Thüringen-LTW: Truppenbetreuung vs. Wählerbetreuung…

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„Dies ist ein Ergebnis, welches uns zum Nachdenken zwingt.“ „Wir können das nicht mehr aussitzen.“ „Nahezu 80 Prozent haben demokratische Kräfte gestärkt.“ „Dem Extremismus wurde eine klare Absage erteilt.“ Eine repräsentative Auswahl der Reaktionen auf die Landtagswahl in Thüringen. Trotz aller Unvollständigkeit.

Man fühlt sich ein wenig an Comical Ali erinnert. Dem legendären irakischen Propagandaminister von Saddam Hussein. Ein getroffener notgelandeter AH-64 Apache Kampfhubschrauber. Davor steht ein alter irakischer Bauer mit einem ebenso alten Karabiner. Der Nachrichtensprecher erklärt, auch mit alten Waffen könne man die Amerikaner besiegen. Man müsse lediglich ausreichend Mut aufbringen. Dies war eines der vielen Werke des Comical Ali während des Irakkrieges 2003.

Einige Tage später. Comical Ali steht in Bagdad vor der Kamera. Die Amerikaner auch. „Es gibt keine Amerikaner in Bagdad.“  Comical Ali hat mehr für die ebenso unfreiwillige wie kurzweilige Truppenbetreuung der GIs geleistet, als Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger und Co. Dem irakischen Kampfgeist dürfte er weniger gedient haben.

Die GIs witzelten darauf angesprochen gegenüber den „Embedded Journalists“, es wäre doch cool, wenn ein M-1 Abrams hinter Comical Ali vorbeiführe, während er behaupte, es gebe keine US-Truppen in Bagdad.

Dies führt uns wiederum zu Ephraim Kishon. „Ich hatte die Wahl zwischen Tränen und Lachen. Ich habe mich fürs Lachen entschieden.“

Man sitzt vorm Fernseher. Man hört die eingangs erwähnten Aussagen. Dahinter die Balken der Grafiken. Die Linkspartei kommt knapp über 30 Prozent. Der gleiche Mobilisierungsfaktor für die Ministerpräsidentenpartei wie zuvor in Sachsen und Brandenburg. Um die AfD zu verhindern, wurde der Amtsinhaber gestärkt. Einmal SPD, einmal CDU und diesmal eben Linkspartei. Die AfD kommt auf über 23 Prozent. Vergleichbar einiger österreichischer FPÖ-Landesparteiobleute, die im Windschatten von Jörg Haider und HC Strache reüssierten. Die CDU stürzte um über zehn Prozentpunkte auf Rang drei ab. Die SPD wurde einstellig. Die Grünen schafften knapp den Einzug in den Landtag. Die FDP noch knapper.

Die Moderatoren konnten sich gar nicht entscheiden, welche Einzigartigkeit an diesem Ergebnis zuerst erwähnt werden sollte. Dass die GroKo-Parteien auf 30 Prozent kommen. Dass die vier „klassischen“ Parteien, die in den Achtzigerjahren alleine im Bundestag saßen, zusammen nicht über 50 Prozent kommen. Dass die beiden „jüngsten“ Parteigründungen Linkspartei und AfD, die entgegensetzten Pole des politischen Systems, zusammen die Mehrheit hätten.

Nicht nur AfD-Wähler schütteln angesichts derartiger Berichterstattung gepaart mit Kandidatenkauderwelsch sowie Pressesprechergelaber den Kopf. Aber man kann, teilweise muss man es sogar, das Positive sehen. Schließlich zahlt man Gebühren für die Öffentlichen bzw. für Satelliten- oder Kabel-TV. Man spart sich einfach die Lebenszeit für die so genannten „Comedians“, die ohnehin meist nicht wirklich lustig sind.

Stattdessen schaut man sich die „seriösen“ Nachrichten an. Der SPD-Kandidat ist schockiert über das Ergebnis der AfD. Da dürfte er der einzige Genosse sein. Alle anderen Sozialdemokraten sind schockiert über die Einstelligkeit der eigenen Partei.

Der andere ostdeutsche CDU-Ministerpräsident Haseloff erklärte, die Union habe weniger an die AfD verloren. Viel mehr Nichtwähler seien zur AfD gegangen. Daher auch die gestiegene Wahlbeteiligung. Dies bedeutet zwischen den Zeilen nicht mehr und nicht weniger als: Ihr alkoholsüchtigen, frustrierten, asozialen Alltagsfaschisten, Modernisierungsverlierer und Klimaleugner! Entweder ihr wählt etwas anderes oder ihr bleibt besser wieder zu Hause und teilt Hassvideos über kriminelle Asylwerber.

Ein ehrlich gemeintes Angebot das Vertrauen in die Mitte wiederherzustellen.  Niedrige Wahlbeteiligungen werden lediglich beklagt, wenn sich trotzdem irgendwie eine Altparteienmehrheit ausgeht.

Dies führt uns wiederum zum nächsten Punkt: Die Neudefinition der demokratischen Kräfte. Diese ist ebenso flexibel wie Wahlversprechen und Koalitionsansagen wie -absagen. Daher erblassen Schlangenmenschen vor Neid, wenn sie Oktopussen und Politikern bei der Arbeit zuschauen.

Eingeleitet wurde die Neudefinition bereits vor der Wahl. Da soll noch jemand behaupten, Politiker würden nicht vorausschauend denken. Im Zuge des Tages der deutschen Einheit wurde eine Debatte darüber begonnen, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei oder nicht. Die Evolution von SED über PDS bis zur Linkspartei ist nun im Abschluss begriffen. Einer direkten oder indirekten Unionsbeteiligung in der thüringischen Landesregierung stehen keine großen Steine mehr im Wege.

Die Quadratur des Kreises ist gelungen: Je erfolgreicher die AfD, um so linker das deutsche Parteiensystem.

[Autor: G.B. Bild: www.wikipedia.org/Iraqi TV Lizenz: ]

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