Deutschland stoppt Nord Stream 2 Freigabe

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Autor: U.K. Bild: Nord Stream 2 / Nikolai Ryutin Lizenz: –


Neuer Ärger an der Gasfront

In Deutschland sollte man sich diesen Winter wirklich warm anziehen. Nicht nur, dass in der Sylvesternacht die Atomkraftwerke Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen abgeschaltet werden und damit 7% der deutschen Grundlastkapazität vom Stromnetz geht – ersatzlos. Jetzt droht auch noch neuer Ärger an der schon ohnehin kritischen Gasfront.

Völlig unerwartet hat am 16. November die staatliche deutsche Bundesnetzagentur in Bonn, die neben Strom, Eisenbahn und Telekom-Netzen auch für das Gasnetz auf deutschem Territorium zuständig ist, die Zertifizierung der neuen Nord Stream 2 Gaspipeline gestoppt, aus rein formalen Gründen. Damit dürfte sich die Inbetriebnahme dieser wichtigen neuen Gasleitung von Russland nach Mitteleuropa um mindestens 4 bis 5 Monate verzögern, schätzen Energieexperten. Dabei sollte Nord Stream 2, die von der US-Administration aus aussenpolitischen Gründen vehement bekämpft wird, eigentlich ab diesem Winter dafür sorgen, dass Erdgas in aussenreichenden Mengen in den europäischen Markt fließen und der aufgrund der CO2-Besteuerung gestiegene Bedarf gedeckt werden kann.

Konkrekt verlangt die Bundesnetzagentur nun plötzlich, dass “der Betreiber in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert ist”. Die Besitz- und Betreibergesellschaft der Gasröhre ist aber die Nord Stream 2 AG, eine Aktiengesellschaft mit Sitz im steuerfreundlichen Kanton Zug in der Zentralschweiz, unweit von Zürich. Inwieweit diese Forderung einen Verstoß gegen die Freizügigkeitsregeln der sogenannten Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU darstellt, ist durchaus diskutabel. Bei der Genehmigung der ersten Nord Stream Pipeline hat man sich jedenfalls nicht daran gestört, aber 2012 herrschten auch noch andere politische Rahmenbedingungen.

Weiters wird bemeckert, dass die Vorgaben der EU-Gasrichtlinie an einen “Unabhängigen Transportnetzbetreiber” nicht erfüllt seien, da Leitungsbetrieb und Gasverkauf nicht ausreichend getrennt seien. Die Bundesnetzagentur stört sich daran, dass die Nord Stream 2 AG eine Tochter-Tochter-Gesellschaft der russischen PAO Gazprom ist, von welcher der begehrte Energierohstoff kommt. Hier ist in der Tat ein Unterschied zur ersten Nord Stream AG, bei dem Gazprom, neben Wintershall, E.ON und anderen, nur ein Teilhaber ist. Allerdings sind derartige Verflechtungen bei den deutschen Stromkonzernen die Regel, und werden dort allgemein akzeptiert.

Wie dem auch sei, die Schweizer Nord Steam 2 AG sucht eine pragmatische Lösung und will einen, vermutlich jahrelangen, Rechtsstreit vermeiden. Es soll nun schnellstens eine eigenständige Gesellschaft mit Sitz in Deutschland gegründet werden, an die dann die wenigen Kilometer Pipeline auf dem deutschem Boden übertragen werden sollen. Dafür hat Nord Stream 2 nun bis Mitte Januar Zeit. Dann könnte die Bundesnetzagentur das Verfahren fortsetzen, woraufhin die EU-Kommission weitere vier Monate darüber brüten und im positiven Falle die Bundesnetzagentur die Akten nochmals zwei Monate ablagern darf, bis endlich die endgültige Zertifizierung kommen könnte.

Hoffen wir für die Deutschen, dass der kommende Winter nicht allzu streng wird. Denn der Füllstand der deutschen Erdgasspeicher betrugt vorgestern gerade mal 68%, nur zwei Drittel von dem, was eigentlich jetzt nötig wäre.

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