„Sie leben oft in ihrer eigenen Großfamilienwelt“

by admin2

Mediziner Günter Koderhold über die Häufung von Erkrankungen in religiösen Communities, genetische Dispositionen, Sprachbarrieren und fehlende personelle Ressourcen in den Spitälern

Herr Dr. Koderhold, wie glaubwürdig schätzen Sie als langjährig tätiger Mediziner Berichte ein, dass Migranten überdurchschnittlich häufig an Corona erkranken bzw. überdurchschnittlich oft im Spital oder gar intensiv­medizinisch behandelt werden müssen?
Günter Koderhold: Grundsätzlich haben wir hier ein weltweites Phänomen: religiöse Communities – in Europa eher muslimische Communities, in den USA und Asien eher christlich-fundamentale – wurden häufig Ausgangspunkt von Infektions-Clustern.Die Gründe sind vielfältig: intensiveres Zusammenleben in Gruppen und Großfamilien einerseits, Sprachbarrieren der älteren Mitglieder und Abgrenzung zu Informationsangebot und Gesundheitsbildung der Allgemeinheit andererseits.

Dr. med. Günter Koderhold ist Onkologe und Allgemeinmediziner und war bis 2020 Landtags­abgeordneter (FPÖ) in Wien. (Bild: FPÖ)

In Europa und Österreich sind es eben muslimische Gemeinschaften, die sich durch die beachtliche­ Migration in den letzten Jahren stark vergrößert haben – ohne sich in der kurzen Zeit kommunikativ und kulturell integrieren zu können. Dort existiert zwar ein solides Gesundheitsbewusstsein bezüglich Kinder, aber meiner Erfahrung nicht bei den älteren, fatalistischen Mitgliedern.
Schon vom Anfang der Pandemie an zeigte sich eine deutlich Häufung von Intensiv-Patienten mit Migrationshintergrund.
Die Aussagen des behandelnden Spital­personals wiederholen sich seit Mo­naten: „… wenig österreichische Namen ….“, „…. können sich schlecht in deutscher Sprache ausdrücken ….“, „… kommen sehr spät in sehr schlechtem Allgemeinzustand …“

Kann man es auch so sehen, dass aufgrund des religiösen Fundamentalismus religiöse Dogmen über staatliche oder wissenschaftliche Warnungen gestellt werden?
Koderhold: Auf jeden Fall. Außerdem haben meiner Erfahrung nach religiöse Communities eine gelassenere Einstellung zu Krankheit und Tod als die Agnostiker der westlichen Zivilisation – was sich im geringeren Interesse an Gesundheits­bildung ausdrückt.
Wie gesagt, die mangelnde Integration von Glaubensgemeinschaften (mit deren religiösen Einrichtungen) gegenüber Pandemievorschriften gibt es in der ganzen Welt.

In den Mainstream-Medien ist immer wieder zu lesen, Migranten wären deswegen stärker von Corona betroffen, weil sie angeblich sozial benachteiligt wären, in beengten Wohnverhältnissen leben und häufiger Arbeiten ­verrichten, die man nicht von daheim aus erledigen kann. Wie sehen Sie diese Argumentation?
Koderhold: Das ist nur zum Teil richtig. Wenn ich nun mit den USA beginne, wo die Black-Lives-Matter-Bewegung klagte, dass viel mehr Afroamerikaner als Weiße sterben – was ja auch demografisch stimmt –, ist anzumerken: bis zu 7 % der Afroamerikaner haben aus Afrika eine ursprünglich vorteilhafte genetische Dispositionen mitgenommen, die Sichelzellenkrankheit, die zwar sehr gut gegen Malaria hilft, aber für Covid-19 einen Risikofaktor darstellt. Das heißt, wir haben in den USA durch eine ursprünglich vorteilhafte genetische Prädisposition bei Afroamerikanern jetzt eine verschlechterte Covid-19-Situation.
Und zweifellos sind soziale Faktoren wie knapperer Wohnraum, exponierte Berufe und höhere Arbeitslosigkeit wichtige Co-Faktoren.
Jeder Kontinent hat seine eigene Geschichte der Seuchen – mit Auswirkungen bis in die Gegenwart. In Mitteleuropa, wo ca. 20 % der Erkältungserkrankungen durch Covid-19 verwandte Common Cold Corona-Viren hervorgerufen werden, kann man bei einem signifikanten Teil der Bevölkerung labortechnisch eine Kreuzimmunität zwischen CCC-Viren und Sars-Cov-2 Viren nachweisen. Es ist nicht ausreichend erhoben, wie sich diese unterstützende Abwehr durch CCC-Viren in anderen Kontinenten entwickelt hat – die ja ihre eigene Geschichte der Infektionskrankheiten haben.

Jeder Kontinent hat seine ­eigene Geschichte mit Seuchen – mit ­Auswirkungen bis in die Gegenwart.

Zum Themenbereich Corona und Migranten wird auch häufig der Begriff „Kommunikationsblockade“ genannt. Das heißt, dass man aufgrund fehlender oder mangelnder sprachlicher Kenntnisse Migranten nicht erreichen kann. Wie sehen Sie das aufgrund Ihrer Erfahrungen in der Praxis?
Koderhold: Das betrifft vor allem die ältere Generation. Bei den älteren Herrschaften dringt man, wie ich aus jahrzehntelanger Spitalserfahrung weiß, oft schwer bis gar nicht an die Person heran. Sie leben in ihrer eigenen Großfamilienwelt, sind Altersgebrechen gegenüber gelassener und suchen auch nicht sofort ärztliche Hilfe.
Migranten sind zum Teil auch überdurchschnittlich häufig von Krankheiten wie Tuberkulose betroffen, also von Krankheiten, von denen man geglaubt, hat, dass sie in Mitteleuropa ausgerottet sind. Ist mit einem Anhalten der Migrationsströme damit zu rechnen, dass solche Krankheiten künftig wieder alltäglich werden?
Koderhold: Hier muss man unterscheiden: Die therapieresistente Tuberkulose und die Dualinfektion Tuberkulose/HIV, kommt selten aus dem arabischen Raum sondern eher aus Osteuropa, z. B. aus der Ukraine, Weißrussland und Russland, manchmal auch aus Pakistan und Afrika.
Das Auftreten therapieresistenter Tuberkulose mit der Dualinfektion Tb/HIV stellt eine ernste Gefahr dar, der man sich bewusst zu sein scheint – schließlich wurden schon gesperrte Tb-Stationen
wieder reaktiviert.

Österreich rühmt sich immer wieder, das weltbeste oder zumindest eines der weltbesten Gesundheitssysteme zu haben. Wenn nun Migranten oder Asylwerber schwer erkranken, werden sie natürlich im Spital lege artis behandelt. Dadurch können gewaltige Kosten entstehen, denen keine oder nur sehr geringe Beitragszahlungen in die Sozialversicherung gegenüberstehen. Besteht die Gefahr, dass dadurch das System in Schieflage gerät?
Koderhold: Die personelle und finanzielle Belastung besteht zweifellos schon jetzt – wobei meiner Erfahrung nach Asylwerber selten ausreichend durchuntersucht sind. Wir wissen noch gar nicht, wie krank diese Gruppe tatsächlich ist. Es gibt Berechnungen, dass in Deutschland einem Asylwerber mindestens 100 Euro pro Kopf und Monat an Gesundheitskosten anzurechnen sind. Das ist aber eine Minimumrechnung – andere Krankenkassen gehen von bis zu 200 Euro pro Kopf und Monat aus. Durch die große Migrationszahl der letzten fünf Jahre, die meiner Meinung nach nie ausreichend medizinisch untersucht wurde, können wir damit rechnen, dass in den nächsten Jahren die Versorgungsnotwendigkeit deutlich höher werden wird. Und noch etwas: Es ist nicht nur ein finanzielles Problem – die wirklich unlösbare Hürde der Gesundheitsversorgung wird das Fehlen personellen Ressourcen im Gesundheitssystem.
Österreich ist in wenigen Jahren beachtlich gewachsen, hat bald 9 Millionen Einwohner, während der Gesundheitsbereich keineswegs im selben Ausmaß mitgewachsen ist – und wir mitten in einer enormen Pensionierungswelle der Ärzte bei gleichzeitiger Arbeitszeitreduktion im Spital stehen. Es wurden sehr viele Menschen aufgenommen, ohne dass sich die politischen Entscheidungsträger über die Verknappung der medizinischen Versorgung Gedanken machten. Im Gegenteil, die Heeressanitätsreform, durch die Heeresspitäler und mobile Feldspitäler praktisch ausradiert wurden, hat das so wichtige Angebot von medizinischen Untersuchungsstraßen weiter
verringert.

Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.

[Autor: Bild: ZZ-Archiv Lizenz: –]

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2 comments

„Sie leben oft in ihrer eigenen Großfamilienwelt“ 6. Mai 2021 - 13:22

[…] Beitrag „Sie leben oft in ihrer eigenen Großfamilienwelt“ erschien zuerst auf […]

Migranten als “kritische Masse” – ZurZeit Ausgabe Nr. 18 - ZurZeit 6. Mai 2021 - 14:24

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