Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Heinrich-Böll-Stiftung Lizenz: CC BY-SA 2.0
Michael Wolffsohn geißelt die Scheinmoral des linken Milieus
Das bundesdeutsche Medium „Jüdische Allgemeine“ vom 5. November veröffentlicht einen bemerkenswert ausgewogenen Artikel des bekannten Publizisten Michael Wolffsohn mit der Überschrift 9. November – Eine Bitte. Der Untertitel lautet Nie wieder: Unser Autor Michael Wolffsohn will keine schönen Worte mehr, sondern endlich wirksame Taten.
Wolfssohn, emeritierter Professor an der Bundeswehr-Hochschule in München, analysiert messerscharf, wenn er zunächst einmal festhält, deutsche Überheblichkeit in Gestalt eines penetranten, anmaßenden Anspruchs auf moralische Hegemonie gehöre nun wieder zum deutschen Alltag. Der Autor wörtlich: „Nie wieder! So lautet die bundesdeutsche Synthese aus Beichte und gleichzeitiger Selbst-Absolution. Also nie wieder deutsches Herrenmenschentum, Nazismus oder sonstige Faschismen ganz allgemein und, im Besonderen, nie wieder Judenhass, Auschwitz, Endlösung.“
Eine seit 2019 stets anwachsende Tendenz bleibt Wolffsohn wie vielen anderen Zeitgenossen nicht verborgen, es handelt sich um die Tatsache, dass weite Teile aus Gesellschaft und vor allem der sogenannten Kulturelite sich anmaßen, nicht nur die Einheimischen, sondern die Juden schlechthin darüber zu belehren, was Antisemitismus sei.
Und in der Gegenwart komme der Antisemitismus auch im verlogenen Gewand daher. Wolffsohn formuliert mit Recht: „Neonazistische und andere rechte sowie muslimische Antisemiten machen aus ihrer Gesinnung kein Hehl. Verlogene Antisemiten sind Linke und sogenannte Linksliberale, die an der vordersten Nie-wieder-Front stehen, ihren Antisemitismus mit Scheinmoral überpinseln und antisemitischen Tätern scheinintellektuelle Rechtfertigung bieten. Gerne importieren sie – sich selbst als Avantgarde des Antirassismus darstellend – nichtweiße Antisemiten aus dem Globalen Süden. Wer die immer gleichen Muster benennt, wird aus scheinkoscheren Kanonen als Rassist beschossen. Rechtfertigende Begleitmusik liefert die deutsche Politik mit ihrem Mantra, die circa 90 Prozent der Antisemiten rechts verortet.“
Dann bringt der Emeritus eine These zu Papier, die es in sich hat. Er schreibt Antizionismus beziehungsweise Antiisraelismus ist Antisemitismus, denn: Israel ist die existenzielle Lebensversicherung aller Juden. Das bedeutet, bei objektiver Beurteilung sine ira et studio, nichts weniger als eine Immunisierung der Politik Israels gegen jedwede Kritik. Das geht eindeutig zu weit, stellt überschießend ein Völkerrechtssubjekt unter den Quargelsturz.
Gegen Ende seiner Ausführungen merkt Wolffsohn bitter an, die praktische deutsche Politik sei mit der Nie wieder!-Parole mitnichten deckungsgleich. Er nennt dafür Beispiele.
Erstens: Als im Oktober 1973 Israels Sein im Jom-Kippur-Krieg am seidenen Faden hängt, verweigern Bundeskanzler Willy Brandt (recte Herbert Frahm) und seine Regierung den US-Waffennachschub aus Deutschland an den jüdischen Staat.
Zweitens: 1981/82 wollen Kanzler Helmut Schmidt (SPD) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) den damals mit Israel verfeindeten Saudis Panzer liefern. Israel protestierte vehement. Erst Kanzler Helmut Kohl (CDU) stoppt den Deal.
Drittens: Ein Angriff auf Israel sei wie ein Angriff auf Deutschland, verkündet Angela Merkel im März 2008 vor der Knesset. Doch bis 2015 setzen sie und ihr SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier alle Hebel in Bewegung, um das Atomabkommen mit dem Iran zu ermöglichen. Munter stimmt die Große Koalition nach Steinmeier mit Sigmar Gabriel und Heiko Maas (alle SPD) in der UNO fast jedem Antiisraelismus zu.
Fazit: Der Artikel ist eine Abrechnung mit der deutschen Linken und entlarvt deren Diskrepanz zwischen Wort und Tat. Mit seinen Ausführungen stellt sich Michael Wolffsohn in die bisweilen schütter besetzte Reihe von Publizisten, die das Für und Wider eines Sachverhaltens sorgsam abwägen, bevor sie eine Beurteilung wagen. Ganz im Gegensatz zur Meute der Lohnschreiber, die gedankenlos dasjenige nachplappern, was die fettesten Einnahmen der Inseratenabteilung ihres Brotgebers verspricht.