Relativiert Ukraine-Präsident Selenskij den Holocaust?

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/The Presidential Office of Ukraine Lizenz: CC BY-SA 4.0


Tabubruch: Singularität der Shoa in Frage gestellt

Ein bisserl wie ein Wanderprediger wirkt er schon, der ehemalige Schauspieler und Komiker Wolodymyr Selenskij. Systematisch grast er ein Parlament nach dem anderen ab: dasjenige der EU, dann den deutschen Bundestag, den US-Kongress und jetzt die israelische Knesset. Seine Forderung –begleitet von kritischen Anmerkungen, weswegen denn die Hilfe so zaghaft käme – ist stets gleichbleibend: Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine.

Flugverbotszone. Selenskij weiß um die Folge und nimmt dies offenbar billigend in Kauf: atomarer Schlagabtausch zwischen Washington und Moskau. Schauplatz, besser: Schlachtplatz wäre Europa.

Am Abend des gestrigen Sonntags (20. März) hatte der ukrainische Präsident seinen Video-Auftritt vor der israelischen Volksvertretung, der Knesset. Genau gesagt: vor deren Abgeordneten. Denn anders als in Brüssel, Berlin und Washington versammelten sich die Mandatare nicht im Sitzungssaal des Parlaments (mit der anschließenden Möglichkeit, die Ausführungen mit stehendem Applaus zu adeln), sondern die Landesväter verfolgten die Rede in ihrem jeweiligen Domizil per Zoom.

Dies war nicht der einzige Misston, der den Auftritt Selenskijs – er ist weltweit der einzige jüdischen Staatschef außerhalb Israels – begleitete. Denn vor der Übertragung der Rede intervenierte der russische Botschafter Anatoli Wiktorow beim Präsidium der Knesset. Sein leicht schräger Wunsch: Damit die Sache nicht zu einseitig werde, wolle Wiktorow die Abgeordneten im Vorfeld über die russische Sicht aufklären.

Das Begehren wurde nicht erhört. Obgleich sich die Vielparteien-Koalition des Ministerpräsidenten Naftali Bennett in einer verzwickten Lage befindet: Außenpolitisch kann man die USA als wichtigsten Verbündeten kaum verärgern, die Russen gleichfalls nicht, da Jerusalem nur mit stiller Duldung des Kremls seine regelmäßigen Nadelstiche gegen angebliche iranische Stellungen in Syrien auszuführen vermag.

Innenpolitisch ist die Anti-Netanjahu-Koalition auf jede Stimme in der Knesset angewiesen und dort sitzen Vertreter von Gruppierungen, die sich auf die Stimmen russischer Einwanderer stützen. Andere Mandatare wiederum müssen auf die starke ukrainische Gemeinde in Israel Rücksicht nehmen.

Selenskij untergräbt zudem die Bemühungen von Premier Bennett mit der Aussage, zwischen Ländern könne man zwar vermitteln, aber nicht zwischen Gut und Böse. Dabei hat Selenskij erst vor kurzem ein Treffen mit Wladimir Putin in Jerusalem gefordert.

Einen Fauxpas der Sonderklasse leistet sich der ukrainische Präsident im Laufe seiner Rede, als er leichtfertig eine direkte Parallele zwischen dem Holocaust und dem russischen Angriff zieht, indem er ausführt: So wie vor achtzig Jahren Nazi-Deutschland die Juden habe vernichten wollen, versucht heute Russland, die Ukraine auszulöschen. Damit kratzt Selenskij an einem Tabu: dem Verbot, die Einmaligkeit des Holocaust durch eine Gleichsetzung mit einem anderen Vorgang zu relativieren.

Selenskij fordert Waffen und harte Sanktionen, denn: Brüder und Schwestern von Israel, ihr müsst euch jetzt entscheiden. Ein deutlicher Rekurs auf die gemeinsame Abstammung.

Wie sieht Israels Hilfe aus? Lieferung von 100 Tonnen humanitären Gütern sowie Bau eines Feldlazaretts an der polnisch-ukrainischen Grenze. Bitter für Selenskij. Doch die Haltung Jerusalems bekräftigt die Richtigkeit einer alten Weisheit: Staaten haben keine Freunde, sondern nur Interessen.

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