Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Mathias Bruchmann Lizenz: CC BY-SA 4.0
Peinliche Unkenntnis diverser Auslandskorrespondenten
Bei Journalisten, die aus dem fernen Ausland berichten, setzt der Leser eine Vertrautheit mit den Gegebenheiten des jeweiligen Landes vor. Was Ostasien – also China, Japan, Korea, Vietnam – angeht, so steht der Familienname an erster Stelle, der Rufname (sohin der Namensteil, der bei uns als Vor- oder Taufname bezeichnet wird) am Ende. Ein Beispiel: Mao Tsetung (auch Mao Zedong). Der Familienname des chinesischen KP-Chefs ist Mao.
Ein anderes Beispiel aus dem überwiegend chinesisch besiedelten Stadtstaat Singapur: Der inzwischen verstorbene Vater des unabhängigen Singapur schrieb sich Lee Kuan Yew, Ministerpräsident von 1959 bis 1990. Sein Sohn, der jetzige Premierminister, schreibt sich Lee Hsien Loong. Der Familienname beider Herren ist Lee (gesprochen: Li), ein bei Chinesen häufiger Name, der oft auch in der Schreibweise Li auftaucht. Die in Singapur anzutreffende Variante Lee ist eine sprachliche Hinterlassenschaft der britischen Kolonialherren.
In Europa ist die Reihenfolge Vorname – Familienname (auch: Nachname) üblich. Nur die Magyaren halten es wie die Ostasiaten, was im 19. Jahrhundert der Theorie des Panturanismus Auftrieb gab (gemeinsamer Ursprung der Turkvölker, Finno-Ugrier, Mongolen und der mandschu-tungusischen Völker).
Unlängst berichten die „Neue Zürcher Zeitung“ (18. Jänner) und „Die Presse“ (einen Tag später) über den nicht ganz freiwilligen Rücktritt des vietnamesischen Präsidenten Nguyen Xuan Phuc. Sehen wir uns den Beitrag der NZZ an. Der Titel lautet „Vietnams Präsident stürzt über Skandal“. Hier wird formuliert: Phuc ist das bisher ranghöchste Mitglied … Phuc waren die grössten Chancen eingeräumt worden … Die Gerüchte über Phucs Abgang usw. Über Vietnams starken Mann, dem KP-Generalsekretär Nguyen Phu Trong, heißt es: An der Spitze des Kampfs gegen Korruption steht Trong … Vor welch grosser Aufgabe Trong steht …
Nun, Nguyen ist in Vietnam – so wie eben Li bei den Chinesen – ein häufiger Familienname. Beim Machtkampf in Vietnam heißen zufällig beide Kontrahenten Nguyen, was aber keinen tauglichen Grund dafür abgibt, die zwei Herren jeweils mit dem Vornamen zu bezeichnen. Das ist freilich nicht absichtlich geschehen, sondern der Unkenntnis der jeweiligen Auslandskorrespondenten zu verdanken. Auch die Lektoren bei NZZ und „Presse“ sind da nicht sehr aufmerksam gewesen.
Es sind keine weltbewegenden Fehler, aber der Respekt sollte es gebieten, die Namen richtig zu verwenden. Wir in Österreich würden es ja auch minder gern sehen, wenn japanische Zeitungen über den Bundeskanzler Karl oder den Oppositionsführer Herbert schreiben …