Dem Jupiter ist anscheinend erlaubt, was dem Ochsen untersagt ist
In der Nacht auf Sonntag (24. Mai 2020), so gegen 0,20 Uhr, treffen Polizeibeamte ein scheinbar verliebtes Pärchen (so die „Kronen-Zeitung“) im Gastgarten des Italo-Lokals Sole in der Annagasse an. Am Tisch stehen Getränke. Nun, damit keine falschen Gedanken aufkommen: Die Annagasse im Zentrum Wiens ist schon seit langer Zeit keine anrüchige Gegend mehr. Früher schon, das bezeugt das lustige G’stanzl:
In der Kärntner Straß‘n steht a weiße Maus / aus der Annagass‘n kommt a Katz‘ heraus /
beide dienen dem Verkehr / doch die Katz‘ verdient viel mehr …
Bei dem oben erwähnten Pärchen handelt es folglich nicht um einen Freier beim Anbahnungsgespräch mit einer Sexarbeiterin, sondern um Alexander V. d. B., Inhaber des in Artikel 60 genannten Staatsamtes, sowie um dessen Gattin. Und das nach Mitternacht. Bekanntlich sieht eine Corona-Verordnung des Ministers Anschober vor, dass alle Lokale spätestens um 23 Uhr schließen müssen. Zum Lokal gehört selbstredend auch der Gastgarten, der grundsätzlich um 23 Uhr geleert zu sein hat. Dies wegen der Lärmbelästigung für die Nachbarschaft.
Der Betreiber des Sole wird wahrscheinlich eine Geldstrafe zahlen müssen. Alexander V. d. B. hat bereits anklingen lassen, er werde höchstselbst den Wirten schadlos halten. Gleichsam auf Gutsherrenart. Das zahlt man quasi aus der Portokasse, wenn man Monat für Monat aus dem Steuertopf rund 25.000 Euro erhält.
Alexander V. verantwortet sein Tun damit, man hätte sich verplaudert und deswegen die Sperrstund‘ einfach übersehen. Um knapp anderthalb Stunden! Es erheben sich deswegen ein paar Fragen:
- Hat der Wirt dem Gast Alexander V. d. B. auf die Sperrstunde hingewiesen?
- Wurden alkoholische Getränke – falls ja, in welchem Umfang – konsumiert, die allenfalls zu einem Verlust des Zeitgefühls geführt haben?
- Weswegen hat der Personenschutz (Staatspolizei) keinen Hinweis gegeben?
- Warum hat sich der Chauffeur nicht gerührt?
- Werden die Mehrkosten (Überstunden in der Nacht) des Personenschutzes und des Chauffeurs dem Steuerzahler zur Last fallen oder von Herrn Alexander V. d. B im Regresswege zurückverlangt?
und schließlich die entscheidende Frage an den Herrn ganz persönlich:
Glauben Sie, Herr V. d. B., Sie stünden gleichsam über dem Gesetz, nach dem antiken römischen Grundsatz Princeps legibus solutus? Oder halten Sie es eher mit dem Spruch Quod licet Iovi non licet bovi? Auf gut Deutsch: Was Jupiter darf, das darf der Ochse mitnichten. Wobei der Ochse im gegebenen Fall der Steuerzahler ist, der Ihnen Ihr Salär überweist.
[Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Evangelische Kirche in Österreich Lizenz: CC BY-SA 2.0]