„Österreichs Verstaatlichungen haben keine Zukunft!“

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Wirtschaftskammer-Vizepräsident ­Matthias Krenn zur Verstaatlichten ­Industrie, zu Privatisierungen und zur Rolle des Staates im wirtschaftlichen Geschehen

Herr Bürgermeister, Sie sind Hotelier, aber auch Politiker. Die Verstaatlichte Industrie hat in Österreich Tradition. Sehen sie da eigentlich einen Gegensatz zum „Freien Unternehmertum“?
Mathias Krenn: Naja, wenn man an Zeiten der VOEST-Alpine zurück denkt, dann haben diese Unternehmen wohl kaum die Berechtigung, den Begriff Tradition zu verwenden.
Denkt man an die Monarchie mit der Verstaatlichung der Eisenbahnen etwa, oder an den legendären Kreisky-Sager von den

KommRat Matthias Krenn ist Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich, Hotelier und Bürgermeister der Fremdenverkehrs­gemeinde Bad Kleinkirchheim.(Bild: Wikipedia/WIPAmedia/CC BY-SA 4.0)

Arbeitslosen und den Schulden, oder auch an die Umstrukturierungen mit der Schaffung der ÖIAG-Holding, dann kann man sagen, dass Österreich schon einiges am Hut hat mit Verstaatlichungen.
Krenn: Keine Frage. Letzten Endes aber sind über längere Sicht die Verstaatlichtenmodelle ad absurdum geführt worden. Sie haben auch gezeigt, dass Sie keine Zukunft mehr gehabt haben. Wer weiß, wo heute die VOEST wäre, stünde sie noch so
unter dem staatlichen Einfluss. Der Staat ist ganz einfach nicht der richtige Unternehmer.

Also der Staat ist Ihrer Meinung nach kein geeigneter Unternehmer …
Krenn: … der Staat soll letzten Endes für geeignete Rahmenbedingungen sorgen, unter denen sich die Wirtschaft entwickeln kann. Als Unternehmer muss man ihn äußerst kritisch sehen, das zeigen auch letzten Endes die Erfahrungen aus der Vergangenheit.

Man konnte auch in der Vergangenheit den Eindruck gewinnen, dass die „Verstaatlichte“ ein „Spielball der Politik“ war. Es hängt davon ab, wer in der Regierung ist. Entweder die Verstaatlichung wird favorisiert oder die Privatisierung. Wie sehen Sie das?
Krenn: Dem kann ich durchaus zustimmen. In unserer Vergangenheit war, über die letzten Jahrzehnte betrachtet, die Geschichte der Verstaatlichten nicht unbedingt unser großes Ruhmesblat.

Ex-Bundeskanzler Schüssel ist um die Jahrhundertwende daran gegangen, die radikale Privatisierung zu verlangen. Er ließ verschiedenste Bereiche wie die AUA oder die Tabakindustrie verkaufen. War das der richtige Schritt Ihrer Meinung nach?
Krenn: Das würde ich etwas differenziert betrachten. Grundsätzlich muss man sagen, ja, das ging in die richtige Richtung. Es gibt aber Bereiche, die man besser unter öffentlicher Kontrolle hält. Wenn ich zum Beispiel an den Schienenverkehr denke, muss man schon berücksichtigen, dass vor allem in entlegenen Gebieten bei vollständiger Privatisierung keine Versorgung der Öffentlichkeit mehr gegeben wäre. Es muss also eine differenzierte Betrachtung an den Tag gelegt werden.

Eine zeitliche Beteiligung des Staates zur Sanierung privater Betriebe kann durchaus sinnvoll sein.

Kann da nicht die Privatisierung in manchen Bereichen einen negativen Effekt ausüben?
Krenn: Genau das habe ich mit meiner vorherigen Aussage gemeint. Man kann da beispielsweise durchaus auch den sozialen Wohnbau heranziehen. Wenn man sich ansieht, wie sich im gegenwärtigen Zustand die Mietkosten entwickeln, so ist das weit über der herrschenden Teuerung. Hier müsste eigentlich schon vom Gesetzgeber her klargestellt werden, dass das so nicht gehen kann. Hier kann also durchaus im Sinne der öffentlichen Leistbarkeit mehr staatliche Einflussnahme gefordert sein.

In letzter Zeit hat die SPÖ-Chefin Rendi-Wagner die Verstaatlichung wieder ins Spiel gebracht als sie eine staatliche Beteiligung bei der MAN-Sanierung in Steyr gefordert hatte. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Krenn: Grundsätzlich halte ich die Verstaatlichungsdebatte, wie sie von Rendi-Wagner losgetreten wurde, für entbehrlich. Allerdings muss man auch einen Gedanken berücksichtigen, der schon bei der Einrichtung der ÖBAG ventiliert wurde. Nämlich die Beteiligung des Staates auf Zeit. Dann, wenn das Unternehmen wieder saniert ist, sollte sich nach dieser Überlegung der Staat wieder zurückziehen. Das würde ich durchaus als möglichen Ansatz sehen.

In letzter Zeit hatten wir in Österreich einen ziemlichen Wirbel bei der Bestellung des Vorstands der ÖBAG. Thomas Schmid hat als Beamter dafür gesorgt, dass ein Aufsichtsrat bestellt wurde, der ihn dann zum Vorstand gemacht hatte. Ist das nicht eine Pervertierung dessen, wofür das Aktiengesetz eigentlich steht?
Krenn: Ja, man kann das durchaus so sehen. Die Bestellung durch den Aufsichtsrat ist allerdings unverzichtbar. Wenn sich allerdings dabei „Mauscheleien“ herausstellen, sind zweifellos einzelne Herren des Aufsichtsrates in Frage zu stellen. Dass der Herr Schmid eine Liste mit Aufsichtsratsmitgliedern erstellt hat, die dann von Herrn Kurz abgesegnet wurde, macht das Bild noch desaströser. So kann ein erprobter Vorgang mit Aufsichtsratsbestellungen durch den Eigentümer nicht ablaufen. So kann man nicht mehr davon ausgehen, dass der Aufsichtsrat seinen gesetzlichen Kontrollmaßnahmen auch tatsächlich nachkommen kann.
In Österreich ist zumeist der Eigentümervertreter der Finanzminister. Es liegt also auch wieder an der Entscheidung eines einzelnen. Sollte das künftig anders geregelt werden, also z.B. so, dass das künftig durch den Nationalrat beschlossen wird?
Krenn: Wahrscheinlich ist auch in diesem Fall eine Art „Vieraugenkontrolle“ erforderlich. Wenn das alles in einer Stube geschmiedet werden kann, verbleibt immer ein schaler Beigeschmack.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

[Autor: Bild: PxHere Lizenz: -]

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