„Auf das „Rot–Weiß–Rot“ dürfen wir stolz sein“

Martin Sellner, Aushängeschild der ­Identitären Bewegung, über Symbole, die identitätsstiftende Bedeutung der (­deutschen) Sprache und über Grenzen

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Herr Sellner, was macht eine identitäre Politik in einem identitären Staat aus?
Martin Sellner: Aus meiner Sicht gibt es zwei Teile. Einmal eine patriotische Bevölkerungspolitik mit einer starken Familienpolitik, die das Eigene fördert und die Zersetzungsdiskussion beendet. Ebenso aber auch aus einer positiven Identitätspolitik mit der Förderung des eigenen Brauchtums, der eigenen Tradition, der eigenen Kultur und eine starke Leitkultur mit einer Beendigung des Schuldkults.

Martin Seller (Bild: Wikipedia/Simon Kaupert/Martin Sellner Lizenz: CC BY-SA 2.0)

Wenn Sie inhaltliche Elemente wie Leitkultur oder Brauchtum ansprechen, gibt es auch Symbole, die Identität ausmachen? Welche empfinden Sie als wichtig?
Sellner: In Österreich gibt es zahlreiche Symbole. Vor allem haben wir eines der ältesten Symbole Österreichs, das „Rot-Weiß-Rot“ auf das wir stolz sein dürfen. Es geht aber darum, diese Symbole in der Bevölkerung zu verankern. Zum Beispiel sollte das mit der „Heimatkunde“ verstärkt geschehen die, scheinbar wertfrei, „Sachunterricht“ genannt wird. Damit werden die Bürger regional mit ihren Mythen, mit ihren Bräuchen und Sagen stärker verbunden. Auch die Wappenschilder der einzelnen Städte könnten stärker ins Bewusstsein getragen werden, um dann zu den Symbolen des Landes und weiter des Staates und zu Europa zu führen. Symbole sind wichtige metaphysische Akkumulatoren, die sehr viel Kraft spenden können.

Wenn Sie die Wappen als Symbole ansprechen, so gibt es die ja schon seit geraumer Zeit. Fürsten und Stammesführer verwendeten sie, um einer möglichst großen Anzahl von Personen die Identität anzuzeigen. Nachdem diese Sitten des Mittelalters weitgehend Geschichte sind, sehen Sie diese Funktion nun auch für Länder und staatliche Einrichtungen im Verschwinden begriffen?
Sellner: Wappen waren früher nicht nur den Herrschern vorbehalten, sie hatten in vielen Fällen auch Marketingfunktion. In heutiger Zeit sind sie kommerzialisiert wiedergekommen. Wir sprechen in diesen Fällen von Marken. Von „Coca Cola“ bis hin zu „Apple“, die jedes Kind sofort erkennt, während es Laubblätter nicht mehr zuordnen oder unterscheiden kann. Auch daran müsste gearbeitet werden. Gerade politische Marken sind ein starkes Signal gegen das Vergessen. Auch die identitäre Marke, das markante Lambda war so ein Schild, das aber in Österreich leider verboten ist.

Wir haben in der Besprechung jener Dinge, die identitätsstiftend sind, die Sprache nicht angesprochen Welche Rolle spielt diese eigentlich in den Überlegungen der Identitären?
Sellner: Die Sprache ist ganz wichtig – auch für mich persönlich. Die „Sprachheimat“ hat zumindest den gleichen Stellenwert wie die materielle Heimat. Laut Schiller ist sie ja der Spiegel einer Nation, die es zu bewahren und zu stärken gilt. Wir drängen auch immer darauf, eigene Begriffe zu prägen und zu stärken. Wir sind uns auch bewusst, dass ohne das Überleben des Volkes die Sprache nicht überleben wird. Das Volk hat schon einige Fremdsprachenwellen, denken wir beispielsweise an das Französische unter Napoleon, durchgemacht, konnte aber immer wieder zur eigenen Sprache zurückfinden.

Wir sind derzeit total vom Englischen vereinnahmt. Sei es im Internet, auf wissenschaftlicher Publikationsebene oder sogar bereits auf der Straße, auch die Geschäfte haben „sales“ und keine Schlussverkäufe mehr. Ist das noch umkehrbar, besteht auch in dieser Hinsicht noch die Möglichkeit, dass wir zu unserer deutschen Sprachgemeinschaft zurückkehren?
Sellner: Das glaube ich auf jeden Fall. Die englischen Begriffe dringen nicht tief in unser Sprachverständnis ein, die deutsche Sprache hat eine starke Kraft. Auch viele Neuschöpfungen, wie beispielsweise „Leidenschaft“, zeugen davon. Auch Goethe hat unzählige neue Worte geschaffen. Wenn also durch den ständigen politischen Einfluss die Amerikanisierung gebrochen wird, kann sich Deutsch wieder, auch mit Neuschöpfungen, durchsetzen.

Der Angriff auf die Sprache erfolgt ja nicht nur vom Ausland her, sondern wird auch noch intern unterstützt. Denken wir an jene Politikerin, die seinerzeit die Initiative zur Änderung der Bundeshymne ergriffen hat und letztlich aus „Heimat bist du großer Söhne“, „Heimat bist du großer Töchter Söhne“ durchgesetzt hat. Wie ist in diesem Zusammenhang solch „Gendertalk“ zu werten?
Sellner: Das ist ein Auswuchs der herrschenden Ideologie. Alles muss vereinheitlicht werden, es muss genau in das Weltbild passen. Der angesprochene Transgenderbegriff ist eine ideologische Überwucherung. Das entspricht den realsozialistischen Versuchen, Kunst und Kirche zu überfremden. Das wird wieder verschwinden. Aus „Karl Marx-Stadt“ ist auch wieder „Chemnitz“ geworden. Genauso wird auch die alte Hymne wieder zurückkehren.

Das ist die eine Seite, auf der anderen gibt es auch ein großes Gegenstück. Eines, dem auch die Identitären im Wege stehen. Und das ist die „Europäische Einigung“. Die versucht die unterschiedlichsten Staaten und Nationen mit ihren gewachsenen Traditionen und Sprachen zusammenzuschließen und zu vereinheitlichen. Besteht unter diesem Gesichtspunkt überhaupt eine Chance auf ein gemeinsames Europa, oder wie könnte man so etwas gestalten?
Sellner: Eine gute Frage! Auch eine identitäre Frage. Wir sind ganz stark europäisch ausgerichtet. Wir vertreten allerdings keine „europäische Nation“. Uns ist klar, dass das europäische Bewusstsein auf einer anderen Ebene stattfinden muss, das das „Nationale“ übersteigt. Die unterschiedlichen nationalen Identitäten kann man nicht vereinen, man kann sie auch nicht überwinden und abschaffen. Die heutige Europäische Union ist nicht „übernational“, sondern „antinational“. Sie will Europa reifen lassen, indem sie die Völker abschafft. Europa ist eine Ökumene, in der die tiefsten gemeinsamen ethnokulturellen Wurzeln der Völkerfamilie, der Sprachfamilie, in Taue gefasst werden, ebenso wie die höchsten transzendenten Dimensionen der Religion und der Zivilisation, die Europa vereinigen. Sie bilden somit schon die Grundlage für eine politische Zusammenarbeit. Allerdings nicht für einen Superstaat, sondern für eine Föderation.

Ein ganz wesentliches Element zur Identifikation von Staaten, sind letzten Endes ja auch Grenzen, die innerhalb der EU gezogen sind. Sollen diese nun abgeschafft werden, nach Meinung der Identitären?
Sellner: Ich halte Grenzen für wunderschön. Sie sind nicht nur „be-“ sondern auch „angrenzend“. Der englische Begriff „boundery“ trifft das ganz gut. Die Grenze ist etwas Verbindendes, genau wie der Gartenzaun bei Nachbargrundstücken. Ich bin dafür, dass diese Grenzen, auch in wirtschaftlicher und währungstechnischer Hinsicht bestehen bleiben. Es muss auch überdacht werden, dass sie dort, wo sie sinnlos eingerissen wurden, auch wiederaufgerichtet werden. Darüber hinaus muss aber der Großraum Europa auch gewisse Hürden abbauen, und zwar dort, wo Beschränkungen die Entwicklung der eigenen Nation gefährden. Ich bin nicht zur Rückkehr der Kleinstaaterei des beginnenden 19. Jhdt. Ich bin aber für die Aufrechterhaltung von Grenzen dort, wo sie die nationale Identität schützen. Auch dort, wo unterschiedliche Geschwindigkeiten notwendig sind.

Wie kann man das in Einklang damit bringen, wenn man zum Beispiel mehr Reisefreiheit innerhalb der EU haben möchte. Sie selbst sind ja in letzter Zeit des Öfteren mit Grenzüberschreitungen in Konflikt gekommen?
Sellner: Das stimmt. Aber Grenzen aufrecht zu erhalten, heißt ja nicht, dass man die Reisefreiheit einschränken muss. Ich bin natürlich für eine europäische Reisefreiheit, insbesondere dann, wenn es um Lesereisen geht. Die europäischen Außengrenzen dagegen müssen scharf geschützt werden. Was aber die Niederlassungsfreiheit, die Einwanderung in bestimmte Sozialsysteme betrifft, da ist die Europäische Union zu weit gegangen. Sie hat damit auch Ungerechtigkeiten geschaffen, die einer echten Europäischen Einigung entgegenstehen. Es wird keinen europäischen Sozialstaat geben, weil es keinen europäischen Nationalstaat gibt.

Sie differenzieren zwischen Reisefreiheit und Niederlassungsfreiheit. Wie unterscheiden sie zwischen EU-Innengrenzen und EU-Außengrenzen?
Sellner: Europa, wie ich es verstehe – ich meine dabei bewusst nicht die Europäische Union –, ist eine ethnokulturelle Gemeinschaft. Sie kann nur Völker umfassen, die ähnliche Identität haben und über Wurzeln verfügen, wie ich sie oben beschrieben habe. Gegenüber Ländern, die darüber nicht verfügen, müssen schärfer überwachte Außengrenzen eine ungesetzliche Einwanderung verhindern und auch in wirtschaftlicher Hinsicht mit Zöllen die Interessen sichern.

Wie sollen wir mit Ländern umgehen, die nicht in der EU sind, sehr wohl aber in Europa?
Sellner: Ich hoffe, dass sich das ändert, wenn es zu einer echten Reform in der EU kommt, vielleicht sogar in einer Umbenennung oder Neugründung nach einem neuen Konzept. Diese Staaten, wie zum Beispiel die Schweiz, die der EU im gegenwärtigen Zustand zu Recht einen Zutritt verweigern, wären dann bereit, dieser neuen Gemeinschaft auch beizutreten. Das würde ich begrüßen. Wir könnten dann an einem gemeinsamen Strang ziehen und verhindern, das andere Mächte, wie z.B.: China, Amerika aber auch Russland einzelne Länder abspenstig machen und als Brückenköpfe aufbauen. Das wäre im Interesse aller europäischen Nationen.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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