Ungarn: Groteske im Vorfeld der Präsidentenwahl

by admin2

Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Gábor Hanák/Hanák Gábor (Cassandro) Lizenz: CC BY-SA 3.0


Opposition liegt sich in den Haaren

Am 10. März wählt das ungarische Parlament (Landesversammlung) ein neues Staatsoberhaupt. Laut Verfassung (alaptörvény) ist im ersten Durchgang eine Mehrheit von zwei Dritteln erforderlich (Verfassung, Abschnitt „Der Staat“, Artikel 11, Absatz 3), danach genügt die einfache Mehrheit der Stimmen. Die von den Regierungsparteien Fidesz und KDNP als Nachfolgerin von Amtsinhaber János Áder nominierte Bewerberin Katalin Novák wird sohin mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits im ersten Wahlgang gekürt werden, da Fidesz samt KDNP zusammen 133 Abgeordnete (von 199) stellen.

Das Oppositionsbündnis „Gemeinsam für Ungarn“ (Egységben Magyarországért) unter Führung von Péter Márki-Zay stellen nichtsdestotrotz einen Gegenkandidaten auf. Zuerst wird dafür der methodistische Pastor Gábor Iványi in Betracht gezogen, aber dann kommt alles ganz anders.

Das Internet-Nachrichten-Medium telex.hu schreibt am 17. Februar dazu (gerafft): „Kurz nach 20 Uhr am Sonntag (13. Februar; Anm. E. K.-L.) klingelte Peter Rónas Telefon in Oxford. Péter Márki-Zay, Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, lud ihn ein, der Kandidat für das Amt des Präsidenten der Republik zu werden. Nur wenige Minuten zuvor, nach wochenlangen Debatten, beschlossen die Führer der Oppositionsparteien, den bekannten Ökonomen als Gegner von Katalin Novák zu benennen, und doch nicht Gábor Iványi, wie wir zuvor gehört hatten. Róna sagte Ja zu der Einladung, die keine große Überraschung für ihn war, da Péter Jakab, Präsident von Jobbik, Wochen zuvor auf ihn zugekommen war.“

Das Vorspiel: Jobbik-Vorsitzender Péter Jakab blockierte den vom sogenannten Lügenpremier Ferenc Gyurcsány ins Spiel gebrachten Iványi. Das vorgeschobene Argument der Jobbik war, Iványi sei keine Persönlichkeit, die das Land insgesamt repräsentiere. Wahrer Hintergrund dürfte sein, dass Iványi – er war jahrelang Mandatar der linksliberalen SzDSz-Partei (Freie Demokraten) – in der Vergangenheit die Jobbik scharf kritisierte. Einzelne Beobachter vermuten, auch Iványis teilweise jüdische Abstammung sei da im Spiel.

Jedenfalls setzte sich die Jobbik in der entscheidenden Sitzung der sechs oppositionellen Parteichefs durch. Was Gyurcsány, den eigentlichen Starken Mann der Opposition, in Weißglut brachte, da telex.hu  berichtete, er sei vor dem Jobbik-Chef in die Knie gegangen. Gyurcsány legt Wert auf die Feststellung, seine DK habe von Anfang an und bis zur letzten Minute an Iványi festgehalten.

Aber auch der neue Bewerber, der 80-jährige Wirtschaftswissenschaftler Péter Róna ist heftig umstritten. Die Tageszeitung Magyar Nemzet schreibt am 22. Februar: „… 2018 sagte Róna, der ohnehin schon für Einwanderung war, in seiner Enttäuschung viel über Ungarn: Ich kam zu dem schmerzlichen Schluss, dass dies nicht mein Land ist. Ich gehöre einfach nicht hierher.

Darüber hinaus provoziert Róna den oben erwähnten Lügenpremier Gyurcsány. In einem Interview mit der Wochenzeitung Hetek bezeichnet er die Einführung der Fremdwährungskredite (ab 2002) als dumme und zynische Konstruktion. Róna betrachtet Ferenc Gyurcsány als Hauptschuldigen, weil dieser damals der Chefberater des roten Regierungschefs Péter Medgyessy gewesen sei.

Die Devisenkredite hätten, so Róna, hunderttausende Familien und zigtausende Firmen ruiniert. Anmerkung: Viktor Orbán zwang 2013 die kreditgebenden Banken – darunter Raiffeisenbank und Erste Bank –, den ungarischen Kreditnehmern die durch die Kursschwankungen entstandenen Verluste zu ersetzen. Das kostete die Banken mehrere Hundert Millionen Euro.

Soweit zum Hickhack der Opposition. Die angesehene deutschsprachige Budapester Zeitung dazu: „Die reinste Schlammschlacht … dabei handelt es sich beim Gegenkandidaten der Opposition eigentlich um eine Pro-Forma-Angelegenheit. Deshalb zeigten Medien des Regierungslagers am Wochenende Schadenfreude, das Bündnis könne nicht einmal in belanglosen Fragen entscheiden, was solle das erst werden, wenn es um ernste Belange gehe?!“

In der Tat: Die Opposition macht es den Bürgern wahrlich nicht leicht, sie ernst zu nehmen.

Das könnte Sie auch interessieren