Bundestagsabgeordneter und AfD-Vizeparteichef Stephan Brandner über 30 Jahre Wiedervereinigung, die Folgen der politischen Korrektheit und über vernünftigen Patriotismus
Am 3. Oktober jährt sich die deutsche Wiedervereinigung zum 30. Mal. Welche Wünsche oder Hoffnungen hatten Sie am
3. Oktober 1990?
Stephan Brandner: Ich komme ja ursprünglich aus den westlichen Bundesländern, mein politischer Antrieb war immer die deutsche Wiedervereinigung. Daher war ich am 3. Oktober 1990 mehr als glücklich, obwohl ich zu dieser Zeit gar nicht im Land, sondern für ein paar Monate beruflich in Südafrika war.
Wenn Sie die letzten 30 Jahre Revue passieren lassen, sind Sie noch immer glücklich? Was ist gelungen und was wurde verabsäumt oder ging daneben?
Brandner: Wunderbar ist, dass dieses sozialistische Konstrukt, die „DDR“, mehr oder weniger in Vergessenheit geraten ist, und wenn man mit Bürgern unter 40 Jahren redet, dann können sich diese an diesen linken Unsinn eigentlich gar nicht mehr erinnern. Da wurde viel erreicht. Ich selbst bin dann bewusst in die neuen Bundesländer gezogen und lebe seit 1996 in Thüringen.
Auch in Österreich ist der Spruch vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl von den „blühenden Landschaften“, die in der ehemaligen „DDR“ entstehen werden, noch in guter Erinnerung. Sind diese „blühenden
Landschaften“ entstanden?
Brandner: Was Industriestrukturen und Gewerbe anbelangt, haben wir weniger blühende Landschaften,als große Brachflächen und Lücken. Wenn Sie sich anschauen, wie viele DAX-Konzerne wir in den neuen Bundesländern haben, dann sind es exakt null. Da ist noch viel aufzuholen, aber 40 Jahre Sozialismus, 40 Jahre Enteignung, 40 Jahre Staatsdirigismus und Unrecht sind schwierig aufzuholen. Optisch gibt es blühende Landschaften, aber was die Arbeitsmarksituation, was das produzierende Gewerbe angeht, eher nein.
Laut einer aktuellen „Forsa“-Umfrage sind 57 Prozent der Menschen in den neuen Bundesländern der Meinung, sie wären Bürger zweiter Klasse. Gibt es immer noch eine mentalitätsmäßige Teilung oder Mauern im Kopf?
Brandner: Ich kann das gut vergleichen, weil ich die erste Hälfte meines bisherigen Lebens im Westen und die zweite im Osten verbracht habe. Was „Bürger zweiter Klasse“ betrifft, ist anzumerken, dass sehr viele Menschen in den nicht mehr so ganz neuen Ländern gebrochene Erwerbsbiographien haben. Im Umfeld der Wiedervereinigung und auch danach wurde nicht darauf geachtet, Arbeitsplätze sozialverträglich abzubauen, wie es ja im Westen üblich war. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, da wurde über Jahrzehnte sozialverträglich die Steinkohleförderung abgebaut, aber im Osten ging das von heute auf morgen. Die Leute wurden rausgeschmissen, bekamen, wenn sie Glück hatten, eine geringe Abfindung und ihnen wurde gesagt „Seht mal zu!“. Da haben bedauerlicherweise viele beruflich keinen Fuß mehr auf die Erde bekommen. Insofern kann ich, insbesondere, was den Umgang mit Arbeitern angeht, dieses Gefühl von den Betroffenen nachvollziehen.
In der untergegangenen „DDR“, die bekanntlich eine kommunistische Diktatur war, war es gefährlich, wenn man regimekritische Äußerungen von sich gegeben hat. Nun haben wir in der Bundesrepublik die politische Korrektheit und den sogenannten „Kampf gegen Rechts“, der in der politischen Debatte recht breiten Raum einnimmt, und das Äußern von nonkonformistischen Meinungen kann negative Folgen nach sich ziehen. Wird die Bundesrepublik des Jahres 2020 provokant formuliert zu einer Art „DDR 2.0“?
Brandner: Das kann man provokant so formulieren, wobei sich aber Geschichte nicht wiederholt. Dennoch, die Entwicklung, die wir zurzeit in der Bundesrepublik haben, ist mehr als bedenklich. Es war ja auch in der DDR nicht so, dass man sofort eingesperrt wurde, wenn man seine Meinung gesagt hat, es lief viel subtiler ab: Zersetzung, soziales Umfeld zerstören, isolieren, Personalgespräche und dergleichen. Und genau das – und das meine ich ernst – passiert nun in der Bundesrepublik auch. Wenn Sie nicht 100 Prozent auf Linie sind, dann wird Ihr soziales Umfeld zerstört, Sie werden geächtet, Sie werden aus Restaurants rausgeschmissen, Ihr Auto wird abgefackelt, das Haus angegriffen, Sie werden aus Vereinen ausgeschlossen, Sie werden in den Medien nicht erwähnt und es gibt Strukturen wie die Antifa-Krawallos, die regelrechte Steckbriefe in den Straßen aufhängen und sagen, neben ihnen wohnt ein AfDler. Begriffe wie „Nazi“ oder „Faschist“ werden inflationär gebraucht. In der „DDR“ waren ja auch alle, die nicht auf Linie waren, Faschisten. Hier gibt es erschreckende Parallelen: Man hat heute Angst um seinen Arbeitsplatz, wenn man auf einer Demonstration gesehen wurde, und das sind Zustände, wie sie in der „DDR“ auch geherrscht haben.
Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen dafür?
Brandner: Die Ursachen sind, dass sich herrschende alte Kader aus der „DDR“ herübergerettet haben. Es ist ja auch die Frage, woher die über so viele Jahre so viel Geld herhaben. Und dann wurde auch im Westen – ich kenne das von meiner Schullaufbahn in den 80er-Jahren – die „DDR“ von großen Teilen des linken Spektrums als gut und vorbildlich befunden. Es wurde gesagt, sie sei ein sozialistisches Experiment, und schaut euch mal an, wie billig Brot da ist und wie wenig man für ein Kilo Leberwurst arbeiten muss. Da gab es im Westen viele Lehrer, die fanden, dass der Sozialismus der „DDR“ was Gutes wäre, die dieses Modell gut fanden, und die setzen es nun gesamtdeutsch um.
In anderen Ländern ist Patriotismus ganz normal, aber in der Bundesrepublik gibt es den Grünen-Co-Vorsitzenden Habeck, der nach eigenen Angaben Vaterlandsliebe „zum Kotzen“ findet. Woher kommt dieser Selbsthass?
Brandner: Das ist ja nicht grünenspezifisch. Schauen Sie sich Bundespräsident Steinmeier an, der lamentierte, dass man Deutschland nur mit gebrochenem Herzen lieben darf oder kann, schauen Sie sich die Aversionen von Frau Merkel gegenüber der Deutschlandfahne an, schauen Sie sich viele auch führende Grüne und Linke an, die Deutschland ausdrücklich hassen. Das ist eine Mischung aus nicht verstandener Geschichte, gepaart mit Gehirnwäsche über Jahrzehnte. Leute, die heute so kritisch dem Patriotismus gegenüber eingestellt sind, sind die wahren Ewiggestrigen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben. Denn ein gesunder, vernünftiger Patriotismus heißt ja nicht, dass ich andere Länder nicht mag – das geht dann in Richtung Nationalismus. Vernünftiger Patriotismus heißt, ich liebe mein Land, ich will mein Land nach vorne bringen, und es sollte eigentlich die Überzeugung eines jeden deutschen Demokraten sein, patriotisch zu leben und zu handeln.
Hier könnte Ihre Partei, die AfD, einen wichtigen Beitrag leisten, dass der vernünftige Patriotismus wieder mehrheitsfähig wird.
Brandner: Während unser Schwarz–Rot–Gold, unsere Staatsflagge, eigentlich verpönt war und teilweise auch noch ist und von vielen Politikern links von der AfD auf auch nur mit spitzen Fingern angegriffen wird, haben wir Schwarz–Rot–Gold wieder mehrheitsfähig und sichtbar gemacht. Wir sind diejenigen, die tagtäglich das Grundgesetz leben und lieben, während die anderen darüber immer nur labern. Wir sehen, wie gerade jetzt in der Coronakrise das Grundgesetz mit den Füßen getreten wird. Wir sind diejenigen, die gute Gedanken Richtung Patriotismus, Grundgesetz, Grundrechte, Freiheit und vernünftige Politik in die politische Diskussion in Deutschland einspeisen.
Als es 1990 zur Wiedervereinigung gekommen ist bzw. sich diese abgezeichnet hat, wurden international Befürchtungen vor einem zu starken, zu mächtigen Deutschland geäußert. Wenn man sich die letzten 30 Jahre anschaut, hat Berlin aber immer brav das gemacht, was Brüssel angeschafft hat, wenn man an die Eurorettung oder die Migrationsfrage denkt.
Brandner: Diese Befürchtungen von vor 30 Jahren haben sich eher ins Gegenteil entwickelt. Inzwischen lachen alle über uns. Schauen Sie sich mal unseren Außenministerdarsteller Heiko Maas an, schauen Sie sich Angela Merkel und ihre gesamtes Kabinett an, schauen Sie sich Bundespräsident Steinmeier und die Ministerpräsidenten und die Landesminister an. Nahezu alle sind Lachnummern, die eigentlich nichts anderes können und tun, als deutsches Steuergeld an alle Welt zu verschenken, auf Dankbarkeit hoffend, die dann nicht kommt. Wir sind eine Republik, die national und international völlig planlos und ängstlich agiert. Unsere Infrastruktur geht vor die Hunde, der Bau eines Flughafens oder Bahnhofs dauert Jahrzehnte. Oder schauen Sie sich den Zustand unserer Bundeswehr und des Bildungssystems an: Die Befürchtungen von vor 30 Jahren, Deutschland könne wieder zu einer Art Weltmacht auferstehen, haben sich alles andere als erfüllt.
Am Reichstagsgebäude in Berlin prangt der Schriftzug „Dem deutschen Volke“. Nun hat ein Viertel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund, und dieser Anteil dürfte sich in den nächsten Jahren noch weiter erhöhen. Wie lange wird es das deutsche Volk noch geben?
Brandner: Migrationshintergrund ist ja nichts Schlimmes und führt ja auch nicht dazu, dass man nicht zum deutschen Volk gehört. Es gibt ja sehr viele Migrationshintergründler, die bewusst gesagt haben, ich werde Deutscher, und die aus meiner Sicht und nach der Rechtslage auch zum deutschen Volk gehören. Das schließt sich ja nicht aus. Das Problem sind ja diejenigen, die in Deutschland wohnen und Wohltaten empfangen, sich aber nicht integrieren oder assimilierten wollen, die die deutsche Staatsbürgerschaft nur annehmen, damit sie nicht abgeschoben werden können und hier die Subkulturen und Substrukturen begründen.
Im Reichstag gibt es eine Kunstinstallation, die lautet „der Bevölkerung“. Da haben wir schon einen Schritt in die Richtung, in die es nach dem Willen der Altparteien gehen soll. Ich hingegen hoffe, dass es den Schriftzug „Dem deutschen Volke“ noch lange geben wird. Denn das Ziel hinter diesem Schriftzug war ja nicht, das Deutschtum hervorzuheben, sondern hervorzuheben, dass in Deutschland, damals im Deutschen Reich, das deutsche Volk das Sagen hat und nicht der Kaiser damals – und heute die Regierenden.
Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.
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