Was sich am Parteitag der SPÖ abgespielt hat, werten viele Parteigenossen als Desaster. Und es rumort merklich in den eigenen Reihen. Nun gut. Rendi-Wagner erhielt nur dreiviertel der Stimmen. Trotzdem eine Mehrheit. Ursachen für das Misstrauen von einem Viertel der Wähler zu suchen, ist nicht allzu schwer. Der parteiinterne Machtkampf tobt und die Beliebtheitswerte der Parteichefin sinken von Tag zu Tag. Es mag sein, dass man ihr eine gewisse Kompetenz bei der Bekämpfung von Corona nicht absprechen kann, gegen den Missmut und die schleichende Krankheit in den Reihen ihrer Genossen und Genossinnen hat die Ärztin keine Medizin. Man lässt sie im Regen stehen und mit dem Gefühl, von Gott und der Welt verlassen zu sein, allein. Auch die Ankündigung, die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erleichtern, stieß sicherlich auf wenig Gegenliebe bei ihren Partei-Mitstreitern. Dazu kommt noch das Versprechen, nicht mit Türkis koalieren zu wollen, solange sie am Ruder sitzt. Damit nahm sie mit Sicherheit jenen den Wind aus den Segeln, die bei der nächsten Wahl an eine Regierungsbeteiligung und nach qualvollen hilf- und ratlosen Oppositionsjahren an eine Wiedergeburt an den Hebeln der Macht glauben. Blau und Rot kam für sie sowieso nie in Frage. Schon gar nicht mit dem neuen Parteiobmann Kickl. Grün muss sich der Machtpolitik von Kurz beugen und hat scheinbar Klimaziel und andere Grünanliegen vergessen. Einzig was die Staatsbürgerschaftsfrage anbelangt, zieht Rendi-Wagner mit Kogler wahrscheinlich an einem Strang.
Ratlosigkeit zieht sich momentan unbestritten durch alle Reihen der Partei. Es fehlt an einer Linie und an Zielen. Derzeit hat man den Eindruck, dass zwar alle Sozialisten an einem Strang ziehen, aber in verschiedene Richtungen. Ein Funktionär der SPÖ meinte zum Wahlergebnis: „Uneinigkeit stärkt die Gegner“. Das müsste zu denken geben. Aber auch, dass starke Gegner im Sinne des Volksinteresses die besseren sind, als die Schwächlinge die sich in den eigenen Reihen auffressen.
Das Volk hat etwas Besseres verdient als Volksvertreter, die nicht das Volk, sondern ihre eigenen Interessen vertreten. Dieses: Ich kann mit dem und mit dem nicht, ist doch nur leere Phrasendrescherei. Wenn der die Macht winkt, sind alle Versprechungen, Vorsätze und Vorhaben vergessen. Und dem kommt zugute, dass das Volk leider Gottes in unserer schnelllebigen Zeit auch sehr schnell vergisst. Auch, dass in einer Demokratie normalerweise die Macht vom Volke ausgeht und nicht von parteiintern gewählten Spitzenfunktionären.
Manfred Tisal ist Kabarettist, Moderator, Autor und Journalist.
[Autor: – Bild: SPÖ Presse und Kommunikation Lizenz: CC BY-SA 2.0]
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