„Asylgründe werden ­laufend verwässert“

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FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst über die Genfer Flüchtlingskonvention, die Rolle der Gerichte und das Versagen von Innenminister Nehammer

Vor 70 Jahren wurde die Genfer Flüchtlingskonvention beschlossen. Ist dieses Abkommen noch zeitgemäß, zumal sich die Verhältnisse in Europa seit 1951 deutlich verändert haben? Vor 70 Jahren war Europa geteilt, die Menschen, die, wie etwa die Ungarn 1956, vor kommunistischen Diktaturen flohen, hatten ja allen Grund dazu.
Susanne Fürst: Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) wurde tatsächlich in völlig anderen Zeiten entworfen. Sie war in erster Linie gedacht als Schutz für einzelne politisch Verfolgte, die es schafften, den eisernen Vorhang zu überwinden und in den Westen zu flüchten. Österreich erwies sich mehrere Male als großzügiges Aufnahmeland, sei es 1956 in Bezug auf Flüchtende aus Ungarn oder 1968 nach dem Aufstand in der damaligen Tschechoslowakei. Im Grund wäre die GFK immer noch eine geeignete Grundlage für die Aufnahme von tatsächlich individuell Verfolgten, doch das Problem liegt in der Rechtsprechung, welche den Begriff des „Verfolgtenstatus“ total verwässerte. Dadurch wurde die Konvention zum Einfallstor für einströmende Massen, welche schlichtweg in das „goldene Europa“ einwandern wollen.

Dr. Susanne Fürst ist Rechtsanwältin, Nationalratsabgeordnete der FPÖ und Verfassungs­sprecherin der Freiheitlichen Partei. (Bild: Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS)

 

Laut Statistik des Innenministeriums gab es 2020 etwas mehr als 8.000 positive Entscheidungen in Asylverfahren und über 9.500 negative Entscheidungen. Also bei mehr als der Hälfte der Entscheidungen lag keine Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Ist diese Konvention zu einem Vehikel der Einwanderung geworden?
Fürst: Ja, genau das trifft zu. Wir werden von zigtausenden Menschen gestürmt, welche um unsere Selbstfesselung durch die Judikatur der Höchstgerichte und um den Druck durch linke Parteien, welche die Einwanderung befeuern, wissen. Praktisch jeder, der einen Fuß auf österreichischen Boden setzt, kann bleiben. Es ist Fakt, dass die wenigsten von den 9.500 abgelehnten Asylwerbern unser Land verlassen müssen. Die meisten von ihnen treiben – gut beraten durch diverse Vereine und NGOs – ihren negativen Bescheid durch alle Instanzen und gleiten nach jahrelangem illegalem Aufenthalt hier in ein dauerhaftes Bleiberecht.
Und selbst bei den 8.000 positiv Beschiedenen waren die wenigsten in ihrem Heimatland im Widerstand und daher politisch Verfolgte im Sinne der GFK. Sie sind zudem selten echte Kriegsflüchtlinge, welchen auch nur Schutz auf Zeit zu gewähren wäre. Durch diese völlig aus dem Ruder gelaufene Definition des Asylwerbers wurde die GFK in der Tat zu einem Vehikel der Einwanderung.

Praktisch jeder, der einen Fuß auf österreichischen Boden setzt, kann bleiben.

Wäre es notwendig, die Möglichkeiten der Genfer Flüchtlingskonvention voll auszuschöpfen? So sind ja nach Artikel 33 – auch wenn es von der Asyl-Lobby anders dargestellt wird – Abschiebungen in sichere Staaten erlaubt.
Fürst: Es wäre mehr als notwendig und geboten, den Gesetzestext der Konvention in seinem ursprünglichen – sehr restriktiven – Sinn zu vollziehen. Die GFK erlaubt natürlich Abschiebungen in sichere Staaten und auch in Länder, in denen es zwar kriegerische Auseinandersetzungen gibt, aber sichere, befriedete Landesteile. Doch auch hier liegt das Problem wiederum in der Definition von „sicherer Staat“. Wenn hier seitens der Gerichte und der Politik von Sicherheit im Sinne von europäischen Verhältnissen ausgegangen wird und der Begriff „sicher“ mit (weit) geringerem sozialen Standard vermischt wird, dann ist kaum ein Staat in Afrika oder Asien sicher.
Wir kennen diese Diskussion etwa bei der Frage der Abschiebung nach Afghanistan. Hier dürfte eigentlich im Sinne der GFK gar kein Asyl erteilt werden – oder glaubt irgendjemand, dass die mutmaßlichen Mörder der 13-jährigen Leonie in Afghanistan im politischen Widerstand waren? – und Abschiebungen wären selbstverständlich vorzunehmen.
Die Sicherheit in Afghanistan mag nicht mit unseren Verhältnissen vergleichbar sein, dennoch ist das Land „sicher“ im Sinne der GFK.

Um noch kurz bei der Flüchtlingskonvention zu bleiben: Wäre es sinnvoll, verstärkt auf Artikel 2 hinzuweisen, wonach der Flüchtling die Gesetze des Landes, in dem er sich aufhält, zu befolgen hat?
Fürst: Bei der Entstehung der GFK bedachte wohl niemand die Möglichkeit, dass etwa aus Afghanistan zigtausende junge Männer als „unbegleitete Minderjährige“ nach Europa ziehen, das Wort „Asyl“ aussprechen und dann in eine jahrelange Vollversorgung aufgenommen werden; und zwar unabhängig davon, ob sie sich wohlverhalten oder nicht. Dass die internationale Judikatur jemals den Standpunkt vertreten würde, dass selbst überführte Mörder ausländischer Herkunft nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können, weil es dort keine gesicherten Verhältnisse gibt, war wohl undenkbar. Aber man nahm es als Selbstverständlichkeit – als „Allgemeine Verpflichtung“ im Sinne von Artikel 2 GFK – an, dass Geflüchtete sich an die Gesetze des jeweiligen Aufnahmelandes zu halten haben, andernfalls ihnen kein Schutz zustehen würde. Wie weit sind wir von diesem vernünftigen Weg abgekommen? Und selbstverständlich müssten wir diese Verpflichtung kompromisslos einfordern, alleine aus generalpräventiven Zwecken, aber auch um Platz und Ressourcen für echte Flüchtlinge, die sich nichts zu Schulden kommen lassen, zu haben.

Wir haben nun den ­höchsten Wert an Asyl­anträgen seit 2017!

Wie beurteilen Sie die Politik von Innenminister Nehammer angesichts steigender Asylanträge?
Fürst: Ich beurteile seine Politik als desaströs. Die Österreicher haben seit März 2020 viele Monate Lockdown hinter sich, unzählige unverhältnismäßige Corona-Beschränkungen, und nach wie vor gelten rigorose Reisebeschränkungen bzw. hohe bürokratische Hürden, dass wir das Land verlassen dürfen. Innenminister Nehammer stand von Beginn an hinter dieser Grenzschließung für die Österreicher und spielte den starken Mann bei der Bestrafung lächerlicher „Vergehen“ wie fehlender Abstand oder Fehlen der Maske.
Aufgrund dieser Politik der Bundesregierung kommen seit über einem Jahr kaum zahlende Touristen in unser Land; ein Umstand, der Tausende Existenzen ruiniert und unsere Wirtschaft stark schädigt. Wer allerdings offensichtlich die ganze Lockdown-Zeit über ohne jede bürokratische Hürde (und ungetestet) über die Grenze nach Österreich kommen durfte, waren und sind Asylwerber. Wir haben nun den höchsten Wert an Asylanträgen seit 2017 (!). Dieser Umstand ist unfassbar und ein echter Rücktrittsgrund, da der Innenminister stets von geschlossenen Grenzen sprach und die Österreicher damit hinters Licht führte.

Welche Vorschläge hat die FPÖ zur Bekämpfung des Asylmissbrauchs?
Fürst: Die FPÖ hat einen ganz klaren Plan, wie man Asylmissbrauch effektiv bekämpfen kann. Durch eine echte Beschleunigung der Asylverfahren, Schaffung von Grundversorgungszentren, Zurückfahren der großzügigen Sozialleistungen und rigoroses Abschieben nach Erhalt eines negativen Bescheides lässt sich die Anziehungskraft Österreichs als Asylstandort reduzieren. Es muss Schwerpunktaktionen zur Überprüfung der Aktualität der Fluchtgründe von Asylberechtigten geben, um dem Gebot von Asyl als Schutz auf Zeit gerecht zu werden.
Die Asylwerber müssen zur Kooperation angehalten und die Angabe falscher Identitäten oder Fluchtgeschichten muss geahndet werden. Österreich muss international auf einen Paradigmenwechsel in der Asyl- und Fremdenpolitik – keine Asylanträge mehr auf europäischem Boden, außer von Personen, die aus Nachbarländern stammen – hinwirken. Bei Antreten eines Heimaturlaubs und bei jeder Form von Straffälligkeit hat ein sofortiger Abbruch des Asylverfahrens bzw. Entzug des Asylstatus und eine umgehende Außerlandesbringung zu erfolgen.

Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.

[Autor: Bild: Wikipedia/Haeferl Lizenz: CC BY-SA 3.0]

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