Unter Proskynese versteht man bekanntlich das demütige Sich-Niederwerfen und Berühren des Bodens mit dem Gesicht im Angesicht des Herrschers. Es handelt sich um eine altpersische Zeremonie. Wer vermeint, heutzutage sei derartiges kaum denkbar, der wird in der Ausgabe der Tageszeitung „Die Presse“ vom 22. Mai eines Besseren belehrt.
Auf der Debattenseite der genannten Zeitung gibt es die Rubrik „Quergeschrieben“. Wie der Name andeutet, soll dort ein kontroversielles Thema abgehandelt werden. Doch wenn man den Beitrag von Sibylle Hamann („Nein, so sind wir nicht. Danke, Herr Bundespräsident!“) durchliest, dann sollte die Rubrik eher „Unsere tägliche Proskynese“ heißen.
Hamanns Beitrag ist ein geradezu atemberaubend perfektes Beispiel für Hofberichterstattung. Nach der erwähnten Überschrift „Danke, Herr Bundespräsident“ wird dickes Schmalz aufgetragen: „… besonnenes Staatsoberhaupt, das alles richtig macht … Anker der Vernunft … Van der Bellen hat in diesen Tagen genau das Richtige gesagt und getan …“. Die Autorin hätte mit ihrer unterwürfigen Diktion gute Chancen, im nordkoreanischen Propagandaministerium unterzukommen. Dort schätzt man gewiss solch Lobhudelei.
Als Annex sei eine Bemerkung gestattet. Nämlich zu „So sind wir nicht. So ist Österreich nicht“ aus dem Munde des Mannes in der Hofburg: Ja, Sie haben völlig recht, Herr Van der Bellen. So sind wir Österreicher nicht. Nicht so wie Sie, der seinerzeit gleichsam als Dank für seine Einbürgerung die KPÖ wählte.
[Autor: E.K.-L. Bild: www.wikipedia.org/Christian Michelides Lizenz: CC BY-SA 4.0]