„Ein halber NATO-Beitritt durch die Hintertüre“

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Bilder: Engin Akyurt auf Pixabay Lizenz: –


Volker Reifenberger (FPÖ), Obmann des Landesverteidigungsauschusses des ­Nationalrates, über den Beitritt ­Österreichs zu Sky Shield und die damit verbundene Unvereinbarkeit mit der Neutralität.

Österreich soll sich am Luftraum-Verteidigungssystem Sky Shield beteiligen. Worum handelt es sich da genau?
Volker Reifenberger: Im Gegensatz zu dem, was uns die Regierung weißmachen will, handelt es sich bei Sky Shield nicht nur um eine reine Einkaufsplattform. Wenn europäische Staaten gemeinsam günstig einkaufen möchten, dann haben sie dafür die EDA, die Europäische Verteidigungsagentur der EU. Sky Shield ist aber weit mehr, es ist ein Militärbündnis von mehrheitlich NATO-Staaten gegen Bedrohungen aus der Luft. Auch wenn es derzeit keine Beistandsverpflichtung geben mag, ist es dennoch ein Militärbündnis, weil das System Sky Shield von den beteiligten Staaten gemeinsam betrieben werden wird.
„Militärbündnis“ ist laut Definition von Wikipedia) „ein zwischen verschiedenen Staaten geschlossenes Bündnis mit dem Zweck, militärisch zu kooperieren. Ein solches Bündnis kann materielle Bestimmungen etwa über die Koordination der Sicherheitspolitik, gemeinsame Manöver, den Austausch von Militärtechnik oder die Verpflichtung zu kollektiver Verteidigung umfassen.“
Und Österreich darf schon allein aufgrund des Neutralitätsgesetzes keinem Militärbündnis beitreten. Bundeskanzler Nehammer und Ministerin Tanner sprechen beide von einem „Meilenstein“ für die österreichische Sicherheitspolitik. Das allein ist schon entlarvend.
Wäre Sky Shield nur eine reine Einkaufsplattform, dann wäre es kein Meilenstein. Es ist also mehr geplant, nur sagt das unsere Bundesregierung den Menschen nicht.

Volker Reifenberger (Bild: Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS)

Welche Staaten sind dabei? Was würde es Österreich kosten?
Reifenberger: Bis vor kurzem waren unter der Initiative von Deutschland insgesamt 16 NATO-Staaten und der künftige NATO-Staat Schweden daran beteiligt. Nicht alle der Staaten sind EU-Mitglieder (Großbritannien z.B.), es handelt sich sohin um kein EU-Projekt. Jetzt haben sich Österreich und die Schweiz ebenfalls diesem Bündnis angeschlossen. Nicht mit dabei sind aber ganz wesentliche und militärisch ernst zu nehmende EU-Staaten, wie z.B. Frankreich, Italien, Spanien und Polen. Die Kosten für Österreich sind derzeit noch in keinster Weise abschätzbar.

Wer verdient daran? Die USA?
Reifenberger: Es ist geplant, hier amerikanische Patriot-Systeme, israelische Arrow 3-Systeme, das System Iris-T aus deutscher Produktion anzuschaffen. Es profitieren sohin zumindest die USA, Israel und Deutschland. Unbestätigten Gerüchten zufolge kann oder will sich Österreich die weitreichenderen Systeme Patriot und Arrow 3 gar nicht leisten, sodass Österreich plant, nur das System Iris-T zu kaufen. Damit könnten wir wieder nur mittlere Reichweiten abdecken. Dafür bräuchten wir aber kein Sky Shield.

Müsste Österreich Infrastruktur zur Verfügung stellen? Macht einen das nicht für einen potentiellen Gegner erst recht interessant?
Reifenberger: Hier sind leider noch nicht viele Details bekannt. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass wir unsere hervorragenden Aufklärungsergebnisse der passiven Lnftraumüberwachung – Stichwort: Radar-System Goldhaube – den anderen Mitgliedsländern zur Verfügung stellen werden, und zwar in einem viel größerem Ausmaß, als dies bereits bisher der Fall ist. Und natürlich macht uns dies zu einem potentiellen Hochwertziel für einen militärischen Gegner der NATO.
Ob es auch zur Stationierung von Waffensystemen ausländischer Staaten auf österreichischem Staatsgebiet kommen soll, ist derzeit noch nicht bekannt, seitens der Bundesregierung wird dies bestritten. Wenn, dann wäre dies natürlich mit dem Neutralitätsgesetz nicht vereinbar und sehr gefährlich.

Ein Beitritt zu Sky Shield ist eine weitere Aufgabe unserer national-staatlichen Souveränität.

Ist Sky Shield mit der österreichischen Neutralität vereinbar?
Reifenberger: Nein, das ist es nicht. Bei Sky Shield handelt es sich um ein Militärbündnis, auch wenn von der Regierung anderes behauptet wird. Ein Beitritt zu Sky Shield ist mit der österreichischen Neutralität nicht vereinbar.

Österreich und die Schweiz haben ja eine Zusatzerklärung zum Beitrittstext hinzugefügt, der auf die Neutralität Österreichs hinweisen soll. Ändert das etwas?
Reifenberger: Unsere Verteidigungsministerin wäre selbst nicht einmal auf die Idee einer Zusatzerklärung gekommen. Da hat es jetzt die Schweiz und unseren politischen und medialen Druck gebraucht, dass eine Zusatzerklärung aufgenommen wurde. Dass überhaupt eine Zusatzerklärung beigefügt wurde, beweist schon, dass Sky Shield doch nicht so 100%ig mit unserer Neutralität vereinbar scheint, sonst hätte man sich das sparen können. Aber diese Zusatzerklärung ändert nichts daran, dass der Beitritt zum Miltärbündnis Sky Shield mit der österreichischen Neutralität nicht vereinbar ist.

Ist das ein weiterer Schritt in Richtung ­NATO-Beitritt?
Reifenberger: Ja, das ist natürlich ein weiterer Schritt in Richtung NATO. Es ist eine Aufgabe national-staatlicher Souveränität, eine weitere Aushöhlung unserer Neutralität und ein halber NATO-Beitritt durch die Hintertür. Es ist davon auszugehen, dass sich die Kommandozentrale von Sky Shield auf einem NATO-Gefechtsstand im Ausland befinden wird.

Warum stehen wir als neutraler Staat sicherer da als ein NATO-Mitgliedstaat?
Reifenberger: Wenn unsere Bundesregierung unsere Neutralität ernst nehmen und glaubhaft leben würde, da geht es nicht nur um Sky Shield, sondern auch um Themen wie die Teilnahme an Wirtschaftssanktionen gegen Russland, Waffen- und Truppentransporte durch Österreich, geduldete Überflüge über österreichischem Staatsgebiet, die Finanzierung der Minenräumung in der Ukraine und die Lieferung und Bezahlung von Rüstungsgütern für die Ukraine.
Wenn also unsere Bundesregierung unsere Neutralität wirklich glaubhaft leben würde und wir darüber hinaus auch eine wehrhafte Republik wären, die – ähnlich wie die Schweiz – in der Lage wäre, das eigene Land militärisch gegen einen konventionellen militärischen Angreifer zu schützen, dann wären wir als neutraler Staat sicherer als ein NATO-Mitglied.
Das, was unsere Bundesregierung jetzt macht, ist allerdings brandgefährlich. Unsere Neutralität wird nicht konsequent und glaubhaft gelebt und daher vom Ausland nicht mehr ernst genommen. So haben es Nehammer & Co. in kürzester Zeit geschafft, dass Russland unseren Neutralitätsstatus nicht mehr anerkennt und Österreich zu einem „unfreundlichen Staat“, einem „unfriendly state“, erklärt hat. Genau das könnte man mit einer konsequenten Neutralitätspolitik verhindern, um eben nicht zwischen die Fronten zu geraten oder gar als Kriegspartei wahrgenommen zu werden.

ÖVP-Außenminister Schallenberg meinte, Sky Shield diene nur dem Informationsaustausch? Warum nicht?
Reifenberger: Das stimmt einfach nicht, wobei ich den Austausch von Informationen wie z. B. Aufklärungsergebnisse unseres Radar-Systems Goldhaube nicht so verharmlosend abqualifizieren würde. Informationsgewinnung, also militärisch gesprochen „Aufklärung“, ist die Voraussetzung, um militärisch handeln zu können.
Wenn Sie so wollen, sind Augen zur Informationsgewinnung (zur Aufklärung) da und die Hände sind die Waffensysteme zur Bekämpfung der erkannten feindlichen Bedrohung.Wer blind ist, weiß nicht, wo er hinschlagen soll.
Darum sind Informationen, wie sie von unserem österreichischen Radar-System Goldhaube geliefert werden, so wertvoll und entscheidend.Aber Sky Shield geht weit über einen reinen Informationsaustausch hinaus.
Auf der Homepage des deutschen Verteidigungsministeriums ist zu lesen, dass Sky Shield der gemeinsamen Luftraumverteidigung dient und eine Stärkung des europäischen Pfeilers in der gemeinsamen Luftverteidigung der NATO sein wird. Es wird daher zu einer gemeinsamen Kommandostruktur kommen, welche bei der NATO angesiedelt sein wird.
Der deutsche Militärexperte Ralph ­Thiele – und vergessen Sie nicht, dass Sky Shield auf eine deutsche Initiative zurückzuführen ist – sagt dazu, dass Waffensysteme quer über Europa verteilt sein werden. Laut ihm wird Sky Shield von einem Gefechtsstand der NATO geführt werden. Und Sinn habe dieser Gefechtsstand nur dann, wenn die beteiligten Staaten dem Gefechtsstand die Freigabe erteilen, bei bestimmten Gefahren sofort und eigenständig zu handeln. Denn oft gehe es nur um wenige Minuten, in denen reagiert werden könne.
De facto würde also in einem NATO-Gefechtsstand die Entscheidung über den Einsatz von Sky Shield getroffen werden.
Das ist zwar militärisch richtig, aber jedenfalls nicht mit der österreichischen Neutralität vereinbar, selbst wenn ein österreichischer Offizier auf diesem NATO-Gefechtsstand die Letztentscheidung treffen würde.

Deutsche Militärexperten sagen, dass die Waffensysteme quer über Europa verteilt werden.

ÖVP-Verteidigungsministerin Tanner hat am 7. Juli bereits eine Absichtserklärung zum Beitritt Österreichs beim Sky Shield-Projekt unterzeichnet. Sie spricht von einem Meilenstein in der Sicherheitspolitik. Was meint sie damit?
Reifenberger: Das müssen Sie die Verteidigungsministerin selbst fragen. Wäre Sky Shield nur eine reine Einkaufsplattform, dann wäre es kein Meilenstein. Es ist also mehr geplant, nur sagt das unsere Bundesregierung den Bürgern nicht. Jedenfalls bedeutet es eine Verletzung unserer österreichischen Neutralität.
Und hier hätte ich mir eigentlich vom Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheeres, von unserem Herrn Bundespräsidenten erwartet, dass er einschreitet und die Verteidigungsministerin in die Schranken weist.

Was sagt der Oberbefehlshaber des Militärs, Bundespräsident Van der Bellen, dazu?
Reifenberger: Bisher leider nichts und ich erwarte mir von diesem Herrn auch keinen positiven Beitrag.
Die Grünen haben inzwischen dem Pazifismus abgeschworen und sind zu einer Kriegstreiber-Partei geworden.

Das Gespräch führte Friedrich-Wilhelm Moewe

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