“Wir sind Vorposten gegen die Islamisierung Europas”

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Autor: Bild: Wikipedia/Julian Nyča Lizenz: CC BY-SA 3.0

Politiker Aleksandar Djurdjev über das Verhältnis Serbiens zur EU, das Selbstbestimmungsrecht der ­bosnischen Serben und die doppelten Maßstäbe des Westens

Serbien verhandelt bereits seit acht Jahren mit der EU. Wann wird Serbien bereit sein, Mitglied zu werden?
Aleksandar Djurdjev: Serbien ist schon seit langem bereit, der EU beizutreten, sobald es die meisten der vom offiziellen Brüssel aufgestellten Kriterien erfüllt: Aufbau eines demokratischen Landes, Rechtsstaatlichkeit, Lage der Minderheiten, Kampf gegen Kriminalität und Korruption, Stabilität der Wirtschaft – ich behaupte zu Recht, dass wir nach all diesen Parametern besser auf einen EU-Beitritt vorbereitet sind als Rumänien und Bulgarien im Jahr 2007. Ich denke, wir sollten eher die umgekehrte Frage stellen: Wann wird die EU bereit sein, Serbien aufzunehmen? Es ist offensichtlich, dass das offizielle Brüssel eine besondere, ich würde sagen, vor allem geopolitische und dann historische und kulturelle Beziehung zu Serbien hat. Serbien wird immer noch als Teil der orthodoxen Zivilisation, als verlängerter Arm Russlands auf dem Balkan wahrgenommen und die Serben als „kleine Russen“. Meiner Meinung nach ist eine solche Haltung eines Teils der EU vereinfachend und schädlich für die Union selbst.
Die Dinge haben sich in letzter Zeit zugunsten der Wahrnehmung Serbiens geändert, seit der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán betont hat, dass Serbien unverzüglich in die EU aufgenommen werden sollte, der tschechische Präsident Milos Zeman das serbische Volk öffentlich um Vergebung für die NATO-Bombardierung im Jahr 1999 gebeten hat und fünf EU-Mitgliedstaaten den sogenannten Kosovo immer noch nicht anerkannt haben.

Aleksandar Djurdjev ist Abgeordneter und Präsident der Srpska Liga (Serbische Liga). Der konservative Politiker ist Autor der Bücher „Der Aufstieg der Nation – Die Rückkehr des Staates“, „Serbische Arbeitsethik“ und „Serbische Integration“. (Bild: Facebook/Aleksandar Djurdjev)

In Österreich hören oder lesen wir oft, dass die EU für Serbien und den Westbalkan von besonderer Bedeutung ist. Deshalb stelle ich Ihnen die Gegenfrage: Welche besondere Bedeutung hat Serbien oder der Westbalkan für die EU?
Djurdjev: Serbien hat eine immense geostrategische und geopolitische Bedeutung, da es durch das Morava-Vardar-Tal Mitteleuropa mit der Türkei und dem Nahen Osten verbindet. Das serbische Volk bewohnt den zentralen Teil der Balkanhalbinsel und übt seinen Einfluss in dem weiten Gebiet zwischen der Pannonischen Tiefebene und der Adria aus. Hinzu kommt der Reichtum an zahlreichen natürlichen Ressourcen, von fruchtbaren Ebenen über verschiedene Erze bis hin zu seltenen Metallen wie Lithium, dem Metall der Zukunft, das in Serbien reichlich vorhanden ist. Der westliche Balkan als Ganzes ist besonders wichtig, weil er als eine Art europäischer Vorposten gegen die neue Invasion des Alten Kontinents durch die islamische Zivilisation wieder auftaucht. Viertens wächst die russische und chinesische Präsenz auf dem westlichen Balkan, insbesondere in Serbien, was die EU mit Besorgnis erfüllt und sie zwingt, neue Strategien für dieses Gebiet zu finden. Neben der politischen und wirtschaftlichen Frage stellen Serbien und der westliche Balkan für die EU heute also auch eine große Sicherheitsfrage dar.

Glauben Sie, dass es im Hinblick auf den EU-Beitritt Schwierigkeiten in dem Sinne geben könnte, dass Brüssel von Belgrad die Anerkennung des Kosovo verlangen könnte?
Djurdjev: Brüssel fordert dies ganz offen, aber die Brüsseler Bürokratie steckt in dieser Frage selbst in der Klemme, weil sie keine klar definierte Position hat. Solange die Unabhängigkeit des sogenannten Kosovo nicht von Spanien, der Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern anerkannt wird, kann ihre Anerkennung nicht als offizieller Standpunkt der gesamten EU angenommen werden. Serbien wird und kann seine südliche Provinz nicht aufgeben, nicht nur um eines nebelhaften Weges in die EU willen, sondern um jeden Preis, denn dieses Gebiet ist unsere geistige Wiege und hat einen besonderen Platz in der serbischen nationalen Identität. Andererseits ist der Druck Brüssels, der von Washington unterstützt wird, groß und besteht seit 2008, aber die serbische Führung ist sich bewusst, dass die Anerkennung des sogenannten Kosovo eine rote Linie ist, die niemand überschreiten darf. Dies ist schließlich ihre verfassungsmäßige Verpflichtung – den Kosovo und Metohija als integralen Bestandteil Serbiens zu schützen. Ich möchte hinzufügen, dass die EU im Fall der versuchten Abspaltung Kataloniens im Jahr 2017 äußerst heuchlerisch war. Damals haben alle das Völkerrecht und die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität Spaniens unterstützt. In diesem Beispiel konnten die Serben wieder einmal spüren, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.

Die serbische Führung ist sich bewusst, dass die Anerkennung des Kosovo das Überschreiten einer roten Linie wäre.

Der Krieg in Bosnien und Herzegowina begann vor dreißig Jahren, und heute ist Bosnien und Herzegowina ein mehr oder weniger dysfunktionaler Staat mit starken sezessionistischen Tendenzen in der Republika Srpska. Ist es möglich, dass die territoriale Neuordnung nach dem Zerfall Jugoslawiens noch nicht abgeschlossen ist?
Djurdjev: Sie haben Recht, Bosnien und Herzegowina ist ein dysfunktionaler Staat, aber nicht wegen der Serben oder Kroaten, sondern wegen der bosniakischen Moslems, die tagtäglich gegen die Bestimmungen des Dayton-Abkommens verstoßen und auf eine verfassungswidrige Zentralisierung und Vereinheitlichtung des Staates hinarbeiten, die in Wirklichkeit eine verdeckte Islamisierung ist. Vergessen Sie nicht, dass der Führer der bosnischen Moslems während des Krieges, Alija Izetbegovic, 1970 die „Islamische Erklärung“ als islamistisch-fundamentalistisches Papier verfasst hat. Wir unterstützen das Daytoner Modell für die Republika Srpska und sind der Meinung, dass die Republika Srpska, wenn ihr die entzogenen Befugnisse nicht zurückgegeben werden, jedes Recht hat, den Weg der friedlichen und demokratischen Unabhängigkeitserklärung und der anschließenden Integration mit Serbien einzuschlagen. Wie Sie sehen können, hat der kollektive Westen nichts dagegen, dass alle Albaner in einem Staat leben wollen, er unterstützt sie sogar in ihrem Vorhaben, aber er verweigert dem serbischen Volk ein solches Recht. Ich bin der Meinung, dass der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens ungerecht war, weil die vom totalitären, undemokratischen kommunistischen Regime gezogenen Grenzen der Republiken beigehalten wurden. Die serbische nationale Frage wurde in den 1990er Jahren sicherlich nicht auf gerechte Weise gelöst und solange sie nicht gelöst ist, können weder der Balkan noch Europa wirklich stabil sein.

Dann wird den bosnischen Serben das Recht auf Selbstbestimmung verweigert? Und behandelt die westliche Welt, d.h. die EU und die USA, sie fair?
Djurdjev: Die Haltung ihnen gegenüber ist sicherlich nicht fair, denn der Westen will, dass sie der Aufhebung des Dayton-Abkommens und der Assimilierung in einem einheitlichen Bosnien und Herzegowina zustimmen, das mehrheitlich muslimisch sein soll. Die Serben in der Republika Srpska haben das Recht auf Selbstbestimmung, weil sie ständig unter Ungerechtigkeiten leiden, was im Völkerrecht als ein Element der Theorie des korrigierenden Rechts anerkannt wird, das die Voraussetzung für die Durchführung eines friedlichen und demokratischen Unabhängigkeitsreferendums erfüllt. Die Sache ist völlig klar: Entweder genießen die Serben in der Republika Srpska die vollen Dayton-Rechte, oder Bosnien und Herzegowina wird früher oder später zerfallen, weil niemand bereit ist, sich zur Geisel einer rückwärtsgewandten Politik des Konflikts, der Drohungen und der Erpressung zu machen, die vom politischen Sarajevo seit Jahren favorisiert wird.

Kroatien verhindert die Rückkehr der vertriebenen Serben und will die ­verbliebenen Serben assimilieren.

Wie würden Sie die aktuellen Beziehungen zwischen Serbien und seinen ehemaligen Kriegsgegnern Kroatien und Bosnien beschreiben?
Djurdjev: Trotz der schmerzhaften historischen Erfahrung behandelt Serbien diese Länder mit größtem Respekt. Wir respektieren die territoriale Integrität und Souveränität beider Länder, und wie reagieren sie darauf? Indem sie den sogenannten Kosovo anerkennen, erklären sie uns zu einem völkermordenden Staat und Volk und fordern ständig Reparationen für irgendeine Art von Kriegsschaden. Die kroatische Minderheit genießt in Serbien volle Rechte und wird rechtlich und finanziell unterstützt. Auf der anderen Seite verhindert Kroatien nicht nur systematisch die Rückkehr der vertriebenen Serben, sondern die verbliebenen Serben leben dort in Angst und unter dem Eindruck der Assimilierung, indem versucht wird, sie zu sogenannten orthodoxen Kroaten zu machen. Auf der anderen Seite lehnt Bosnien und Herzegowina jeden konstruktiven Vorschlag aus Belgrad ab, selbst wenn er sich auf Fragen bezieht, die das Leben der einfachen Menschen betreffen, wie den Bau von Autobahnen, Flughäfen, Wasserkraftwerken usw.

Wie stehen Sie zu dem wachsenden Einfluss Saudi-Arabiens in Bosnien, zumal Saudi-Arabien für seine besonders fundamentalistische Auslegung des Islam bekannt ist?
Djurdjev: Dies ist nicht nur ein Problem für Bosnien und Herzegowina oder die Serben, sondern auch für Europa insgesamt. Saudi-Arabien bringt über wahhabitische Organisationen enorme Geldsummen nach Bosnien und Herzegowina, führt aber auch radikale Auslegungen des Islam ein, die zur Schaffung eines islamischen Staates, zu Gewalt und Terror gegen Nicht-Muslime aufrufen. Es genügt, die Existenz ganzer Siedlungen mit Lagern für die Ausbildung von Mudschaheddin zu beobachten, wie z. B. Gornja Maoca bei Brcko, um zu verstehen, womit wir es zu tun haben. Vergessen Sie nicht, dass der sogenannte Kosovo und Bosnien und Herzegowina prozentual die meisten Kämpfer des Islamischen Staates aus Europa stellten und Wien eines der Rekrutierungszentren war, von dem aus sie auf die Schlachtfelder des Nahen Ostens geschickt wurden. Viele von ihnen sind zurückgekehrt und drohen, in ganz Europa Terroranschläge zu verüben.

1999 bombardierte die NATO Serbien und Jugoslawien unter Verletzung des Völkerrechts. Welchen Einfluss hat dieser Krieg auf die aktuellen Beziehungen zwischen Serbien und Ländern wie den USA?
Djurdjev: Es war die tragischste Seite der Beziehungen Serbiens zu den Vereinigten Staaten und der westlichen Welt insgesamt. Wie Sie so schön gesagt haben, wurde eine brutale Aggression gegen unser Land gestartet, die gegen das Völkerrecht verstößt. Dennoch wollen wir mit allen auf gleicher Augenhöhe zusammenarbeiten, auch mit der westlichen Welt. Es erübrigt sich zu sagen, dass die NATO mit ihrer Intervention im Jahr 1999 den Zorn der Serben und aller Bürger Serbiens provoziert hat und niemals als Friedensbündnis wahrgenommen werden wird. Der russische Präsident Wladimir Putin hat dem französischen Präsidenten Emanuel Macron kürzlich eine angemessene Antwort gegeben: Die NATO ist kein Friedensbündnis, fragen Sie die Menschen in Serbien, was sie darüber denken.

Der Kosovo und Bosnien-Herzegowina stellten prozentual die meisten Kämpfer des Islamischen Staaten aus Europa.

Serbien ist ein wichtiger Teil der chinesischen Gürtel- und Straßeninitiative (BRI). Wie sehen Sie das chinesische Engagement in der Region im Allgemeinen?
Djurdjev: In unserer Region, und ich würde sagen, auch im Rest der Welt, arbeitet China nach dem Prinzip der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen. Ihre Investitionen in Serbien sind strategisch wichtig und tragen zum allgemeinen Wachstum unserer Wirtschaft und zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Gemeinsam mit Russland unterstützt China Serbien in internationalen Organisationen in erheblichem Maße im Kampf um die Wahrung unserer territorialen Integrität und Souveränität. Außerdem schützen die beiden Länder gemeinsam die Republika Srpska vor den Angriffen des sogenannten Hohen Repräsentanten, der von ihnen als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats nicht gewählt wurde und der daher illegal und unrechtmäßig ist. Dies war der erste konkrete politische Schritt Chinas auf europäischem Territorium und zeigte, wie viel Serbien und die Serben für China als verlässliche Partner bedeuten.

Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.

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