Stromschlag auf Wienerisch

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Autor: Manfred Tisal Bild: Wikipedia/Viennaphotographer Lizenz: CC BY-SA 4.0


Wenn es an die Börse geht, muss man das Risiko einberechnen. So ist das nun einmal mit den Spekulationen am Börsenmarkt. Das Unvorhersehbare ist Teil dieser Geschäftspraktik. Spekulieren heißt im Klartext, etwas zu erlangen, hoffen oder etwas erreichen wollen. Nur, was hat man erreicht? Pleitegefahr, Insolvenz, Konkursgefahr. Ein gewagtes Spiel mit dem Geld der Kunden, mit dem man sorgsam umzugehen hat. Das beinhaltet auch eine moralische Verpflichtung. Es ist ein „was wäre wenn Spiel“ mit Geld, das eigentlich anderen gehört. Voraussehbar war zudem auch, dass der Strompreis ins Uferlose steigen könnte.

Man hat also gezockt. Und das im Wissen oder in der Vermutung, dass Vater Staat es nicht zulassen kann, dass tausende Wiener im Winter frieren müssen. Er nimmt also „Kohle“ aller Österreicher in die Hand und rettet damit den Kopf jener, die vermutlich für diese Spekulationen verantwortlich zeichnen. Doch worin liegt diese Verantwortung? Wer muss den Kopf dafür hinhalten? Wer ist schuld? Management, Firmenleitung oder die Politik? Ist es mangelnde Kontrolle, nicht sorgsamer Umgang mit den zur Verfügung stehenden Finanzen, oder hat man mit der Staatshilfe spekuliert. Das wäre fast vergleichbar mit einem Vorsatz.

Die derzeitige Situation lässt alle Vermutungen zu. Es ist ein Buch, das geöffnet werden muss. Alleine schon, weil es um unser aller hartverdientes Geld geht. Teilschuld an dem Desaster trägt auch die Bundespolitik, die es verabsäumt hat, rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen, letztendlich im Interesse aller Bürger zu ergreifen. Es kann doch nicht sein, dass der Strompreis am Produkt der teuersten Energiequelle berechnet wird.

Auch die Holz- und Heizölspekulanten spielen mit dem Feuer. Heizöl und Pellets sind schon jetzt am Markt Mangelware, obwohl die Lager bis zum Rand gefüllt sind. Man wartet bis die Preise und damit die Gewinne steigen. Frotzeleien auf Kosten der Mitmenschen. Wenn es Putin gefällt, wird das Leck von Nordstream den Winter überdauern. Es ist vermutlich seine Art von Rache an den Sanktionen gegen Russland. Aber noch schlimmer und bedenklicher ist, dass sowohl unsere Regierung als auch die Bonzen in Brüssel schweigen und tatenlos zusehen, wie wir alle in jenem Sumpf untergehen, den wir versäumt haben trocken zu legen. Die Befürchtung, dass es demnächst ein totales Black-out (nicht nur was die Energie betrifft) geben wird, liegt auf der Hand, mit der Otto Normalverbraucher jetzt alles ausgeben muss, um nur zu überleben. Es ist nicht 5 vor 12. Es ist schon zu spät. Der Karren läuft abwärts. In jeder Hinsicht. Er ist nicht mehr aufzuhalten, und wir alle sitzen drin.

Manfred Tisal ist Kabarettist, Moderator, Autor und Journalist.

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