Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Julian Nyča
Präsident Erdogan will von der wirtschaftlichen Misere ablenken
Angesichts der steigenden Inflation, die mit Erdogans sinkender Volkstümlichkeit einhergeht, lässt sich der Präsident leicht schräge Sachen einfallen: In einem Erlass vom Vormonat beharrt er darauf, dass sein Land, das im türkischen Idiom Türkiye heißt, in fremden Sprachen ebenfalls so genannt wird. Und nicht etwa auf Englisch Turkey oder auf Deutsch Türkei. Die staatlichen Behörden zwischen Konstantinopel (Istanbul) und der Kleinstadt Van ganz im Osten tun das seit geraumer Zeit ohnedies – ein Musterbeispiel für vorauseilenden Gehorsam. Auch Exportartikel des kleinasiatischen Landes sollen mit „Made in Türkiye“ versehen werden.
Was das angelsächsische Idiom angeht, so mag Erdogans Idee noch nachvollziehbar sein, denn Turkey (Türkei) und turkey (Truthahn) sind in der Tat leicht zu verwechseln. Das kommt daher, weil der aus Nordamerika stammende Truthahn eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Perlhuhn aufweist. Letzteres wurde früher aus dem Osmanischen Reich nach Europa eingeführt und mitunter als türkisches Huhn bezeichnet.
Wiewohl die Türkei künftig im höflichen diplomatischen Verkehr unter Türkiye firmieren wird, ist es schwer vorstellbar, dass sich dies im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen wird. Bei uns sicher nicht. Schließlich müssen wir Österreicher auch mit der Bezeichnung Austria oder Autriche leben. Ganz zu schweigen von der tschechischen Bezeichnung unseres Staates, nämlich Rakousko, was so viel wie „die Gegend hinter Raabs“ heißt.
Ein Vorbild hat Erdogans Idee: Nämlich den westafrikanischen Staat Elfenbeinküste, der 1985 nach einer Verfügung des damaligen Präsidenten Félix Houphouët-Boigny in allen Sprachen nur mehr Côte d’Ivoire geheißen werden darf.
Davon zu unterscheiden ist die Vorgangsweise mehrerer Völkerrechtssubjekte, ihre koloniale Vergangenheit durch eine gänzliche Neubezeichnung abzustreifen. Geläufig ist das unter der englischen Bezeichnung Country-branding oder auch Nation-branding.
Einige Beispiele: Indien, das sich unter der gegenwärtigen prononciert hinduistischen Regierung lieber Bharat nennt; Burma/Birma, nun Myanmar; Sri Lanka ist das frühere Ceylon; das in Westafrika gelegene Land Dahomey heißt seit längerer Zeit Benin, Obervolta findet man auf neuen Globen unter der Bezeichnung Burkina Faso, das weitgehend unbekannte Königreich Swasiland in Südafrika nennt sich seit ein paar Jahren Eswatini, etwas weiter im Norden existiert ein stets nahe am Staatsbankrott wandelndes Land namens Simbabwe – es handelt sich dabei um das früher so wohlhabende Süd-Rhodesien.
Und mitten in der Sahelzone existiert ein Gebiet, das die französischen Kolonialherren eher unsensibel als Oubangui-Chari , auf gut Deutsch: Ubangi-Schari, bezeichneten. Als der bitterarme Landstreifen 1960 unabhängig wird, legt man den doch etwas merkwürdig daherkommenden Landesnamen ab und proklamiert stolz die Zentralafrikanische Republik.
Ein Sonderfall ist Belgisch-Kongo. Dort nehmen die Machthaber 1971 von der kolonialen Vergangenheit symbolisch Abschied und taufen den Staat um in Zaïre, zwanzig Jahre später kehrt man schrittweise zum alten Namen zurück: zwischen 1991 und 1997 heißt das Land Kongo-Zaïre, danach wiederum schlicht Kongo.