„Politik wird von der Mogel­packung Kurz bestimmt“

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Meinungsforscher Werner Beutelmeyer über Corona-Bewältigung, Skandale der schwarz–grünen Regierung und den
Obmannwechsel in der FPÖ

Österreichs Politlandschaft ist in den letzten beiden Jahren von zwei Megathemen beherrscht worden, der sogenannten Coronakrise und dem Regierungswechsel nach Ibiza. Wie macht sich die aktuelle türkis–grüne Regierung nun in der
Öffentlichkeit?
Werner Beutelmeyer: Das ist ein Lern- und Stimmungsprozess. Wir haben die Situation, dass ursprünglich die Bevölkerung vom Agieren der Regierung begeistert war. Ganz nach dem Motto, die reagieren auf Corona schnell, die ergreifen die richtigen Maßnahmen, treffen die richtigen Entscheidungen. Es gab Zeiten, da hatten sie 78 Prozent Zustimmung in den Umfragen …

Prof. Dr. Werner Beutelmeyer ist Vorstand und Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Market. (Bild: market.at)

… 78 Prozent für beide Parteien?
Beutelmeyer: Ja für beide, das ist dann im Lauf der Zeit allerdings zusammengebrochen. Diese gute Bewertung der Corona-Politik hat sich verflüchtigt. Es ist dann doch nicht so gelaufen wie erwartet und vor allem hat die Bevölkerung den Eindruck, dass sehr viel Geld für eine durchschnittliche Wirkung aufgewendet wird. Aber den eigentlichen Frust erzeugt gar nicht einmal die Corona-Politik. Die gesundheitlichen Sorgen wurden eher überbewertet im Verhältnis zu den
wirtschaftlichen.

Das müsste ja eigentlich erst jetzt richtig folgen?
Beutelmeyer: Wenn die Konjunktur sich weiter so entwickelt, wie es sich abzeichnet, nämlich, dass sie ganz kräftig anspringt, dann wird das schnell vergessen sein. Was allerdings derzeit in der Regierungspolitik auffällt, ist, dass es den versprochenen „neuen Stil“ nicht gibt. Das allerdings ist ein Problem der ÖVP, die diesen versprochen hatte.

Es hat da eine bemerkenswerte Änderung bei den Grünen gegeben. Der Gesundheitsminister wurde ausgewechselt. Nicht gerade ein Zeichen der Stärke. Wie sieht das die Bevölkerung?
Beutelmeyer: Der alte Gesundheitsminister war eine Klasse für sich. Er hatte gleich hinter dem Kanzler die besten Beurteilungen erhalten, manchmal hatte er sogar die Nase vorne. Bei einer von uns durchgeführten Umfrage zur Ministerbeurteilung lagen Anschober und die Justizministerin ganz klar voran. Der neue Gesundheitsminister ist eigentlich erst einmal aufgefallen durch seinen „Dresscode“ und ein paar ungeschickte Formulierungen. Die Änderung ist eigentlich ein Abfallen in der Qualität. Dazu zählen auch die unterschiedlichen Aussagen des Kanzlers, was unkoordiniert und unprofessionell wirkt. Ich glaube nicht, dass Mückstein ein gutes „standing“ in der Bevölkerung hat, obwohl er als Mediziner eigentlich Fachmann sein sollte.

Zwischen Kanzler und Gesundheitsminister soll es ja auch große Konflikte zu Zeiten Anschobers gegeben haben…
Beutelmeyer: … das glaube ich auch. Kurz kann sich durchaus betroffen gefühlt haben, weil Anschober ein authentischer Minister gewesen ist, der offenkundig dem Stil einer neuen Politik mehr entsprochen, als die Mogelpackung Kurz verkörpert hat.

Jetzt eine Mogelpackung Kurz, vorher sagten Sie, die türkise ÖVP hätte eine „Neue Politik“ versprochen. Konnte die ÖVP dieses Versprechen einlösen, oder sieht das die Bevölkerung mittlerweile wieder anders?
Beutelmeyer: Ich nenne da nur Namen: Gernot Blümel, Hartwig Löger, Thomas Schmid usw. Da gibt es starke Lücken, was die Transparenz und die Nachvollziehbarkeit anbelangt. Wenn ich Mogelpackung sage, so weise ich darauf hin, dass da Dinge verkauft wurden, die sich so nicht abgespielt haben. Pseudo-Ausschreibungen, maßgeschneiderte Bewerbungsunterlagen und ähnliches machen keinen schlanken Fuß. Dazu kommt der massive Angriff auf die Justiz. Man kann wohl sagen, die ÖVP ist außer Tritt gekommen.

„Es hat den Eindruck, dass sehr viel Geld für eine durchschnittliche ­Wirkung ausgegeben wird.“

Wie kann die ÖVP wieder in Tritt kommen?
Beutelmeyer: Wir werden eine massiv erhitzte, nach oben schießende Konjunktur erleben. Da vergisst man schnell, so wie Ibiza jetzt eigentlich kein Thema mehr ist. Ich glaube im „long run“ wird es heißen: Schwamm drüber, und der Kanzler wird wieder bessere Werte haben.

Nicht zuletzt wegen der grünen Justizministerin und ihrer Kontrolle über die Staatsanwaltschaft spricht man von einer großen Krise in der Regierung, wird das auch so wahrgenommen?
Beutelmeyer: Dass da weniger Harmonie da ist, spürt man. Auch der Abgang von Anschober trug dazu bei. Die Grünen tun sich im Augenblick schwer. Sie liegen abgeschlagen zurück, sie haben keine guten Werte. Es gibt da kein Interesse von grüner Seite, etwas eskalieren zu lassen. Da zeigen sie lieber Räson. Das Rumoren ist natürlich in der Öffentlichkeit spürbar.

Mit dem Rücktritt von Norbert Hofer hat sich bei der FPÖ eine neue Situation ergeben, Kickl dürfte die besten Karten für die Nachfolge haben. Wie beurteilen sie diese Situation?
Beutelmeyer: Ja, das hat auch mich völlig überrascht. Das bringt der FPÖ nun vermehrte Aufmerksamkeit. Kickl hat natürlich die besten Karten. Ich glaube, das ist ein guter Schritt, mit Ausnahme vielleicht für Oberösterreich. Der Weg von Kickl ist facettenreicher und kantiger, das ist für die FPÖ eigentlich gut. Er hat zwar eine ganz andere Art und eckt auch bei dem einen oder anderen an. Die Kernwähler der FPÖ werden das aber für gut erachten. Und wer weiß, wie lange es dauert, bis sich alles wieder ein bisschen abgeschliffen hat.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

[Autor: Bilder: Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS Lizenz: -]

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