„Der Schaden setzt sich bis in die Sommersaison hinein fort“

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Matthias Krenn, Vizepräsident der Bundeswirtschaftskammer und Bürgermeister von Bad Kleinkirchheim, über die schwierige Lage des Tourismus in Corona-Zeiten

Sehr geehrter Herr Bürgermeister: Die Welt leidet mittlerweile seit mehr als zwei Monaten intensiv an einer allesumspannenden Infektions krise. Wie ist es Ihnen als Tourismusunternehmer in dieser Zeit ergangen?
Matthias Krenn: Auch wir haben, wie alle anderen Tourismusbetriebe, unser Unternehmen mit 15. März sperren müssen. In Kärnten ist dies in den ersten vierzehn Tagen durch die Bezirkshauptmannschaften erfolgt. Sie haben sich dabei auf das Epidemie-Gesetz von 1950 bezogen.

… auch nicht mehr das allerjüngste …
Krenn: Diese Maßnahmen wurden dann aber zum 30. März wieder aufgehoben. Gleiches ist übrigens auch in Salzburg, Tirol und Vorarlberg erfolgt. Gründe für die Aufhebung nach 14-tägiger Gültigkeit waren sicher die Kosten der berechtigten Ansprüche auf Entschädigungszahlungen.

Kommerzialrat Matthias Krenn ist Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich, Hotelier und Bürgermeister der Fremdenverkehrsgemeinde Bad Kleinkirchheim. (Bild: Wikipedia/WIPAmedia/CC BY-SA 4.0)

Sie haben in Kärnten ja eine außerordentlich gute Situation bezogen auf Gesamtösterreich, mit den wenigsten Infi zierten und der geringsten Anzahl an Corona-Toten. Ich glaube, Bad Kleinkirchheim, dessen Bürgermeister Sie ja sind, ist relativ ungeschoren davongekommen.
Krenn: Wir hatten im Grunde genommen keinen einzigen Todesfall und keine Infi zierten. In einem veröffentlichten Pressedienst des Landes Kärnten wurde von dem Tod einer Italienerin geschrieben, bei der eine Corona-Implikation nicht auszuschließen war. Bei der durchgeführten Untersuchung hat sich dann allerdings die Unbedenklichkeit herausgestellt. Doch der Schaden war bereits angerichtet und die internationale Presse hat darüber berichtet. Diese völlig unnötige sowie vereinbarungswidrige Indiskretion des Landes Kärnten hat somit zu vielen Stornierungen geführt und damit einen massiven Schadensfall verursacht, wo es eigentlich nicht einmal einen Verdacht gab!

Zu diesem Zeitpunkt, muss man hinzufügen, war alles bereits außer Rand und Band. Sie konnten wohl die restliche Wintersaison vergessen?
Krenn: Ab 15. März war „chiusa la porte“. Der bereits damals entstandene Schaden setzt sich nun bis in die Sommersaison hinein fort und zwar deshalb, weil erstens die Betriebe ab 29. Mai nur unter Aufl agen öffnen dürfen und zweitens, weil bereits jetzt ein äußerst zögerliches Buchungsverhalten der Gäste zu verzeichnen ist. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Grenzschließungen. Was die Inlandssituation anbelangt, darf man nicht vergessen, dass wir 1,8 Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit bzw. in Kurzarbeit haben und große Verunsicherung, wie es in der Zukunft weitergeht, herrscht.

… für Gesamtösterreich gesprochen …
Krenn: Außerdem muss man diesen Personenkreis von 1,8 Millionen mit 2,5 multiplizieren, um die Haushaltsgröße mit einzubeziehen!

… Das ist die halbe österreichische Bevölkerung …
Krenn: Ja, wir reden konkret von 4,5 Millionen Österreichern, die von der Coronakrise unmittelbar betroffen sind und schauen müssen, wie sie ihr zukünftiges Auskommen bestreiten können.

Wenn Sie von der bevorstehenden Sommersaison sprechen. In welchem Verhältnis stehen eigentlich Winter- und Sommersaison in Bad Kleinkirchheim? 
Krenn: Die Aufteilung beträgt ungefähr 52 Prozent mit dem Wintertourismus und der Sommertourismus liegt bei 48 Prozent. Das hätte ich anders eingeschätzt. Sie sprachen von einer Buchungslage, die etwas zögerlich ist. Können Sie ungefähr abschätzen, wie sich der Sommer bei Ihnen entwickeln wird? Krenn: Ich spreche aufgrund der Erfahrungen aus dem eigenen Betrieb mit einem 120-Betten-Hotelbetrieb in der 4-Sterne-Kategorie. Im Februar hatten wir für den Sommer noch eine Buchungslage, die bei mehr als 20 Prozent über dem Vorjahresdaten gelegen ist. Jetzt allerdings liegen wir 25 bis 30 Prozent hinter dem Vorjahr zurück. Von den anderen 20 Hotelbetrieben in Bad Kleinkirchheim weiß ich, dass zumindest die beiden Fünf-Sterne-Häuser erst Anfang Juli aufsperren wollen, weil einfach die Frequenz zu niedrig ist, um einen Betrieb ohne Abgang zu führen. Die Auslastung der Betriebe ist derzeit einfach zu gering.

Dadurch, dass Italien wohl noch länger geschlossen bleiben wird und die Bundesrepublik Deutschland die Grenzen zu Österreich bereits Mitte Juni öffnen will, könnten doch Umbuchungen von Italien zu österreichischen Betrieben erfolgen?
Krenn: Da wird man erst sehen müssen, ob Deutschland tatsächlich aufmachen wird bzw. unter welchen Aufl agen das erfolgt. Wir müssen eventuell damit rechnen, dass es Gesundheitstests bei der Einoder Ausreise geben wird.

Haben Sie da als wirtschaftlicher Standesvertreter bereits die eine oder andere diesbezügliche Information?
Krenn: Es liegen noch keine konkreten Verordnungen am Tisch. Das ist auch das Hauptproblem der Wirtschaft mit der Bundesregierung. Ständig werden Verordnungen und Maßnahmen seitens der Regierung – sehr zum Ärger der Bürger – geändert. Dies gilt übrigens auch, wenn es um die Unterstützung der Betriebe geht.

Wenn Sie die Unterstützung durch den Bund ansprechen, so hat die Regierung anfangs 38 Milliarden an Stundungen und Zuschüssen versprochen. Werden wir in Österreich damit auskommen?
Krenn: Das wird mit Sicherheit nicht reichen! Wenn ich vergleichsweise Deutschland mit dem Paket von 750 Milliarden Euro hernehme und das auf Österreich mit dem Faktor 1:10 umlege, dann wären das 75 Milliarden. Und so hoch beziffere ich die Summe, die die heimischen Betriebe auch tatsächlich brauchen würden. Zudem ist es auch so, dass von den versprochenen 38 Milliarden nur 15 budgetwirksam sind, denn Stundungen und Kredite müssen zurückgezahlt werden. Damit kann man die Wirtschaft nur vorübergehend über Wasser halten.

Wenn ich jetzt noch eine Stufe höher gehe und den volkswirtschaftlichen Aspekt anspreche, müssen wir alle mit einem massiven Defizit des Bruttoinlandsproduktes (BIP) rechnen. Die Wirtschaftsforscher und relevante Institutionen sprechen von sieben bis 8 Prozent Rezession, die in diesem Jahr auf uns zukommen sollen. Allerdings sollten wir im nächsten Jahr einen Großteil davon wieder aufholen können!
Krenn: 10 Prozent BIP-Einbruch von einem hohen Niveau werden nicht durch 10 Prozent Steigerung von einem reduzierten Niveau ausgeglichen werden. Auch wenn nächstes Jahr wieder in einen Aufschwung mündet, so sind wir immer noch – insgesamt gesehen – bei einem kräftigen Minus gegenüber dem letzten Jahr. Es wird sicher drei bis vier Jahre dauern, bis wir wieder das Niveau von 2019 erreichen. Dazu müssen auch wieder die Märkte, die wir für den Export brauchen, anspringen. Dass dies in Summe auch massive Einschnitte bei den Ausgaben des Staates zur Folge haben wird, möglicherweise auch bei den Pensionszahlungen, das brauche ich nicht extra betonen.

Noch schlimmer sieht es wahrscheinlich im Gesundheits- und Sozialbereich aus, wo das Ausländerproblem auch noch dazukommt…
Krenn: Allein die Kosten für den Gesundheitsbereich hatten in den letzten Jahren Steigerungsraten von vier bis viereinhalb Prozent jährlich. Durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit gibt es hier massive Einschränkungen auf der Einnahmenseite. Um alle Leistungen des Wohlfahrtsstaates aufrecht zu erhalten, bedarf es eines gesunden und soliden Wirtschaftswachstums. Aber zunächst muss wohl der Staat die entstandene Delle auf der Einnahmenseite ausgleichen.

Das Gespräch führte Walter Tributsch

[Autor: Bild: Wikipedia/Popie Lizenz: CC BY-SA 3.0]

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