Wo bleiben die Demos gegen die Corona-Beschränkungen?
München. Hunderte Autos fahren in Schritttempo um die Staatskanzlei. Die Halter der Fahrzeuge protestieren gegen die Ausgangsbeschränkungen. Die Insassen schwenken Deutschland- wie Bayernfahnen.
Dresden. Dutzende Fahrzeuge umrunden den Sitz des Ministerpräsidenten. Mittels Hupen und Sprechchören machen sie ihrem Unmut Luft. Gegen die rigiden Virus-Maßnahmen.
Zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein bildet sich ein Protestzug. Keine deutsch-deutschen Grenzen mehr steht dort zu lesen. Wenn der Afghane nach Deutschland darf, darf ich zu meiner Großmutter.
In Wien gehen zahlreiche Personen auf die Straßen. Den Sicherheitsabstand wahrend. Sie rufen nach Freiheit. Sie rufen nach einem Ende des Virus-Regimes.
Grazer Autohalter umrunden den Schlossberg. Auch ihr Ruf nach Freiheit soll nicht ungehört verhallen.
Sind diese Leute denn alle verrückt? Wollen die alle sterben? Und noch dazu so viele als möglich mit sich reißen?
Mitnichten. Bzw. Im Gegenteil.
Die Menschen verfolgen die Nachrichten. Sie hören, lesen und sehen, dass Krisenzustände wie in Italien und Spanien verhindert werden konnten. Das sogenannte Abflachen der Kurve ist gelungen. Niemand schart in den Löchern, um sich Festivals, Partys oder Orgien hinzugeben. Man harrt der Dinge und fiebert dem Moment entgegen, wo man endlich wieder unter geordneten Umständen der Normalität entgegenstreben darf.
Dieses Momentum muss verzögert werden. Der Bürger muss weiterhin an der Hand genommen werden.
Aufmerksame Bürger nur in den USA?
Und in den deutschen wie österreichischen Städten haben besagte Demonstrationen auch gar nicht stattgefunden. Diese wären ohne mit der Wimper zu zucken kurzerhand aufgelöst worden. Notfalls mit Tränengas und Warnschüssen.
Vielmehr fanden diese Amerika statt. Von Minnesota über Michigan, Ohio, Pennsylvania bis Washington State. Die ehemalige US-Außenministerin Condoleezza Rice erklärte in einem Interview sinngemäß: Wir verteidigen nicht die USA gegen das Virus. Wir verteidigen New York gegen das Virus.
Zwischen New York und Los Angeles liegt das berüchtigte Fly-Over-Country. Staaten – also Bundesstaaten – vergleichbar mit Schweden. Große Flächen. Geringe Bevölkerungsdichte. Geringe Infiziertenzahlen. Geringe Todesraten.
Dort regt sich Widerstand gegen überbordende Maßnahmen. Beschlossen von demokratischen Gouverneuren. Die Proteste finden unter Einhaltung der Abstandsregeln statt. Wer kann schon jemanden infizieren, der ein Auto weiter sitzt.
Warum ist das in Amerika möglich? Warum ist das in Deutschland oder Österreich unmöglich?
Sheriff vs. „Kiberer“
Ein Polizeichef oder Sheriff in Amerika geht nicht gegen Unmutsbekundungen der Bevölkerung vor, die im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Rechte stattfinden. Es sei denn er ist amtsmüde. Er will wiedergewählt werden. Von den Bürgern seines County.
Ein Polizeioffizier in Deutschland oder Österreich lässt derartige Unmutsbekundungen im Keim ersticken. Es sei denn er ist amtsmüde. Denn sein Innenminister schaut ihm auf die Finger.
Der gescheiterte wie verfolgte 1848er-Revolutionär Carl Schurz wanderte nach Amerika aus. Dort machte er Karriere als Nordstaatenoffizier wie republikanischer Politiker und wurde sogar Innenminister der USA. Später traf er den Reichskanzler von Bismarck und erklärte ihm in einem Gespräch: Der amerikanische Bürger tritt lieber in eine Pfütze, als auf Schritt und Tritt von einem preußischen Wachmann am Gehsteig überwacht zu werden.
Der Verfasser dieser Zeilen möchte den geneigten Leser keineswegs dazu anstiften, die zivilen wie militärischen Sicherheitskräfte von ernsthaften Dingen abzuhalten – was die Regierung auch nicht tun sollte – oder Mitarbeiter von Supermärkten anzukeifen oder Busfahrer wie Schaffner anzugiften. Aber 45 bis 48 Prozent für die Kurz-ÖVP scheinen doch ein Stück übertrieben.
[Autor: G.B. Bild: Wikipedia/Lorie Shaull from St Paul, United States Lizenz: CC BY-SA 2.0]