Autor: E.K.-L. Bild:
Die politische Linke tut sich mit dem Begriff der Freiheit von jeher schwer
Im Berliner Karl Dietz-Verlag erschien am 11. Oktober ein Werk, das es in sich hat: Michael Bröning: Vom Ende der Freiheit – Wie ein gesellschaftliches Ideal aufs Spiel gesetzt wird.
Bereits der Klappentext verspricht eine spannende Lektüre, heißt es doch (gerafft):
Was bedeutet Freiheit in Zeiten der Pandemie? Ist der Kampf gegen den Klimawandel zwangsläufig ein Kampf gegen freie Selbstbestimmung? Wie kann eine offene Debatte unter Bedingungen der totalen Vernetzung und der allgegenwärtig beschworenen politischen Alternativlosigkeit verteidigt werden? Und: Wer schützt unsere Gesellschaften vor dem schleichenden Gift identitätspolitischer Spaltung? Freiheit und Demokratie stehen unter Druck – weltweit. … Auch Teile der politischen Linken wenden sich immer häufiger gegen das Prinzip der Freiheit.
Auf 147 Seiten legt Michael Bröning (45) den Finger auf eine klaffende Wunde: den schleichenden Verlust unserer Freiheit. In einer Rezensionsnotiz im Kulturressort des Deutschlandfunks vom 20. Dezember 2021 heißt es:
(Man) „schätzt den ruhigen Duktus und die stringente Argumentation im Buch des Politikwissenschaftlers Michael Bröning. Wenn der Autor seine Erfahrungen als Mitglied der SPD-Grundwertekommission und Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York einfließen lässt, um die progressive Linke vor dem Verlust des Ideals der Freiheit zu warnen“ sei es erfreulich, „dass Bröning nicht hämisch mit seinem Milieu abrechnet, sondern die Freiheitsgefährdungen im Innern der Gesellschaft thematisiert, von Cancel Culture bis Identitätspolitik. Die Verbindungen zwischen den Verhältnissen an US-Universitäten und der deutschen Gesellschaft scheinen … offensichtlich.“
Bereits in einem Gespräch mit der „Wiener Zeitung“ (18. November 2021) führt Bröning auf die Frage, wie es um die Freiheit stehe, aus: Nicht gut, und das liegt nicht allein an den Folgen der Corona-Pandemie. Ich fürchte, dass wir uns in Sachen Freiheit in so etwas wie einem perfekten Sturm befinden.
Bröning weiter: Es stimmt schon, dass, wie sich in der Pandemie gezeigt hat, Freiheit auch Verantwortung bedeutet, aber darob haben wir deren Wesenskern aus den Augen verloren: Freiheit bedeutet eben ganz zentral auch Freiheit von staatlichen Eingriffen, von bürokratischen Gängelungen; und Freiheit bedeutet auch das Risiko, Fehler zu begehen. Das haben wir in den vergangenen 18 Monaten, sehr oft mit den besten Absichten, aus den Augen verloren.
Der Autor ist Sozialdemokrat, daher darf die obligate Warnung vor der „Bedrohung durch rechts“ nicht fehlen, ein nachgerade ritueller Stehsatz. Doch die Linke kommt mitnichten ungeschoren davon, sie steht im Zentrum der Kritik. So bei der Antwort auf den Vorhalt des Reporters: „In Ihrem Buch Vom Ende der Freiheit werfen Sie vor allem progressiven Kreisen vor, sich von der Freiheit abzuwenden.“:
Ja, weil diese Bedrohung anders als die von rechts immer wieder übersehen wird. Im „Juste Milieu“ hat es bereits etwas Verrufenes an sich, sich für Freiheit einzusetzen, der Begriff gilt hier fast schon als Synonym für Verantwortungslosigkeit … Freiheit zählt zu den zentralen Begriffen unserer politischen Ordnung, den sollte man nicht einfach als Fahrlässigkeit abtun. Und schon gar nicht sollte man als Linker diesen Begriff der politischen Konkurrenz überlassen. Aber das ist ein taktisches Argument. Diese Entwicklung hat auch grundsätzliche Folgen, wie wir als Gesellschaft Demokratie verstehen.
Mit einem Wort: Brönings Buch bringt dem Leser einen soliden Erkenntniszuwachs.