Kandidaten als Bittsteller?

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/EneasMx Lizenz: CC BY-SA 4.0


Präsidentenwahl in Frankreich: Über eine demokratiepolitische Schwachstelle

Am Freitag, dem 4. März um 18 Uhr Ortszeit endet eine wichtige Frist. Bis zu diesem Termin muss jeder französische Präsidentschaftsbewerber 500 parrainages (Patenschaften) nachweisen, sonst wird er vom Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) nicht für die Kandidatur zugelassen. Diesmal droht die demokratiepolitisch fragwürdige Situation, dass zwei der vier in Meinungsumfragen führenden Politiker (Marine Le Pen, Eric Zemmour) an dieser Hürde scheitern. Ursache dafür scheint der sanfte Druck zu sein, der auf Notabeln (zum Beispiel Bürgermeister, Parlamentsabgeordnete, Mandatare in den Vertretungen der Departements) ausgeübt wird, nur ja nicht für einen dem Establishment unangenehmen Bewerber eine Patenschaft zu übernehmen.

Am vorigen Sonntag (27. Februar) sprach Marine Le Pen, die in den Meinungsumfragen an zweiter Stelle hinter Emmanuel Macron liegt, deswegen von einer erschreckenden Situation. Sie sei noch nie so besorgt gewesen. Auch Eric Zemmour sagte eine Wahlkampfreise nach Réunion (ein französisches Departement im Indischen Ozean ab), um sich der Kampagne für weitere parrainages zu widmen. Hingegen haben Bewerber von gut organisierten Splittergruppen wie etwa die trotzkistische Kandidatin Natalie Arthaud keinerlei Schwierigkeiten, die erforderliche Anzahl von Patenschaften zu kriegen.

Nachfolgend die Anzahl der zur Zeit (Dienstag, 1. März, 14 Uhr; in Echtzeit im Internet abrufbar) vorliegenden parrainages:

Angeführt wird die List von Valérie Pécresse mit 2.271 Patenschaften, gefolgt von Emmanuel Macron (der formal seine Bewerbung noch gar nicht erklärt hat) mit 1.544, der sozialistischen Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo mit 1.226; dann der Grüne Yannick Jadot mit 615. Der kommunistische Kandidat Fabien Roussel verfügt über 593, die bereits erwähnte Trotzkistin Natalie Arthaud hat 562 und der extrem linke Jean-Luc Mélenchon 540 Patenschaften.

Dann wird es eng. Es folgen auf den Plätzen Eric Zemmour (415) und Marine Le Pen (414). Christiane Taubira, die linksliberale Schwarze aus Französisch-Guyana bringt es auf bloß 128 Patenschaften. Brexit-Chefverhandler Michel Barnier hat nur eine einzige parrainage.

Fazit: Das System der Patenschaften ist ein Schwachpunkt des französischen Wahlsystems. Bewerber wie Le Pen und Zemmour, denen Millionen von Bürgern ihr Vertrauen schenken wollen, werden durch das System von Patenschaften zu Bittstellern degradiert, die bei einer relativ überschaubaren Zahl von Honoratioren vorstellig werden müssen. Würdenträger, die in weit überwiegender Mehrzahl den Herrschenden verpflichtet sind.

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