Autor: U.K. Bilder: pixabay/nyochi Lizenz: CC BY-SA 2.0
China verhängt Export-Sperre für strategische Halbleiter-Rohstoffe und trifft damit grüne Energiewende-Phantasien
Seit geraumer Zeit versuchen die USA, die Halbleiter-, Computer- und Software-Industrie der VR China mittels Sanktionen und hegemonialen Strafmaßnahmen klein zu halten. Was im Mai 2019 unter dem Vorwand angeblicher Spionageaktivitäten gegen den IT-Konzern Huawei begann, hat sich mittlerweile zu einem offenen Handelskrieg ausgeweitet. Doch jetzt eskaliert der Konflikt, denn China hat mit den neuen Export-Beschränkungen für Gallium- und Germanium-Produkte eine Maßnahme gesetzt, die den USA, und auch Europa, wirklich wehtun wird.
Selbst die Biden-Administration in Washington macht sich nicht mal mehr die Mühe, „Sicherheitsbedenken“ der USA als vorgebliche Begründung für ihre Sanktionen herbeizuziehen. Denn China hat Großes im Visier: Die technologische Führerschaft im KI-Bereich, bei der Künstlichen Intelligenz. Und zwar sowohl bei den Hochleistungs-Prozessoren, die es dazu braucht, wie bei der aufwändigen Software, die das eigentliche Herzstück der KI-Anwendungen ist. Und als entscheidende Schlüsselanwendung sehen die Chinesen nicht das Erzeugen von Fake-News oder die Überwachung von Privatpersonen, wie es von fachlich unbedarften Politikern hierzulande derzeit beschworen wird. Damit kann man nämlich nicht wirklich Geld verdienen. Sondern das zu 100% autonom fahrende Automobil. Das passt perfekt zu Chinas Plänen im Kfz-Sektor, und dürfte, sobald es denn wirklich funktionieren wird, in der Tat ein Giga-Milliarden-Dollar Massenmarkt werden.
Das wollen die USA nun um jeden Preis verhindern. Denn nach den Worten des zuständigen „Bureau of Industry and Security“ BIS im US-Handelsministerium ist solch ein Ansinnen ein Staatsverbrechen. China habe offiziell „die Absicht erklärt, bis 2030 zum Weltführer bei Künstlicher Intelligenz zu werden“, heisst es wörtlich beim BIS in der Begründung zu den neusten Anti-China-Sanktionen.
Um den Aufstieg Chinas zur technologischen Supermacht zu blockieren, hatte die Biden-Administration im Spätsommer letzten Jahres zwei Gesetze verabschiedet, die es in sich haben, Das erste, der „CHIPS and Science Act of 2022“, klingt auf den ersten Blick recht harmlos. Mit ingesamt 280 Milliarden Dollar Staatshilfe sollen Forschung, Entwicklung und Neuinvestitionen in der amerikanischen Halbleiter-Industrie gefördert werden. Der Pferdefuß: Wenn eine Firma Geld aus diesem Programm annimmt, so ist es ihr auf 10 Jahre verboten, nennenswerte Investitionen in der VR China zu tätigen oder wesentliche Chip-Technologie dorthin zu liefern. Eine geniale Daumenschraube, denn fast jedes maßgebliche US-Unternehmen dürfte Förderung aus dem CHIPS Act erhalten.
Der wirkliche Hammer folgte aber mit einer Erweiterung der „Export Administration Regulations“, den Regeln, welche die USA seit jeher zur Blockade von High-Tech Exporten an missliebige Empfänger nutzen. Erstmals richten sich jetzt die Sanktionen gegen eine ganze Industrienation und nicht nur gegen einzelne Firmen. US-Bürgern wird weltweit jegliche Zusammenarbeit mit China bei KI- und Speicher-Chips verboten. Und mittels der neuen „Foreign Direct Product“ Regeln wird auch ausländischen Herstellern untersagt, Gerätschaften oder Technologie nach China zu verkaufen, die für die Produktion von High-Tech Schaltkreisen tauglich sein könnten. Widrigenfalls droht Beschlagnahme von Vermögenswerten oder Inhaftierung von Mitarbeitern, sollten diese in die USA reisen.
Und die USA verschärfen ihr Sanktionsregime immer mehr. Durch die FDP-Regeln, gepaart mit einigem Druck auf die (mittlerweile zerfallene) holländische Regierung haben die Amerikaner erreicht, dass die niederländische Firma ASML keine hochwertigen UV-Belichtungsmaschinen mehr in die Volkrepublik liefern darf. Die ASML N.V. in der holländischen Kleinstadt Veldhoven ist der Nabel der Welt, wenn es um Geräte zur Fertigung von Höchstleistungs-Prozessoren geht. Sie ist nicht nur der weltgrößte Hersteller von Lithographiesystemen für die Halbleiterindustrie, sondern auch der absolute technologische Weltmarktführer auf diesem Gebiet. Keine andere Firma kann derzeit Maschinen der „Extreme Ultra-Violett“ (EUV) Technologie anbieten, mittels derer Chip-Strukturen im Bereich von 3 Nanometern (1 nm = 1 Milliardstel Meter) erzeugt werden können. Das ist unvorstellbar klein, ein Nanometer verhält sich zu einem Meter wie der Durchmesser einer Haselnuss zum Durchmesser der Erde.
Jetzt hat die Biden-Administration da noch ein Brikett draufgelegt. Denn nun werden auch Maschinen der Vorgänger-Technologie „Deep Ultra-Violett“ (DUV) mit Bann belegt, mittels derer Chips im 30 nm-Bereich produziert werden können. Das trifft China nun besonders, denn diese Auflösung ist nicht nur für Prozessoren, sondern auch für moderne DRAM-Speicher mit großer Kapazität erforderlich. Gleichzeitig hat Washington nicht nur die Holländer, sondern auch die Japaner an die Kandarre genommen. Auch die Nikon Corp und Tokyo Electron Ltd, die beiden anderen Hersteller mit DUV-Technologie, haben sich „freiwillig“ verpflichtet, ab dem 23. Juli keine solchen Geräte mehr an China auszuliefern. Ob bereits in China stehende DUV-Belichter noch mit Ersatzteilen versorgt werden dürfen, ist momentan unklar.
Bisher hatte China auf die US-Sanktionen eher gemäßigt reagiert; die verhängten Gegenmaßnahmen waren oftmals mehr symbolischer Natur. Doch mit dem Bannstrahl auf DUV-Maschinen, die Arbeitspferde der aktuellen Massen-Chipfertigung, ist für China wohl eine rote Linie überschritten worden. Denn am 3. Juli verkündete das Handelsministerium in Peking Exportbeschränkungen für zwei der wichtigsten High-Tech Halbleiter-Materialien, Gallium und Germanium sowie deren strategische Derivate wie Galliumarsenid (GaAs) und Galliumnitrit (GaN), ab dem 1. August dieses Jahres.
Dass dies ausgrechnet wenige Tage vor dem Besuch der US-Finanzministerin Yanet Yellen in Peking geschah, der eigentlich die Spannungen mit Washington etwas glätten sollte, war volle Absicht. Für jemanden, der die politische Symbolik im Reich der Mitte versteht, war die Nachricht klar: Uns reichts, jetzt schlagen wir ernsthaft zurück!
Aber sind denn diese beiden Materialien, von denen viele Bürger vermutlich noch nie etwas gehört haben, wirklich so wichtig für unser Leben in Europa? Ja, sie sind es, verdammt wichtig sogar. Denn Gallium und Germanium sind Halbleiter, chemische Zwitter, halb Metall und halb eben „irgendwas“. Ihre physikalischen und elektrischen Eigenschaften machen sie zu den Grundbausteinen der modernen Computer-, Kommunikations- und Solartechnologie. Würden sie auf einen Schlag aus unserer Welt verschwinden, säßen wir sofort im dunkeln, weil keine LED mehr leuchten würde, könnten keine Smartphones mehr nutzen, weil sowohl die Handy-Prozessoren wie die 4G/5G-Netze und auch die Internet-Glasfaserkabel ihren Geist aufgeben würden, und kein Flugzeug dürfte mehr fliegen, weil Germanium unersetzlich in den Radarempfängern ist. Selbst auf das süffisant-diabolische Grinsen von Frau Gewessler im ORF müssten wir verzichten. Erstens, weil die meisten TV-Bildschirme ihren Dienst verweigern würden, und zweitens moderne Solarzellen keinen Grünstrom mehr liefern könnten, ohne chinesisches Gallium.
Im Prinzip sind Gallium wie auch Germanium reichlich auf der Erde vorhanden. Die Crux ist nur, beide kommen niemals rein in der Natur vor, sondern als geringe mineralische Beimischungen zu anderen Metallerzen. Um z.B. Gallium aus Bauxit, also Aluminium-Roherz, zu gewinnen, sind enorme Mengen an Energie und elektrischem Strom notwendig. Etwas, das in Mitteleuropa politisch gewollt so verteuert wurde, dass mittlerweile 95 % des für Chips und Solarzellen nutzbaren Galliums aus der VR China kommen. Bei Germanium sieht es ähnlich aus. Hier liegt der Anteil der Chinesen aber „nur“ bei 60 Prozent. Der jeweils zweitwichtigste Produzent am Weltmarkt ist Russland.
Eine Substitution dieser Rohstoffe durch andere ist nicht möglich, in der Halbleitertechnologie kann man nicht einfach ein Basismaterial durch ein anderes ersetzen. Der Aufbau eigener Produktionslinien in Europa, wie es jetzt forsch von Frankreich gefordert wird, dauert ca. 10 bis 15 Jahre, die bei uns üblichen Umweltverträglichkeitsprüfungen noch gar nicht eingerechnet. Ohne Gallium sind auch sämtliche Pläne zur grünen „Energiewende“ Makulatur. Die Internationale Energie Agentur IEA geht zudem in ihrem Bericht „The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions“ 2022 von mindestens einer Verzehnfachung des Bedarfs an Gallium für Solarzellen bis 2040 aus. Sollte aber tatsächlich bis 2050 eine Null-Emission von CO2 verfolgt werden, würde sich der Bedarf an Gallium verhundertfachen.
Für Europa bedeuten die neuen Restriktionen der Chinesen vor allem zwei Dinge: Kostensteigerungen für die heimische Industrie, und Kostensteigerungen für die Verbraucher. Denn chinesische Hersteller bekommen soviel Rohstoffe, wie sie gerne hätten, und können dann ihre Endprodukte am Weltmarkt teurer verkaufen. Zwar sind bislang die Preissteigerungen an den Rohstoffmärkten noch moderat. Aber in 2010, als China schon mal den Export Seltener Erden als Handelswaffe einsetzte, löste das Preissprünge bis um das Zwanzigfache aus. Dazu verlieren Europas Hersteller von Produktionsequiment für Superchips wie z.B. die holländische ASML wichtige Kunden, weil man sich der Knute Amerikas beugen muss.
Dass es bei Gallium und Germanium bleibt, ist keinesfalls sicher. Denn die USA wollen absolut nicht einlenken und planen schon die nächsten Verschärfungen im Chip-Krieg mit China. Für den Fall haben die Chinesen bereits zusätzliche Exportbeschränkungen, nun eben für besagte Seltene Erdmetalle, angekündigt. Europa bleibt da nur der Blick in Röhre…