FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl über türkisen Machtwahn in der Corona krise, freiheitliche Oppositionsarbeit und Schutz der Grundrechte
Herr Klubobmann, die Kurz-ÖVP ist dank Krise und Jubelperser-Berichterstattung im ORF und in der größten Tageszeitung des Landes im Umfragenhoch – schon pfeifen die ersten Spatzen vom Dach, dass er über eine vorgezogene Neuwahl nachdenken soll. Was halten Sie davon?
Herbert Kickl: Das ist der ÖVP durchaus zuzutrauen. Gerade Sebastian Kurz hat ja schon zwei Mal unter Beweis gestellt, dass er eine Regierung ohne Skrupel und ohne zu zögern in die Luft sprengt, wenn er denkt, dass es ihm nützt. Manche in der ÖVP denken ja sogar schon an absolute Mehrheiten. Allerdings sind Umfragen nur Momentaufnahmen. Und wir alle wissen, wie rasch sich manche Dinge heutzutage ändern können.
Sollte so ein Szenario eintreten, wäre es dann in der größten Krise der zweiten Republik nicht sinnvoll, gemeinsam mit der SPÖ und den Grünen der ÖVP hier Einhalt zu gebieten, sprich eine Neuwahl zu verhindern? Oder sind die Grünen hier zu „machtgeil“, um demokratiepolitisch das Richtige zu tun, und die SPÖ zu schwach?
Kickl: Die Grünen sind in dieser ganzen Krise, die wir erleben, nur Passagier und tragen alles dazu bei, die Machtfülle der ÖVP zu stärken, wahrscheinlich sogar, ohne es überhaupt zu begreifen. Wenn sie willens sind, gemeinsam mit uns Kurzens Griff nach der absoluten Macht zu verhindern, soll uns das recht sein. Aber wahrscheinlich sind auch sie berauscht von ihren Umfragewerten und begreifen nicht, dass sie nach einer Neuwahl nicht mehr in der Regierung sein werden, wenn es sich für die ÖVP mit den NEOS oder gar mit einer absoluten Mandatsmehrheit ausgeht.
Als politischer Beobachter muss man bemerken, dass die Opposition – ob links oder rechts – in manchen Fragen zusammengerückt scheint. Täuscht das Gefühl, oder ist es bezeichnend, dass ein Klenk vom linken „Falter“ oder ein Noll (Anm: ehemals Liste Pilz) Dinge in Sachen Rechtsstaatlichkeit formulieren, die auch aus dem Munde eines Freiheitlichen stammen könnten? Wie wichtig wäre denn eine geeinte Opposition bei einer solch starken Regierung?
Kickl: Es ist natürlich gut, wenn auch anderen der schwarz–grüne Angriff auf Grundrechte und Verfassung übel aufstößt. Wir sind ja für unsere Kritik oft genug verächtlich gemacht werden. Und ein gemeinsames Vorgehen der Opposition ist hier ausgesprochen wichtig. Denn die Regierung agiert mittlerweile mit einer unglaublichen Unverschämtheit, rechtliche Bedenken und Einwände sind für sie bloß Haarspaltereien und Kinkerlitzchen. Fragen nach der Verfassungskonfomität der Coronamaßnahmen sind dem Bundeskanzler sichtlich lästig. Wir sagen nicht zufällig „Opposition ist Pfl icht“. Gerade in solchen Krisenzeiten muss man totalitären Bestrebungen wie etwa fl ächendeckenden Überwachungs-Apps entschieden entgegentreten. Wir wollen schließlich nicht nach der Coronavirus-Krise in einer Verordnungs-Demokratur aufwachen, deren einziges Ziel das Wohlergehen der ÖVP und nicht dasjenige Österreichs ist.
Die aktuelle Krise deckt auch viel zu: So redet kaum einer mehr von der tiefen Krise der SPÖ, aber auch die Sorgen der FPÖ sind in den Medien kein großes Thema mehr. Wie nutzen die Freiheitlichen diesen Krisenmodus intern, um sich besser aufzustellen?
Kickl: Ich denke, wir sind bereits gut aufgestellt. Das beweist auch der rege Zuspruch zu unserer Petition „Jetzt reicht’s – Allianz gegen den Corona-Wahnsinn“. Natürlich müssen wir uns aber weiter optimieren.
Wie kann die Opposition generell mehr zur Geltung kommen? Jüngste Erhebungen haben ja aufgezeigt, dass rund 95 Prozent der Berichterstattung der Regierung gehören.
Kickl: Es ist natürlich ein Problem für die Opposition, dass die Regierung zahlreiche Medien gleichgeschaltet oder auch gleich mit Inseraten und üppigen Förderungen eingekauft hat. Was hier passiert, ist aber auch ein Problem für die Demokratie an sich. Diese ist auf kritische Medien angewiesen. Das wirklich Absurde ist ja, dass sich Zeitungen, die kritiklos alles nachplappern, was Kurz und Co. von sich geben, dann behaupten, sie seien besonders verantwortungsbewusst und staatstragend. Als Oppositionspartei muss man natürlich viel auf dem Weg der sozialen Medien machen. Hier haben wir auch sehr gute Zugriffszahlen. Dies wird auch weiter ausgebaut.
Abseits der Medienöffentlichkeit: Im Krisenmodus ist es um den Parlamentarismus ohenhin nicht zum Besten bestellt. Wie steht es in Zeiten des Ausnahmezustandes um die Arbeit der Volksvertretung?
Kickl: Schwarz–Grün hat versucht, das Parlament zu einer reinen Abstimmungsmaschinerie zu degradieren und die Opposition mit Sammelgesetzen zu drangsalieren. Anfangs haben wir hier auch mitgestimmt, weil darin auch sinnvolle Maßnahmen enthalten waren, die wir nicht behindern wollten. Und mittlerweile haben wir es geschafft, die Regierung von dieser Unsitte abzubringen. Wichtig wird aber auch die parlamentarische Kontrollenach der Krise sein. All die unglaublichen Fehlleistungen der Regierung, ihre Strategie der Angstmacherei, ihre Vertuschungsaktionen und dergleichen mehr müssen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden. Einfach zur Tagesordnung überzugehen, wird es sicher nicht spielen. Und meiner Ansicht nach sind dann auch ein paar Ministerrücktritte fällig.
Das Gespräch führte F.-W- Moewe.
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