“Mitte-Rechts ist bereit, das Land zu regieren”

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Marco Zanni (Lega), Präsident der Fraktion Identität und Demokratie im EU-Parlament, über den Wahlkampf in Italien und bestehende Krisen sowie die vom Mitte-Rechts-Bündnis zu meisternden Herausforderungen

Umfragen sehen das Rechtsbündnis bei den Parlamentswahlen in Führung. Wird das Rechtsbündnis auch am 25. September gewinnen?
Marco Zanni: Der Weg bis zur Wahl ist lang, aber ich kann garantieren, dass die Mitte-Rechts-Koalition geeint und bereit ist, das Land zu regieren. Ich bin sicher, dass die Italiener nach den sehr schwierigen Jahren der Pandemie und der anhaltenden Wirtschaftskrise wissen werden, was sie für die nächsten fünf Jahren wählen sollen.

Marco Zanni (Lega), Präsident der Fraktion Identität und Demokratie im EU-Parlament (Bild: European Parliament).

Warum sind die Fratelli d’Italia zur stärksten Kraft auf der Rechten geworden, während die Lega laut Umfragen im Vergleich zu 2018 leicht verlieren wird? Ist dafür vielleicht die Beteiligung an der Regierung Draghi verantwortlich?
Zanni: Wir achten nicht auf die Umfragen und streben das bestmögliche Ergebnis an – nicht nur für die Lega, sondern für die gesamte Koalition.
Für uns hat der Wahlerfolg von Mitte-Rechts Priorität, um dem Land eine solide, geeinte Regierung zu geben, die Ausdruck des Votums des Volkes ist.
Die Situation in Italien und Europa ist besonders heikel, und wir brauchen eine Regierung, die die Interessen der Italiener verteidigt.

Wie läuft der Wahlkampf für Ihre Partei, die Lega? Welches sind die wichtigsten Themen?
Zanni: Der Wahlkampf gibt uns die Möglichkeit, mit vielen Bürger in ganz Italien zusammenzukommen und ihnen unsere Vorschläge zur Veränderung des Landes zu unterbreiten. Die Begeisterung ist groß: Matteo Salvini tourt weiterhin ununterbrochen durch die Plätze der Städte und Kleinstädte, immer mitten unter den Menschen. Unser Ansatz war immer, die Dinge mit eigenen Augen zu sehen, mit den Menschen zu sprechen und allen zuzuhören. Und unsere Prioritäten spiegeln genau die der Italiener wider: Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Rechnungen und der Energiekrise, eine Flat Tax von 15 Prozent, Reform des Rentensystems und Einführung der Quota 41 (Rente nach 41 Beitragsjahren Anm.), Null-Mehrwertsteuer und Verteidigung der Grenzen mit einem Stopp der illegalen Anlandungen.

Italien war von der Corona-Pandemie besonders betroffen. Was haben die Politiker falsch gemacht?
Zanni: Unser Urteil über den Umgang der Regierung Conte, die von der PD und der 5-Sterne-Bewegung unterstützt wurde, mit der Pandemie fällt äußerst negativ aus. Nach der anfänglichen Notsituation verhängte die Exekutive trotz eines Rückgangs der Infektionszahlen und besserer Kenntnisse über das Virus und die epidemiologische Situation weiterhin extrem strenge, oft unverständliche und paradoxe Schließungen und Einschränkungen für die Italiener. Während in den meisten europäischen Ländern die Menschen wieder zu leben begannen, waren in Italien immer noch Fabriken, Büros, Geschäfte und Schulen geschlossen. Ein enormer Schaden für die italienische Wirtschaft, aber auch für das Wohlbefinden der Bürger, die nichts mehr von Schließungen wissen wollen.

Leider leben wir derzeit in einem Zeitalter der Krisen. Was ist Ihrer Meinung nach die größte Krise: der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise aufgrund der Sanktionen gegen Russland, die hohen Inflationsraten oder die illegale Masseneinwanderung?
Zanni: Das sind alles sehr ernste Krisen, die sicherlich durch eine unbestreitbare Rolle vereint werden, die die EU – leider – spielt: von der Einwanderung über den wirtschaftlichen Niedergang des Kontinents bis hin zum Missmanagement der Gegenmaßnahmen gegen den Preisanstieg bei Strom, Gas und Rohstoffen trägt Brüssel eine große Verantwortung. Diese hat ihre Wurzeln in all den strategischen Fehlern, die in zeitlicher Abfolge schon lange vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine gemacht wurden.

Die derzeitigen ernsten Krisen werden leider durch die Rolle, die die Europäische Union spielt, vereint.

Hat die Draghi-Regierung, die immer noch als geschäftsführende Regierung im Amt ist, genug zur Bekämpfung der illegalen Masseneinwanderung getan?
Zanni: Ganz und gar nicht. Wir haben uns entschieden, die Regierung Draghi aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Italienern zu unterstützen, aber als Lega haben wir immer die Leitung des Innenministeriums kritisiert, das von einer Person geführt wird, die ein direkter Ausdruck linker Parteien war.

Luciana Lamorgese hat in der Migra­tionspolitik einen Fehler nach dem anderen gemacht. Allein die Zahlen zeigen es deutlich: Im August dieses Jahres gab es 14.103 illegale Anlandungen in Italien; als Salvini Innenminister war, wir sprechen also vom August 2019, waren es 1.268 Ankünfte. Ein ziemlicher Unterschied. Ein klarer Kurswechsel ist nötig.
Nehmen wir an, Matteo Salvini würde wieder Innenminister werden. Wie würde die italienische Einwanderungspolitik dann aussehen?
Zanni: Es ist noch zu früh, um die Ressortverteilung in der nächsten Regierung zu besprechen. Zunächst müssen wir die Wahlen gewinnen. Was wir jetzt versprechen, ist, die Situation wieder in die Hand zu nehmen, ausgehend von den Sicherheitsdekreten, mit denen wir eine erfolgreiche Strategie erprobt hatten. Für uns ist es von entscheidender Bedeutung, Hotspots in den Herkunftsgebieten einzurichten, um vor Ausreisen abzuschrecken, illegale Einwanderer zu stoppen, unsere Grenzen wieder zu verteidigen und zu verhindern, dass das Mittelmeer weiterhin ein Friedhof des Todes ist. All dies muss ein Ende haben. Mit Mitte-Rechts werden sich die Dinge ändern. Nicht nur in Italien, sondern auch in Brüssel.

Draghi ist auch ein bedingungsloser Befürworter von Sanktionen gegen Russland. Ist das im Interesse Italiens, vor allem im Hinblick auf die Wirtschaft?
Zanni: Als Lega haben wir uns sofort für Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Natürlich wussten wir von Anfang an, dass diese Maßnahmen auch Auswirkungen auf unser Land haben würden. Auch wenn Italien, was die Energieabhängigkeit von Moskau angeht, nicht auf dem Niveau anderer Staaten wie Deutschland ist, haben wir die Auswirkungen der Sanktionen dennoch gespürt. Wir haben jedoch sofort mobil gemacht und sogar mit Premierminister Draghi gesprochen, mit dem wir Treffen zu diesem Thema organisiert haben, damit auf Regierungsebene Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um den Bürgern und Unternehmen zu helfen sowie die Folgen der hohen Lebenshaltungskosten einzudämmen.
In vielen europäischen Ländern, auch in Österreich, wird davor gewarnt, dass es im Herbst und Winter wegen der Energiekrise und der hohen Inflation zu sozialen Unruhen kommen könnte. Wie ist die Lage in Italien?
Zanni: Auch in Italien stimmen uns die Aussichten für den Herbst nicht gerade zuversichtlich. Die jüngste Istat-Erhebung weist für August eine Inflationsrate von 8,4 Prozent aus. Das sind Zahlen, die in unserem Land seit fast 40 Jahren nicht mehr erreicht wurden.

Als Lega haben wir von Anfang an dafür plädiert, dass wir den Weg des Friedens gehen müssen.

Wie sollte sich Italien und wie sollte sich die EU im Hinblick auf den Ukraine-Krieg gegenüber Russland verhalten?
Zanni: Als Lega haben wir von Anfang an dafür plädiert, dass wir den Weg des Friedens gehen müssen. Ich finde es ironisch, dass heute, nach viel Kritik und Verleumdung in den letzten Monaten durch unsere politischen Gegner in Italien und Brüssel, eine Annäherung an diese Position stattfindet. Wir haben unsere Meinung nicht geändert: Wir glauben nach wie vor, dass der Dialog die einzige Lösung ist, um einen Konflikt zu beenden, der niemandem nützt.

Werden die Parlamentswahlen am 25. September Ihrer Meinung nach Auswirkungen über die Grenzen Italiens hinaus haben? Ich meine, wenn das Rechtsbündnis gewinnt, ist das ein Sieg für die nationale Souveränität, die Freiheit und ein Votum gegen den EU-Zentralismus, während das Linksbündnis für noch mehr Einwanderung und politische Korrektheit steht.
Zanni: Dass sich die Dinge im Falle eines Mitte-Rechts-Sieges in Italien radikal ändern werden, ist keine Vorhersage, sondern ein Versprechen. Jahrzehntelange Regierungen, die von der Linken und verschiedenen Technokraten geführt wurden, haben dazu geführt, dass unser Land in vielen Bereichen an Glaubwürdigkeit und Autorität verloren hat. In der von der Lega geführten Regierung 2018 haben wir dagegen gezeigt, dass wir eine große Nation sind und uns am europäischen Tisch Gehör verschafft, vor allem in der Frage der Einwanderung. Wie ich bereits gesagt habe, werden wir nach dem 25. September dort weitermachen, wo wir aufgehört haben.

Es ist kein Geheimnis, dass Matteo Salvini und Viktor ­Orban ein gutes Verhältnis haben. Wenn Italien eine rechte Regierung bekommt, sollten dann die Beziehungen zu ­Ungarn und Polen gestärkt werden, um eine Allianz gegen die vielen Fehlentwicklungen in der EU zu bilden und Europa zum Besseren zu verändern?
Zanni: Polen und Ungarn sind zwei sehr wichtige Partner Italiens und der EU, und mit diesen Ländern teilen wir die Bedeutung des Prinzips der Souveränität der Nationen und die Verteidigung des Subsidiaritätsprinzips und der Aufteilung der Zuständigkeiten gemäß den Verträgen.
Man hat den Eindruck, dass in den EU-Institutionen oft jemand versucht, die Regeln nach dem Wohl oder Wehe des jeweiligen Machthabers zu forcieren: In einer Demokratie darf dies nicht erlaubt sein, und die Verbissenheit einiger europäischer Bürokraten gegenüber einigen Mitgliedstaaten in nationalen Fragen ist dem echten Wachstum der europäischen Zusammenarbeit nicht förderlich.

Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.

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