Autor: U.K. Bild: Wikipedia/König Lizenz: GNU
Für US-Frackinggas will Deutschland einen Tankerterminal direkt vor der Ferieninsel bauen
Ohne Erdgas geht es eben nicht in Deutschland, das hat mittlerweile auch die linksgrüne Ampelregierung in Berlin erkannt. Und nach der Sabotage der Nord Stream Gaspipelines durch mutmaßlich amerikanische Spezialkommandos der U.S. Navy letzten September und der staatlichen Enteignung von Gazprom Germania im vergangenen Frühsommer dürfte Deutschland von seinem jahrzehntelangem Hauptlieferanten Russland auch keines mehr bekommen.
Doch Rettung ist in Sicht: durch bei extremen Tiefsttemperaturen verflüssigtes Erdgas, kurz LNG (Liquefied Natural Gas), das in Amerika mittels Fracking aus dem Boden gepresst und dann mit großen Spezialschiffen über den Atlantik nach Europa geschippert wird. Dass dabei hochgiftige Chemikalien zum Einsatz kommen, rund ein Viertel der Energie durch Runterkühlen, Seetransport und Wiederverflüssigung verloren geht und ausserdem während des langen Transports Teile des tiefgekühlten Gases als Klimakiller Methan technisch bedingt wieder in die Atmosphäre entweichen („Blower Gas“) – geschenkt, es geht ja um einen guten Zweck, es geht um den Sieg der Ukraine.
Doch derzeit können die LNG-Tanker, egal ob aus USA, Katar oder sonstwo, ihre Fracht in Deutschland kaum loswerden. Denn Deutschland hat keinen LNG-Terminal, der irgendwie nennenswerte Mengen in das bestehende Gasnetz einspeisen könnte. Deshalb haben jetzt der Energiekonzern RWE und die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern beschlossen, einen solchen LNG-Terminal vor der Ferieninsel Rügen in der Ostsee zu bauen. Entstehen soll der ca. 5 km vor dem malerischen Seebad Sellin, wie vor zwei Wochen bekannt wurde. Und zwar mit mehreren FSRUs („Floating Storage and Regasification Units“). Das sind schwimmende Verflüssigungsplattformen, meist ausgediente LNG-Tanker und je rund 150 m lang, die dann das Erdgas in das Pipeline-Netz an Land einspeisen. Bereits im Mai soll, so RWE, mit dem Bau begonnen werden. Damit das klappt, will die Bundesregierung das sogenannte LNG-Beschleunigungsgesetz noch im Schnellverfahren anpassen. FSRUs sind eigentlich nur als Notlösungen gedacht, auch wegen der von ihnen unweigerlich ausgehenden Meeresverschmutzung durch Schmieröl, Abgase und dergleichen. Aber Not scheint hier am Mann zu sein, und ausserdem ist diese Variante vergleichsweise billig von den Investitionskosten her.
Und warum ausgerechnet Rügen, und dazu noch vor seinen schönsten Stränden? Nun, einer der Hauptspeisepunkte im deutschen Gasnetz liegt in Lubmin, nur rund 20 km südlich vom geplanten Terminal-Standort. Dort landeten bisher die vier Röhren der Nord Stream Pipelines an. Lubmin ist für einen Durchsatz von rund 120 Milliarden Kubikmetern Erdgas pro Jahr ausgelegt und liegt jetzt still, weil eben nichts mehr durch die Röhren kommt. Ausserdem verläuft östlich von Rügen das Fahrwasser durch die Odermündung zum Hochseehafen Stettin (polnisch Szczecin), so dass problemlos auch Dickschiffe mit über 200 m Länge den LNG-Terminal erreichen könnten. In Lubmin selber könnte man den Terminal nicht bauen. Der Meeresgrund ist dort für die Großtanker zu flach, was aber für den Pipelinebau seinerzeit ein Vorteil war.
Ob dieser Pläne herrscht bei Bewohnern, den Bürgermeistern und den Tourismusbetrieben der Insel blankes Entsetzen. Rügen gilt als eine der schönsten Inseln des gesamten Ostseeraums, seine einzigartigen Kreidefelsen und riesigen Buchenwälder sind als UNESCO Weltnaturerbe geschützt, das Ökosystem seiner sauberen Sandstände und Brackwasserlagunen ist Kinderstube der Kegelrobben und bietet im Spätsommer etwa 50.000 Kranichen aus Skandinavien eine Ruhezohne beim Vogelzug nach Süden. Die Lebensgrundlage der Rüganer, wie sie sich selber nennen, ist Fischfang und vor allem sanfter Tourismus. Der datiert zurück bis in die Kaiserzeit, als um 1900 der Seebäder-Tourismus auch bei „höheren Herrschaften“ in Mode kam.
Das alles wäre nun durch das geplante Gasterminal bedroht. Die Auswirkungen auf das fragile Ökosystem der Prorer Wiek und des Greifswalder Boddens sind kaum abschätzbar. Und Feriengäste, die Ruhe, klare Luft und sauberes Meer geniessen wollen, werden sich kaum freuen, wenn hinter der historischen Seebrücke am Selliner Strand (unser Titelfoto) riesige Terminalanlagen und Tankschiffe den Ausblick verschandeln.
Die Bürger der Region und die Lokalpolitik haben jedenfalls massiven Widerstand „auf allen Ebenen“ gegen das Projekt angekündigt. „Damit wird die Bundesregierung das Ökosystem der Insel Rügen irreparabel zerstören“, heißt es in dem Schreiben der Bürgermeister laut dem Nachrichtenmagazin Focus. „Die einzigartige Natur der Insel ist die Grundlage dafür, dass Rügen als Erholungs- und Sehnsuchtsort bei den Menschen im gesamten Bundesgebiet so beliebt ist.“ Doch die links-linksextreme Landesregierung (SPD und Die Linke) in Schwerin scheint bislang entschlossen, das Vorhaben durchzupeitschen.