Offene Grenzen sind wesentli- cher Punkt der EU-Ideologie

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EU-Abgeordneter Gerolf Annemans (Vlaams Belang) über Migration als Teil der „Religion“ der EU, über Chancen für Rechtsparteien durch die Migrations krise und über den Dialog mit Erdogan

In der jüngsten Migrationskrise kommen von der EU unterschiedliche Signale. Einmal sagte Kommissionspräsidentin von der Leyen, die Grenzen werden nicht geöffnet und das andere Mal kritisierte sie Griechenland, weil angeblich Gewalt gegen die Einwanderer, die die Grenze stürmen wollten, angewandt wurde. Hat die EU etwas aus der Krise 2015 gelernt?
Gerolf Annemans: Nein! Das einzige, was diese EU lernt, ist, dass sie weitergeht auf ihrem Weg. Wir haben im letzten EU-Wahlkampf Kritik formuliert und bei der Wahl die Mächtigen von den Sozialisten und Europäischer Volkspartei geschwächt, aber sie sind dank der Liberalen von Macron weiterhin sehr stark und gehen ihren Weg weiter. Und wir wissen, was dieser Weg ist: Offene Grenzen und Massenmigration, was die Mächtigen in der EU auch sagen und denken. Bereits bei der Debatte im EU-Parlament vor wenigen Tagen standen dort die Linken mit Fahnen mit der Aufschrift „refugees should keep their rights“ etc. Und dann haben sie EU-Kommissarin Ylva Johansson vorgeschickt, die die Botschaft abgegeben hat, dass die Grenzen offen bleiben müssen, dass das Asylrecht respektiert werden muss. Die Betonung liegt auf offenen Türen und

Asylrecht, wobei Asylrecht nur unkontrollierte Massenmigration bedeutet. Und warum hat die EU nichts aus der Migrationskrise 2015 gelernt?
Annemans: Die EU ist nicht für die Menschen da, sondern nur für sich selbst. Das ist eine Elite, die Massenmigration als Teil ihrer Existenzberechtigung betrachtet. Und gestatten Sie mir einen Vergleich mit der Coronakrise: Auch dort haben wir viel zu spät reagiert. Jetzt ist die EU böse auf Trump, der das Logische und Richtige gemacht hat, nämlich die Grenzen für Leute schließen, die potenziell das Virus einschleppen können. Europa hat das nicht gemacht und wir sehen jetzt, dass die Religion der offenen Grenzen wichtiger ist als die Gesundheit der Menschen.

Warum sind für die EU offene Grenzen so wichtig? Ist es der Globalismus, sind es Wirtschaftsinteressen?
Annemans: Der Globalismus gehört zur Religion der offenen Grenzen. Natürlich gibt es auch Soros-Einflüsse, die ideologisch sind, es gibt für eine gewisse Elite auch ökonomische Vorteile von Migration, und eine Mischung dieser Faktoren, zu denen auch eine falsch verstandene Humanität gehört, ergibt die ideologische Forderung, dass die autochthone Bevölkerung von Europa durch Einwanderer ersetzt werden muss.

Um noch kurz bei der illegalen Einwanderung zu bleiben: Es richtet sich jetzt der Fokus auf die türkisch-griechische Grenze, aber die Mittelmeerroute von Libyen nach Italien und Malta wird vergessen.
Annemans: In Italien haben wir gesehen, wie weit diese Elite bereit ist, gegen die Demokratie zu gehen. Dort gab es für diese Elite ein großes Problem, nämlich Salvini. Denn Salvini war die Symbolfi gur der Alternativ-Elite, die die Interessen der Leute vertritt, und er führte Grenzschließungen in die politische Praxis ein. Daher wurde alles unternommen, um diesen Mann beiseite zu schieben und mit einer linken Regierung offene Grenzen wieder herzustellen. Und heute geht die EU-Kommission nach Griechenland, um zu verhindern, dass die dortige konservative Regierung die Grenze zur Türkei geschlossen hält. Für die EU-Elite sind offene Grenzen offensicht- lich so essentiell, dass sie Regierungen austauscht und lieber mit Erdogan verhandelt, als Grenzen zu schließen. Und in Italien laufen NGO-Schiffe mit Migranten wieder die Häfen an. Das alles sind symbolisch sehr starke Bilder, und meine Meinung ist, dass die EU-Elite weitermacht wie bisher.

Dabei entspricht der Grenzschutz, den Salvini, Orbán und jetzt die griechische Regierung machen, dem EU-Recht. Ist es nicht merkwürdig, dass die EU dafür ist, dass ihr eigenes Recht gebrochen wird?
Annemans: Die grüne Fraktion im EU-Parlament hat kürzlich ein Bild gemacht mit allen Abgeordneten, die alle ein Plakat mit Forderung wie „Flüchtlinge müssen bleiben“ oder „Mehr Rechte für Flüchtlinge“ hochhalten. Das ist die offi zielle Ideologie der EU-Elite, und die Leute verstehen, dass, wenn wir diese Elite stoppen wollen, wir sie bei Wahlen stoppen müssen. Wir haben jetzt gesehen, dass Sebastian Kurz, wenn er in Österreich ist, die Griechen rechtlich unterstützt, aber am Tisch der Staats- und Regierungschefs der EU herrscht noch immer die Ideologie der offenen Grenzen vor. Im Europäischen Rat und in den anderen EU-Institutionen muss gestritten werden und nicht im Fernsehen. Das war für die EU-Elite die Gefahr, als Salvini Italien in die richtige Richtung führen wollte, weil das das Spiel der EU-Elite beendet hätte. Auch Orbán und Kurz sind wichtig, aber es muss noch viel mehr zu einer Blockierung im System selbst kommen, was bisher noch nicht geschehen ist. Entweder haben sie keine Lust oder keine Kraft, und Salvini wurde kaltgestellt.

Rechnen Sie damit, dass die jüngste Migrationskrise den europäischen Freiheitsparteien wie Vlaams Belang, FPÖ oder Lega Rückenwind gibt?
Annemans: Damit rechne ich, aber die Parteien müssen auch als Vertreter des jeweiligen Mitgliedstaates in den europä-
ischen Institutionen wirklich den Streit führen. Das ist bisher nur eine Sache Polens und Ungarns. Auch im Westen müssen Regierungen kommen, die in den europäischen Institutionen die Massenmigration blockieren.

Beim letzten Treffen mit Erdogan meinte EU-Ratspräsident Michel, der Dialog mit Erdogan müsse weitergeführt werden. Bringt da ein Dialog noch etwas, so wie sich der türkische Präsident gegenüber der EU verhalten hat?
Annemans: Es ist unmöglich, mit diesem Mann einen Dialog zu führen. Und was Michel betrifft, der eigentlich nur eine Marionette von Macron und Merkel ist, habe ich bei der letzten Parlamentsdebatte über den mehrjährigen Finanzrahmen gesagt: Bitte nehmen Sie Charles Michel nicht ernst. Was man tun muss, ist, Erdogan spüren zu lassen, dass er eine Macht vor sich hat. Aber das, was man jetzt mit Erdogan macht, ist ein Theater: Man tut so, als ob man mit ihm ein Abkommen machen kann, aber das ist in Wirklichkeit nicht so. Denn die EU möchte nicht, dass Erdogan die türkischen Grenzen nach Europa schließt, weil offene Grenzen, wie ich bereits gesagt habe, dass Essentielle der EU-Ideologie sind.

Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz

 

Gerolf Annemans ist seit 2014 EU-Abgeordneter des Vlaams Belang. Von 2012 bis 2014 war der Antwerpener Parteivorsitzender des Vlaams Belang.

 

 

[Autor: Bild 1: Wikipedia/Krzysztof Maria Różański, (Upior polnocy) Lizenz: CC BY-SA 3.0 Bild Annemans: Wikipedia/Steven Utsiwikiportret.nl Lizenz: CC BY 3.0]