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Internist Dr. Marcus Franz über das Chaos der Anti-Corona-Maßnahmen, die Aggression der Menschen, die am Ende sind, über falsche Experten und die „Machtgeilheit“ der Regierenden
Herr Dr. Franz, Sie haben als Politiker und Arzt in den letzten eineinhalb, zwei Jahren konstruktiv-kritisch die Corona-Maßnahmen ins Visier genommen. Was sagen Sie zu dem aktuellen Corona-Chaos, vor dem die österreichische Bevölkerung jetzt steht?
Dr. Marcus Franz: Sie haben das Wort schon präzise in den Mund genommen: es ist ein einziges Chaos. Es widersprechen sich die einzelnen Regierungsmitglieder teilweise diametral. Der Gesundheitsminister sagt so, der Kanzler sagt so, die Tourismusministerin sagt a bissl wieder ganz was anderes, widerspricht dem Gesundheitsminister. Also es gibt ein Hin und ein Her, das die Bevölkerung überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann. Daher ist in der Bevölkerung ein massiver Unmut bereits zu orten und eine Pfeif-Drauf-Stimmung, was ich jeden Tag in der Ordination feststelle. Ich erlebe das ja live mit den Betroffenen. Jeden Tag wird rund 30 Mal die Frage gestellt: Was ist da los, was kann man überhaupt noch glauben, sind da überhaupt noch sinnvolle Maßnahmen machbar, wie soll es weitergehen? Die Leute sind aggressiv, resigniert, verzweifelt, depressiv, „pfeif-drauf“, also eine Mischung, ein Potpourri, ein Gemengengelage, eine Gefühlsmischung, die ganz schlecht ist, weil sie auch – glaube ich – leicht entzündbar ist. Das Ganze könnte rasch in Aggressionen umschlagen, so dass es zu unguten Zuständen, wie sie zum Beispiel in Holland jetzt der Fall waren, kommen könnte. Es ist dann die Endstufe, und die totale Verwirrung der Bevölkerung.
Was mutmaßen Sie als Motivation der Bundesregierung so seltsame Maßnahmen zu setzen? Es sind ja nicht nur Maßnahmenkritiker, sondern auch Experten, die sagen z. B. der Lockdown für Ungeimpfte bringt nicht wirklich etwas. Was meinen Sie?
Franz: Die Motivation ist Machtgeilheit, ich glaube, dass das ein ganz starker Antrieb ist, dann eine narzisstische Störung, jeder glaubt, er weiß es am besten. Dann natürlich verschiedene Expertenmeinungen, wo auch unterschiedliche Haltungen vertreten werden, die unterschiedlichen ideologischen Richtungen von Glaubenshaltungen, von Glaubensströmungen und weniger von der Wissenschaft, und dass man zu wenige Ärzte aus der freien Wildbahn, die draußen arbeiten in den Spitälern, in den Ordinationen, die mit den Patienten zu tun haben, anhört. Es sind hauptsächlich Leute in Beratergremien, die teilweise noch nie mit einem Patienten gearbeitet haben, noch nie einen Patienten gesehen haben, die alles nur aus dem Labor kennen, Simulationsforscher, die ständig am Computer sitzen und irgendwelche Kurven aufzeichnen, aber in der Realität überhaupt keine Ahnung haben, wie die Lebenswelt, die Lebensrealität von betroffenen Leuten ist, die mit Familien im Home-Office sitzen, die Erkrankte zu Hause pflegen müssen, die nicht unterscheiden können zwischen Erkrankten und Infektion. Wie soll ein Laie da unterschieden, was eine Infektion und was eine Erkrankung ist? Also, da ist sehr viel an Missbrauch betrieben worden an Expertise insofern, weil die, die in der Realität damit zu tun haben, kaum gehört werden. Das ist eines der zentralen Probleme aus meiner Sicht.
Da sind wir an einem interessanten Punkt: Natürlich ist es jedermann klar, dass es nicht die eine Lösung geben kann. Aber was glauben Sie, was wäre in dieser Phase eigentlich das Wichtigste, was seitens der Politik und auch der Experten umgesetzt werden sollte oder was man machen sollte, um aus dieser Pandemie, aus diesem Chaos herauszukommen, medizinisch wie auch politisch?
Franz: Politisch stimmungsmäßig wäre das erste und wichtigste, endlich eine Entängstigung einzuleiten, eine Entirritation der Bevölkerung, und zu sagen, was Sache ist. Wir wissen, dass die Infektion für die meisten Leute nicht gefährlich ist. Wir haben aber eine umgedrehte Situation. Wir starren dauernd auf die Intensivstationen, auf Spitalszahlen. Wir kümmern uns aber viel zu wenig seitens der Politik um die nur positiv getestet sind oder nur leicht erkrankt sind. Sie sitzen jetzt zu Hause in Quarantäne, sind isoliert, oft nur alleinstehend oder nur zu zweit, sie sind positiv zu Hause, ein bissl krank und wissen nicht genau, was sie tun sollen. Diese Leute hören den ganzen Tag – von der Früh bis am Abend – die Todesbotschaften, sitzen positiv zu Hause, haben keine Handelsanleitung, keine Anleitung, wie sie jetzt mit ihrer Positivität, mit ihrem Husten, Schnupfen oder Heiserkeit. Zum Glück ist ja für die meisten Betroffenen, die erkrankten, dass die Corona-Infektion eine Art der Erkältungserkrankung darstellt. Das muss man immer wieder betonen. Die allerwenigsten Positiven kommen auf die Intensivstation. Ein bis zwei von hundert Positiven landen auf der Intensiv, das heißt, das ist ein minimaler einstelliger Prozentbereich, die schwerst betroffen sind und um die wird sich eh gekümmert im Spital. Aber die große Masse der Positiven, der Infizierten und Erkrankten, die sind einmal zu Hause in Isolation und wissen nicht, wie es weiter geht. Sie haben keine Ansprechpartner oder die Ansprechpartner sind nicht erreichbar, weil 1450 nicht optimal funktioniert. Und auch viele Ärzte sagen, dass ihnen das zu heikel ist und daher keinen Hausbesuch machen und den Patienten sagen sie sollen 1450 anrufen. Bei 1450 verweist man wieder auf die Rettung, wenn es schlechter werde sollen sie die Rettung rufen oder den Hausarzt. Das ist ein Spiel mit den Gefühlen der Menschen, das zutiefst zynisch ist und somit eigentlich zu verachten, so wie die Politik damit der großen Masse der Menschen umgeht.
Die Motivation der Politik ist Machtgeilheit, ich glaube, dass das ein ganz starker Antrieb ist.
Stichwort Exit: Wie sehen Sie die Frage der Impfung? Die Politik hat ja jetzt quasi eine indirekte Impfpflicht eingeführt, die aber dazu führt, dass manche Unbedarfte sagen, nun ja, jetzt lasse ich mich halt impfen. Viele aber, die sich bis dato nicht impfen lassen wollten, begeben sich jetzt erst recht in einen Justament-Standpunkt und sehen sich in eine Ecke gedrängt. Was glauben Sie, was wäre der richtige Ausweg beim Stichwort Impfwirkung, die viel früher nachlässt als erwartet. Wo glauben Sie, sollte man da ansetzen, um aus dem Teufelskreis herauszukommen?
Franz: Ein Kardinalfehler war und ist, dass die niedergelassenen Ärzte nicht eingebunden wurden, weil man erreicht die Risikogruppen – und es geht im Wesentlichen nur um die Risikogruppen – das sind jetzt speziell Männer zwischen 40 und 60 Jahren, die übergewichtig und diabetisch sind, sprich eine Zuckererkrankung haben, die schweren Bluthochdruck haben, Herzkrankheiten haben, also chronisch Kranke oder chronisch übergewichtige jüngere Männer. Das ist die Hauptgruppe momentan. Man muss über die Hausärzte geeignete Strukturen, geeignete Informationskampagnen genau diese Leute erreichen. Wenn ich 500 Hochrisikopatienten erreiche mit der Impfung hat das 100 Mal mehr epidemiologischen und Public-Health-Effekt, als wenn ich da jetzt 100.000 Kinder da täglich durchteste hinsichtlich der Viruspositivität. Die Maßnahmen müssten gezielt und gewichtet gesetzt werden. Das wäre viel klüger, eine stringente Impfempfehlung auszusprechen an die risikogruppen auszusprechen, immer wieder auszusprechen über die niedergelassenen Ärzte, denn die sind ja bei den Patienten draußen. Das wäre viel sinnvoller, als über Impfpflicht zu diskutieren oder soziale Drucksituationen aufzubauen, quasi eine indirekte Impfpflicht für alle herstelle, denn das führt genau zu der Situation, die sie gerade angesprochen haben, dass auf den Druck der Gegendruck aufsteigt. Die Aggression steigt und eine große Menge von Menschen sind schon wütend auf die Regierung aufgrund dieser überzogenen Maßnahmen. Sehr viele Betroffene denken sich, wozu soll ich mich jetzt impfen lassen, ich bin ein junger Mensch, will eigentlich nicht geimpft werden und jetzt kommt die und hängen mir eine soziale Drucksituation am Arbeitsplatz und überall um. Ich bin es gewohnt, ein freier Mensch zu sein in einem freien Land, das ja Österreich immer war. Jetzt dreht sich das langsam um in Richtung eines Staates, der sehr viele an den Ostblock erinnert. Ich habe sehr viele Kollegen, die kommen aus dem Ostblock, die sind damals vor dem Mauerfall oder nach dem Mauerfall herübergekommen, sie waren froh, im Westen zu sein. Die sagen alle übereinstimmend, egal ob sie aus Bulgarien kommen, aus der DDR oder aus der Slowakei oder woher auch immer: Es ist genauso wie damals, wir haben das alles erlebt. Es ist genauso wie damals, deshalb sind wir weggegangen, jetzt sind wir hier, wir haben genau die Situation wie damals, wie in den 80er Jahren in Tschechien, Slowakei, Bulgarien uns do weiter. Es ist eine ganz frappierende und haarsträubende Situation, die wir da erleben.
Das Gespräch führte Wendelin Mölzer.