Wien: Das rote Rathaus inseriert in der pechschwarzen Tageszeitung „Die Presse“

by John Tuscha

Autor: E.K.-L. Bilder: Wikipedia/Pymouss Lizenz: CC BY-SA 4.0


Die Gemeinde sucht nach Fachkräften aus fernen Landen

Sie kennen wahrscheinlich den alten Reim:

Wer nichts ist und wer nichts kann /

geht zu Post und Bundesbahn. /

Wer auch dort kein Leiberl hat /

geht zum Wiener Magistrat.

Daran denkt so mancher Zeitgenosse, welcher der Ausgabe der Tageszeitung „Die Presse“ vom Freitag, dem 9. Juni, ansichtig wird. Die Seite 1 sieht nämlich da ganz anders aus als sonst. Statt diverser Schlagzeilen lächelt einem eine Schwarz-Afrikanerin (politisch korrekt: Afro-Österreicherin) entgegen; sie hält ein Computerkabel oder ähnliches in der Hand. Der dazugehörige Text lautet:

Arbeite auch du an Wien! Die Stadt Wien bietet ein faszinierendes, vielfältiges und innovatives Arbeitsumfeld und das in krisensicheren Jobs mit Verantwortung und Sinn. Bewirb dich noch heute unter: jobs.wien.gv.at

Bild und Text des ganzseitigen Inserats machen überhaps ein Zehntel der Fläche dieser Seite aus. Der Rest ist leer. Nebenbei: Die Wortfolge „Bewirb dich noch heute …“ ist nicht ganz wörtlich zu nehmen. An einem Fenstertag wie dem 9. Juni, noch dazu einem Freitag, dürfte das neugotische Wiener Rathaus ziemlich verwaist sein. Auch die städtischen Beamten genießen das verlängerte Wochenende.

Große Frage: Was also sollte diese Reklame bewirken? Vielleicht eine Kursänderung der Stadt Wien. In der Vergangenheit bewarben sich – siehe obiges Gstanzl – sicherlich überwiegend Personen um Arbeit, für die die gesetzliche Vermutung des § 1297 ABGB zutrifft. Jene Norm lautet: Es wird aber auch vermuthet, daß jeder welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sey, welcher bey gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Einfacher ausgedrückt: Menschen mit durchschnittlicher Begabung. Für eine Tätigkeit als Tramwayfahrer, Kanalräumer, Stromzähler-Ableser oder Friedhofsgärtner langte das allemal.

Jetzt aber sind die Beamten der Magistratsabteilung 2 (Personalservice) hinter hochqualifizierten Arbeitssuchenden her, die aus fernen Landen, aus dem „Globalen Süden“ (früher: Dritte Welt) kommen, wie eben das Bild der Schwarz-Afrikanerin dartun soll. Also nach, wie man so schön sagt, people of color. Stellungslose, die – so mutmaßen die Verantwortlichen für die Vergabe der großflächigen Anzeige – in der Regel nach Qualitätszeitungen wie der eher bürgerlichen, ÖVP-nahen Zeitung „Die Presse“ greifen.

Wie schön, dass die rote Stadt Wien heutzutage nicht mehr per AMS nach Mitarbeitern sucht, sondern per Reklame in einem renommierten Medium  nach den besten Fachkräften aus aller Welt. Da nimmt man im Rathaus gern ein paar Zehntausend Euro Steuergeld in die Hand. 

Unter uns: Ein Schelm, wer da an Inseraten-Korruption denkt. Weil ja „Die Presse“ nicht im Traum daran denkt, deswegen ihre Kritik am roten Wien einzuschränken und in Hinkunft vielleicht gar ein Alzerl wohlwollender über die Rathaus-Sozis und deren pinkes Beiwagerl berichtet. Auf keinen Fall. Wär ja noch schöner, sich durch Inserate beeinflussen zu lassen!

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