„Der Religionsunterricht ist zur Farce verkommen“

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Der Theologe Wolfram Schrems über die Fehlentwicklung innerhalb der Katholischen Kirche und den Einfluss auf unsere Kultur von außen

Der Jahresablauf in unserem christlichen Abendland ist im Wesentlichen durch christliche Gedenktage und Feste, von Advent, über Weihnachten zu Ostern, Pfingsten usw. bestimmt. Immer mehr nehmen nun mit amerikanischen Eigenheiten einen bewussten und auch unbewussten Gesinnungswandel vor. Wie lange wird es die christliche Grundstruktur Ihrer Meinung nach noch geben?
Wolfram Schrems: Die Hauptursache am Verschwinden der christlichen Grundstruktur des Jahresablaufs sind meines Erachtens nicht so sehr äußere, etwa amerikanische Einflüsse, sondern das kollektive Versagen der kirchlichen Glaubensverkündigung, bei wenigen Ausnahmen. Seit den siebziger Jahren wird den Kindern im Religionsunterricht und in der Pfarre der Gehalt des christlichen Glaubens, somit auch der christlichen Feste, nicht mehr adäquat vermittelt. Der Religionsunterricht ist zur Farce verkommen. Die Sonntagspredigten sind im Regelfall sinnleer. Bischöfliche Verlautbarungen verstärken normalerweise die ideologischen Inhalte des Zeitgeistes, wie Klimawandel und „Pandemie“. Eine ernstzunehmende Katechese findet nicht statt. Unsere Feierkultur ist daher schal und leer geworden. Hinter den Fassaden ist kaum noch etwas. Von daher gebe ich der von Ihnen genannten christlichen Grundstruktur hierzulande – abgesehen von einem Wunder – keine Zukunft über ein, zwei Generationen hinaus.

MMag. Wolfram Schrems, geb. in Linz. Studien der katholischen Theologie und der Philosophie, Katechist für erwachsene Taufbewerber. Veröffentlichungen auf Dr. Andreas Unterbergers Tagebuch, Katholisches.info, im Attersee Report und im Abendland, Beitrag im aktuellen Buch Klimareligion (Frank&Frei). Zwei Buchübersetzungen. Vorträge und Ansprachen bei Kundgebungen. Arbeitet für Ja zum Leben/Human Life International Österreich.

Das ursprüngliche „Allerheiligenfest“ wird schön langsam von „Halloween“ abgelöst. Vor allem in der Jugend findet dieser ursprünglich keltische Brauch immer mehr Anhänger. Müssen wir nicht mit den kommenden Generationen damit rechnen, dass es mittelfristig zu einer Ablöse kommt?
Schrems: Halloween ist ein grässlicher Brauch. Hier zeigt sich eine fatale Obsession mit dem Morbiden und Hässlichen, die derzeit kulturbestimmend geworden es. Es wird der Anti-Logos, das Gegenteil des Guten, Wahren und Schönen zelebriert. Es ist ein heidnischer Rückfall, eine Verneinung des Evangeliums. Der ganze Halloween-Zirkus ist satanisch. Für die Kinder sind die Touren durch die Nachbarschaft ein Propädeutikum für mafiöse Schutzgelderpressung. In diesem Zusammenhang stelle ich fest, wie weit verbreitet okkulte und satanische Symbole als Anstecker, Tätowierungen und Ausstellungsplakate schon sind. Aber um der Vollständigkeit willen ein positiver Kontrapunkt: Da und dort gibt es zu Halloween den Brauch des „Holywins“, des „Holiness wins“, Heiligkeit gewinnt. Wie ich lese, ging das von Paris aus und erreichte den englischen Sprachraum und Italien. Da verkleiden sich Kinder am Vorabend des Allerheiligenfestes als Heilige. Dabei lernen sie über deren Leben. Das ist sehr schön und könnte hierzulande nachgeahmt werden.

Unmittelbar vor dem Weihnachtsfest müssen wir uns fragen, inwieweit nicht wir selbst zu einem Wandel beitragen. Das ursprünglich hohe christliche Fest um die Geburt von Jesus Christus ist mittlerweile vollkommen kommerzialisiert. Die gut zwei Monate vorher beworbene Geschenkkultur mit den geeigneten Dekorationen erinnert nur wenig an das Mysterium um die Menschwerdung Gottes. Verträgt diese Kommerzialisierung das Christentum noch lange?
Schrems: Der November ist nach alter Tradition der Totenmonat, in dem die Gläubigen für die Verstorbenen am Reinigungsort beten und sich Gedanken über ihr eigenes Leben und die letzten Dinge machen sollen. Dann kommt der Advent, der besonders zum Nachdenken über die Wiederkunft Christi am Ende der Zeit anregen soll. Er ist ja ursprünglich eine kleine Buß- und Fastenzeit, mit Violett als liturgischer Farbe. Dann erst kann das hohe Fest der Geburt Jesu angemessen begangen werden. Der von Ihnen angesprochene Kommerz ist aus Sicht des Handels verständlich. Aber mir scheint, daß das ein Anlass ist, dass das schon erwähnte unerträgliche Vakuum mit ungeeigneten Dingen gefüllt wird. Ich finde das weihnachtliche Schenken grundsätzlich einen schönen Brauch, aber es sollte mit Maß und Ziel geschehen und den Inhalt des Festes nicht verdrängen.

Gerade bei Weihnachten können wir erkennen, das sich auch in der Sprachgebung die Welt verändert. Aus dem „Christkind“, wurde neben dem „Weihnachtsmann“ auch „Santa Claus“. Ein deutliches Signal dafür, dass die Religion immer uninteressanter wird. Auch wenn bei der Weihnachtsmesse die Kirchen noch gut gefüllt sind, täuscht das nicht darüber hinweg, dass die Entmythologisierung der Kirche massiv schadet. Kirchenaustritte und Priestermangel sprechen doch eine deutliche Sprache. Soll diese Anpassung an den Zeitgeist durch die Kirche so weitergehen?
Schrems: Die „Sprachgebung“ ist tatsächlich ein Signal, dass die Kirche immer uninteressanter wird. Sie passt sich unterwürfig an den Zeitgeist an. Mit diesem ist übrigens eine starke Kinderfeindlichkeit eingetreten, was die Geburt des Christuskindes auch irgendwie betrifft. Man denke an die zahllosen ungestraft im Mutterleib getöteten Kinder. Nun hat auch die Vorarlberger Landesregierung ausgerechnet unter einem VP-Landeshauptmann grünes Licht für das Umbringen der ungeborenen Kinder im Landeskrankenhaus gegeben. Knapp vor der Adventzeit! Die kirchlichen Autoritäten halten es nicht für notwendig, diesen himmelschreienden Verbrechen entgegenzuwirken. Zur Anpassung an den Zeitgeist noch etwas: Wir erinnern uns an die Besetzung der Wiener Votivkirche durch sogenannte Flüchtlinge in der Adventzeit 2012. Diese Schändung war nach manchen Quellen von Linksextremisten organisiert. Der Pfarrer wollte die Polizei zu holen. Das wurde ihm von kirchlichen Autoritäten verboten. Kardinal Schönborn und Caritas-Präsident Landau machten den Herren Flüchtlingen, nach Medienberichten alle Moslems, ihre Aufwartung. Bischofsvikar Schutzki verglich die Kirchenbesetzung allen Ernstes mit der Herbergssuche der Heiligen Familie. Diese Unterwürfigkeit gegenüber dem Zeitgeist und dessen Protagonisten ist sehr schlimm. Dieses absurde Verhalten zeigt, dass weite Teile der Kirchenführung hierzulande weder den Glauben noch die legitimen Rechte der Gläubigen im Auge haben. Übrigens protestierten die Hirten der Kirche nicht, als Bundeskanzler Schallenberg vor zwei Jahren den Verweigerern einer hochgefährlichen Gen-Behandlung frech „ungemütliche Weihnachten“ ankündigte. Die Bischöfe stellten sich nicht vor ihre Gläubigen, die juristisch gesehen immer noch einen Großteil der Bevölkerung ausmachen. Den gerichtlich eintreibbaren Kirchenbeitrag kassieren sie gerne ein, aber ihrer Hirtenpflicht kommen sie nicht nach, wie man in jener dunklen Vorweihnachtszeit 2021 schmerzlich zur Kenntnis nehmen mußte.

Neben der Anpassung an amerikanische Verhältnisse erleben wir auch völlig neue amerikanische Eigenheiten, wie z.B. den „Black Friday“. Eine rein kommerziell ausgerichtete Erfindung, wie auch der Valentinstag oder sogar der Muttertag. Tut uns dieses absatzorientierte „Pseudofeiern“ in irgendeiner Form gut oder ist das lediglich den Marketingstrategien der Konzerne geschuldet?
Schrems: Der „Black Friday“ ist eine Marketingmaßnahme, die erfolgreich sein mag oder auch nicht. Allerdings zeigt die Allgegenwärtigkeit von Anglizismen eine ideologische Kolonisierung unserer Kultur. Das sollte nicht sein. Der Valentinstag wäre für die kirchlichen Amtsträger eine gute Gelegenheit zur Verkündigung der Wahrheit über Liebe und Sexualität. Leider enthält der nach dem II. Vaticanum neu erfundene Kalender ausgerechnet diesen beliebten Heiligen, Wundertäter und Märtyrer, nicht mehr. Der Muttertag ist ein schöner Brauch. Auch er wäre ein guter Anlass für die Kirche zur Katechese über die Mutterschaft. Gegen das Beschenken spricht nichts, nur sollte es, siehe oben, mit gesundem Maß erfolgen.

Ein wesentlicher Punkt für den Wandel ist auch der Zuzug durch Personen mit einer anderen Religion. Ein anderes Kulturbewusstsein, anderes Brauchtum und andere Feiertage führen immer wieder zu Konflikten in der Öffentlichkeit. Wohin soll das führen?
Schrems: Im Licht des Buches Deuteronomium (5 Mose) können wir die Überfremdung als Strafe Gottes für Glaubensabfall und Unmoral verstehen. In Dtn 28,43ff heißt es: „Der Fremde, der in deiner Mitte wohnt, steigt immer höher nach oben, hoch über dich hinaus, und du steigst immer tiefer hinab. … Er wird zum Kopf und du wirst zum Schwanz. Alle diese Verfluchungen werden über dich kommen, dich verfolgen und dich erreichen, bis du vernichtet bist, wenn du auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, nicht hörst und nicht auf seine Gebote und Gesetze, auf die er dich verpflichtet hat, achtest. … Der Herr trägt zum Kampf gegen dich ein Volk aus der Ferne herbei, von den Enden der Erde, das wie ein Adler herabstößt, ein Volk, dessen Sprache du noch nie gehört hast, ein Volk mit unbeweglichem Gesicht, das sich dem Greis nicht zuwendet und für das Kind kein Mitleid zeigt.“ Diese Stelle bezieht sich auf die Verkündigung des Gesetzes an das Bundesvolk Israel. Segen und Fluch werden mit ihren jeweiligen Folgen vorgelegt, damit das Volk Gottes recht wähle. In analoger Form können wir das auch auf das Volk des Neuen Bundes beziehen. Wir sehen ohnehin selbst, dass sich in den post-christlichen Nationen Überfremdung und Bevölkerungsaustausch ereignen. Das durch den Glaubensabfall verursachte geistige und durch die Abtreibung verursachte demographische Vakuum wird mit fremden Religionen und fremden Menschen aufgefüllt. Das führt zur längerfristigen Abschaffung der christlich-abendländischen Kultur. Denn die Europäer scheinen sie selbst nicht zu wollen.

Kreuze sollen aus den Klassenzimmern verschwinden, Nikolofeiern dürfen nicht mehr in den Kindergärten stattfinden, ja sogar das Essen in öffentlichen Einrichtungen wird umgestellt, um Zugezogene „nicht vor den Kopf zu stoßen.“ Wie sollen wir mit dieser Entwicklung umgehen?
Schrems: Die Kirche selbst lehrt im Katechismus der Katholischen Kirche (§ 2241, zweiter Abschnitt): „Die politischen Autoritäten dürfen im Hinblick auf das Gemeinwohl, für das sie verantwortlich sind, die Ausübung des Einwanderungsrechtes verschiedenen gesetzlichen Bedingungen unterstellen und verlangen, dass die Einwanderer ihren Verpflichtungen gegenüber dem Gastland nachkommen. Der Einwanderer ist verpflichtet, das materielle und geistige Erbe seines Gastlandes dankbar zu achten, dessen Gesetzen zu gehorchen und die Lasten mit zu tragen.“ Bezeichnenderweise wird das niemals erwähnt und daher auch nicht umgesetzt. Würde die Kirche die Politik auf diesen ohnehin selbstverständlichen Grundsatz aufmerksam machen, würde es bei uns anders ausschauen.

Die neuen sozialen Medien begünstigen im Wesentlichen die Internationalisierung der Verhaltensweisen. Nationale und europäische Eigenheiten treten in den Hintergrund. Können wir das akzeptieren, oder müsste dagegen vorgegangen werden?
Schrems: Mit Bestürzung sehe ich, wie Vokabular, Adjustierung und Verhalten von jungen Menschen durch den Medienkonsum vereinheitlicht werden, bis hinein in die Mimik und Artikulation. Ich stelle auch mit Entsetzen fest, welche Bindekraft diese Medien entfalten. Im Straßenverkehr und in den öffentlichen Verkehrsmitteln muss man direkt aufpassen, dass man nicht von Zombies, die auf ihr Kästchen starren, niedergerannt oder niedergefahren wird. Hier muss erst einmal das Suchtverhalten aufgebrochen werden. Anstatt dauernd „online“ zu sein, wäre es wichtig, mit Gott „online“ zu sein.

Der unverkennbare Wandel führt letzten Endes wohl zu einer „Ghettoisierung“ dessen, was bei uns Brauch war. Das ist vorerst viel stärker in den Großstädten zu merken. Liegt in der, weniger dem Zeitgeist unterworfenen, ländlichen Bevölkerung etwa eine Chance zur Bewahrung unseres autochthonen Brauchtums?
Schrems: Die ländliche Bevölkerung war in der Geschichte immer ein beharrendes, traditionsorientiertes Element. Leider genießt der Bauernstand zu wenig Anerkennung. Man hat im Gegenteil den Eindruck, daß politisch die Zerschlagung der kleinräumigen ländlichen Struktur gewollt ist. Das beobachten wir verstärkt seit dem EU-Beitritt Österreichs. Meinem Kenntnisstand nach breiten sich die Abartigkeiten des Zeitgeistes aber auch am Land aus.

Welchen Beitrag könnten die christlichen Kirchen leisten, um Wesentliches von dem zu erhalten, was sie selbst über Jahrhunderte bei uns geschaffen haben?
Schrems: Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass es die Katholische Kirche war, die in der schwierigen Zeit nach dem Zusammenbruch Roms und der Völkerwanderung die Grundlage für alles gelegt hat. Der heroische Pionier- und Opfergeist der Benediktiner schuf die Klöster, die Stätten der Gottesverehrung und der Gastfreundschaft. Hospize, Waisenheime und Krankenhäuser wurden ebenfalls von Mönchen und gläubigen Laien erfunden und betrieben. Klosterapotheke und Domschule sind Schöpfungen der Kirche, aus letzterer entwickelten sich die Universitäten. Wir können auf diese gewaltige Zivilisation durchaus stolz sein. Sie wurde Jahrhunderte vor dem zerstörerischen Wirken Martin Luthers und anderer Revolutionäre, von denen sich viele ein völlig falsches, romantisiertes Bild machen, grundgelegt. Den protestantischen Gemeinschaften empfehle ich daher, mit ihrer eigenen Geschichte aufzuräumen. Die katholische Hierarchie müsste sich auf den eigenen, unverfälschten Glauben und die von ihm bestimmte Zivilisation besinnen. Wichtig – auch in kultureller Hinsicht – wäre eine entschlossene Rückkehr zur überlieferten, lateinischen Liturgie. Die Sakramente im überlieferten Ritus drücken den Glauben viel reiner aus als die neuen, zudem bildeten sie evidenterweise die Kultur aus, von der wir noch zehren: Die romanischen, gotischen und barocken Kirchengebäude wurden nun einmal für die auf unvordenkliche Zeit zurückgehende Liturgie geschaffen. Was sich jetzt dort abspielt, ist von Ausnahmen abgesehen eine Farce.

Welche Aufgaben müsste die regierende Politik übernehmen, um morgen aufwachen zu können, ohne dass sie vor irreversiblen Tatsachen steht, die sie selbst nicht wollte und auch nicht mehr kontrollieren kann?
Schrems: Die Frage ist, ob die regierende Politik diese irreversiblen Prozesse nicht bewusst betreibt. Für mich sieht es so aus. Für eine neue Politik müsste zunächst die Einsicht entscheidend sein, dass der Politiker wie jeder andere vor Gott für das Gemeinwohl der ihm anvertrauten Menschen verantwortlich ist.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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