdacht.

Das heißt, die so vehement vorangetriebene Elektrifizierung ist nicht der Weisheit letzter Schluss?
Hundegger: Für die Automotoren werden wir autonome Systeme wie zum Beispiel die Brennstoffzelle, also den Wasserstoffantrieb, brauchen. Das von den USA gepushte Konzept Marke Tesla wird relativ bald wieder von Markt verschwinden.

Die Herstellung des Wasserstoffs ist allerdings ziemlich teuer. Es kostet derzeit noch viel aus dem gebundenen Wasserstoff, solchen zu produzieren, der als Antriebsenergie verwendet werden kann.
Hundegger: Das ist grundsätzlich richtig. Aber auch der Ausbau für nichtautonome Systeme wie Wind- und Solarkraft, aber auch der europäischen Netze oder eines elektrischen Tankstellennetzes bedarf noch riesiger Investitionen. Da darf die Politik ihre eigene Strategie auch nochmal überdenken.

Ist Ihr Betrieb betroffen, wenn es zu einer Umstellung kommt?
Hundegger: In der Automobilindustrie werden wir weniger vertreten sein, bei Bahn und öffentlichen Verkehr dafür mehr, denn dort wird wohl weiter ausgebaut werden. Wie andere Industrien auch, die wir beliefern.

Daran anknüpfend: Wie zufrieden kann die Industrie eigentlich mit der jetzigen Regierung sein?
Hundegger: Ich glaube, wir sind derzeit mit so vielen Dingen beschäftigt, dass die Industrie zurzeit gar nicht ernsthaft im „Fokus“ steht. Man wird auch sehen, was mit den von der Kommissionspräsidentin Von der Leyen angekündigten 1.000 Milliarden Euro in die Klimaschutzpolitik übrigbleiben wird. Bleibt zu hoffen, dass sie das selbst auch nochmal auf den Prüfstand stellt. Meines Erachtens wird sich dadurch das Weltklima nicht maßgeblich verbessern. Und schon gar nicht die Wettbewerbsfähigkeit Europas.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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Grüner Technik-Hass – ZurZeit Nr. 10 - ZurZeit 11. März 2022 - 11:18

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