Ein Verein namens „Österreichischer Presserat“ als Beichtvater
In Zusammenhang mit dem Terrorabend am Allerseelentag ergeben sich interessante Fragen. Zum Beispiel, wie die Lage ausgesehen hätte, falls die Polizei nach den Plänen der Birgit Hebein schon davor entwaffnet worden wäre. Das vermag man sich gar nicht vorzustellen.
Die uns hier besonders interessierende Frage ist jedoch: Weswegen nehmen die Menschen weniger den Psycho-sozialen Notruf der Stadt Wien als Beichtgelegenheit wahr, sondern stattdessen den umstrittenen „Österreichischen Presserat“? Jener Presserat geriert sich als eine Art Gerichtshof mit sogenannten „Senaten“ und „Verurteilungen“, obschon er ein stinknormaler Verein ist.
An den Presserat wandten sich am Montagabend sage und schreibe 1.450 Personen mit ihrer jeweiligen „Beschwerde“ (böse Zungen könnten das auch anders nennen: Denunziation) gegen die „Kronenzeitung“ sowie gegen Fellners OE24.tv. – die beiden knicken daraufhin augenblicklich ein und winseln um Vergebung ob ihres Voyeurismus.
Ja, was haben denn die beiden bösen Medien dem Publikum zugemutet? Anscheinend etwas ganz horribles, nämlich, wie der Terrorist auf Menschen schießt. Das sei – so die Beschwerdeführer, denen mutmaßlich auch ein bisserl langweilig ist – verwerflich, empörend, menschenverachtend, verstoße sogar gegen die politische Korrektheit.
Die Wahrheit: Der Persönlichkeitsschutz der Opfer wurde gewahrt, indem auf den Bildern bzw. den Filmsequenzen deren Gesicht unkenntlich gemacht („verpixelt“) worden ist. Dutzende ausländische Sender haben die Schluss-Szenen ebenfalls gezeigt. Auch im Fall des vielleicht kurz vor der Seligsprechung stehenden George Floyd.
Was meinen Leserbriefschreiber des „Standard“ dazu? Ein paar Beispiele dazu.
„Bananenrepublik.at“: Wo waren die Beschwerden beim Floyd Video?? Kann mich nicht erinnern, dass sich hier irgendwer drüber mokiert hat, und das Video wurde auf und ab gezeigt. Hallo Doppelmoral?!
„xcvsdf“: Solange die Personen, wie in allen anderen Berichten üblich, unkenntlich gemacht werden bin ich bin ganz klar für die Veröffentlichung solcher Videos.
„rotwolf“: Alles wird der PC Korrektheit geopfert. Es können die ganzen im Ponyhof lebenden es nicht verkraften wie Verbrechen in der Realität aussehen. Jetzt sinds empört, aber gleichzeitig für die Streicheljustiz bei schweren Verbrechen wie Vergewaltigung, Abstechen, ins Koma prügeln usw.
Ein zusammenfassender Leserbrief könnte in etwa lauten: Das haben wir schon gern: Sich zuerst an den Bildern begeilen und dann scheinheilig zum Presserat rennen …
[Autor: E.K.-L. Bild: Screenshot „Österreichischer Presserat“ Lizenz: –]