Ibiza: „Faktisch geht es um schwarze Netzwerke“

by admin2

Der freiheitliche Fraktionsleiter im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker, über die zweifelhafte Rolle der ÖVP ­ im Ibiza-Ausschuss

Herr Hafenecker, der sogenannte „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ läuft nunmehr wieder auf Hochtouren, nachdem man erst im Juni, coronabedingt­, starten konnte: Was würden Sie für eine Zwischenbilanz aus den parlamentarischen Untersuchungen bis dato ziehen?
Christian Hafenecker:
Wenn ich mir ansehe, welche Richtung der Ausschuss eingeschlagen hat, dann wird wohl die ÖVP die größte Freude mit der Verzögerung des Ausschusses gehabt haben. Es zeigt sich ja immer deutlicher, dass diese Untersuchung, nicht, wie vielleicht ursprünglich gedacht, als politisches Instrument gegen die FPÖ zum Einsatz kommt, sondern vielmehr ein Sittenbild davon freilegt, in welcher Intensität die Volkspartei einen tiefen Staat auf- und ausgebaut hat. Selbstverständlich war und ist der Themenkomplex rund um das Ibiza Video im Zentrum des öffentlichen Interesses. Das wird von politischen Mitbewerbern geschickt dazu missbraucht, um, etwa beim scheibchenweisen Anliefern von Videobestandteilen, punktuell den Scheinwerfer auf uns zu richten. Faktisch geht es mittlerweile aber immer mehr um schwarze Netzwerke, Vereinskonstruktionen, Parteienfinanzierung der Volkspartei und parteipolitischen Einfluss in staatlichen Strukturen. Spannend ist, dass sich auf den neuen Ladungslisten keine FPÖ-nahen Personen mehr befinden. Das zeigt, wohin sich der Ausschuss bewegt. Ibiza ist längst nicht mehr das Hauptthema. Das haben vorab offensichtlich auch schon Schwarz und Grün befürchtet, als sie einträchtig via Geschäftsordnungstrick weite Teile der Untersuchung verhindern und abdrehen wollten. Lediglich der Verfassungsgerichtshof hat den Ausschuss in der heutigen Form möglich gemacht.

Nationalrats­abgeordneter Christian ­Hafenecker, MA ist freiheitlicher Fraktionsvorsitzender im Ibiza-Untersuchungsausschuss (Bild: Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS)

Anlass für diesen Ausschluss war ja bekanntlich der sogenannte „Ibiza-Skandal”, in dessen Mittelpunkt der ehemalige FPÖ- Obmann Heinz-Christian Sprache stand. Dazu kamen angeblicher Postenschacher in der türkis-blauen Regierung. Hat sich der Fokus dieses Ausschusses nunmehr verschoben?
Hafenecker:
Wie gesagt, nach der Einvernahme von Strache und Gudenus hat sich der Ausschuss sehr schnell mit Fragen zu Vorgängen in den Behörden, vor allem Innenministerium und Justiz, beschäftigt. Hier hat sich für mich ein dramatisches Bild aufgetan. Nicht nur, dass man den Eindruck gewinnen musste, dass die Soko Tape (Ibiza) von der ÖVP handverlesen besetzt wurde und auch so agiert, ist es vor allem erschütternd festzustellen, wie sich SOKO, Oberstaatsanwaltschaft Wien und Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegenseitig behindern. Kafkaesk möchte ich schon fast sagen.

Jüngste Enthüllungen der Rechercheplattform „zackzack.at” haben neue Fragen aufgeworfen und belasten – nicht nur laut Ihnen – die ÖVP schwer. Woran macht sich dieser Vorwurf fest?
Hafenecker:
Hier handelt es sich tatsächlich um einen handfesten Skandal, weil diesen Akten zu entnehmen ist, dass die ÖVP schon 2015 und davor konkrete Versuche unternommen hat, belastendes Material über die FPÖ anzukaufen. Pikant daran ist der Umstand, dass daran nicht nur Daniel Kapp, ein ÖVP-Berater, der auch mit dem Ibiza-Video in Verbindung gebracht wird, involviert gewesen sein soll, sondern auch ein ehemaliger ÖVP Generalsekretär. Es stellt sich daher die Frage, ob man dieses Material nicht deshalb kaufen wollte, um die FPÖ zu zerstören, sondern die Freiheitlichen für den Fall einer schwarz–blauen Koalition gefügig zu machen. Höchstbrisant ist weiters, dass auch der heutige Leiter der Soko Ibiza, Mag. Holzer, seitens der ÖVP in die Angelegenheit involviert wurde, was ihn für uns untragbar macht. Wir haben diesbezüglich auch eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht. Alles in allem eine unappetitliche Melange, die noch aufgearbeitet werden muss.

Wie steht es eigentlich um die Veröffentlichung des gesamten Ibiza-Videos? Ist hier ein Fortschritt zu erkennen oder blockieren die Ministerien nach wie vor?
Hafenecker:
Hier gibt es nach wie vor eine Blockade, wir haben nun zwar 4:40h des Videomittschnitts der Hauptkamera, es fehlen aber noch sämtliche anderen Einstellungen. Abgesehen davon ist die Tonqualität streckenweise vollkommen unbrauchbar. Sehr wichtig wären für uns auch die Aufnahmen, die vor und nach der Ibiza-Videofalle angefertigt wurden. Im Besitz der Behörden sind diese bereits, im Aktenbestand noch nicht. Einigermaßen verwertbar ist nun die zweite Ausgabe der Transkripte des Hauptvideos, doch auch hier fehlt noch über eine Stunde des Abends und auch Schwärzungen sind weiterhin ein Thema. Vor allem, wenn es um Personen geht, die der ÖVP nahestehen, was ja auch Rückschlüsse zulässt.

Immer wieder taucht Kritik an der Vorsitzführung von Wolfgang Sobotka auf. Ist der Nationalratspräsident als Vorsitzender noch haltbar?
Hafenecker:
Bereits vor dem Start des Ausschusses war den Aktenlieferungen zu entnehmen, dass Wolfgang Sobotka und sein Alois Mock-Institut aktenkundig und damit auch Untersuchungsbestandteil sein werden. Hier geht es konkret um Gelder der Novomatic, die in dieses Institut geflossen sind. Das alleine ist natürlich noch kein Schuldspruch, aber die Optik war von Beginn an desaströs. Ich verstehe daher auch nicht, warum Sobotka nicht seinem eigenen Vorbild im BVT-Untersuchungsausschuss, aber auch nicht jenem von Norbert Hofer, gefolgt ist, der klar gesagt hat, dass er den Vorsitz wegen Befangenheit nicht übernimmt. Eine Antwort darauf kann natürlich sein, dass er seitens seiner Partei den Auftrag hat, die ÖVP im Ausschuss zu schützen. Das ist als Vorsitzender machbar, bei hochrangigen ÖVP-Auskunftspersonen haben wir mehrfach schon bemerkt, dass kritische Fragen abgedreht oder in Geschäftsordnungsdebatten zerredet werden. Auch das Zerstören des Frageflusses einzelner Abgeordneter mit dem Zweck, den Auskunftspersonen Zeit zum Nachdenken zu geben, ist gängige Praxis. Abgesehen von diesen Aspekten ist es aber in entwickelten, westlichen Demokratien ein Novum, dass der Vorsitzende zur Auskunftsperson im eigenen Ausschuss wird und dann auch bleibt. Bei Richterin Barbara Salesch geht es übrigens trotz Unterhaltungsfernsehen nicht so zu.

Wie bewerten Sie dann die Rolle der ÖVP im Zusammenhang mit der Casinos-Posten-Besetzung­. Gibt es hier einen schwarzen Faden?
Hafenecker:
Diese Frage ist absolut gerechtfertigt und ich würde sie mit „seit 2018 ja“ beantworten. Diese Antwort begründet sich darin, dass sich der rot–schwarze Proporz bis zu diesem Zeitpunkt auch in den Casinos abgebildet hat. Erst mit dem Abgang von Edlinger-Intimus und Rapid-Funktionär Dieter Hoscher und seiner
4 Millionen Euro Abschlagszahlung endete diese Regelung. Nach der Kurzzeitepisode Peter Sidlo kam es zu einem Paradigmenwechsel. Sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat werden nun von der ÖVP dominiert. Hinzu kommt auch noch Thomas Schmid als Alleinvorstand der ÖBAG, der Trägergesellschaft aller österreichischen Staatsbeteiligungen. Wie wir im Zuge des Untersuchungsausschusses erfuhren, liegen gegen ihn nicht nur Drogenmissbrauchsvorwürfe vor, er dürfte auch seine Stellung als Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium dazu genutzt haben, die Ausschreibungsunterlagen auf seine Person zu trimmen und schlussendlich auch zu reüssieren. Mehr schwarzer Faden geht also nicht.

Vielfach hat man das Gefühl, nicht nur coronabedingt­ gibt es in der Bevölkerung nur ein mäßiges Interesse an der parlamentarischen Untersuchung. Wird das von den Medien­ bewusst klein gehalten oder eben nur auf die FPÖ fokussiert, woran liegt das?
Hafenecker:
Es ist tatsächlich so, dass die Corona-Krise, wie viele andere Dinge auch, den Ausschuss medial überlagert. Selbstverständlich tragen auch die üppigen Coronahilfen an österreichische Leitmedien dazu bei, dass dort gerne über Inhalte mit FPÖ überproportional berichtet wird. Die mannigfaltigen Verstrickungen der Volkspartei werden genau so wenig medial beleuchtet­, wie sich die Medien auch mit den vollkommen überzogenen Maßnahmen im Zuge der Corona-Krise gegen Grund und Freiheitsrechte befassen. Man möchte fast meinen, wer zahlt, schafft an.

Sie haben gemeinsam mit Hans-Jörg Jenewein das Online-TV-Format „Der schwarze Faden“ ins Leben gerufen. Geht es hier nur um den aktuellen Untersuchungsausschuss oder soll in diesem Format generell über Machenschaften der ÖVP informiert und diskutiert werden?
Hafenecker:
Der schwarze Faden ist ein sehr spannendes Format geworden. Wir haben es zu Beginn für den Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen, sind aber, um es salopp zu sagen, von den Ereignissen eingeholt worden. Angesichts der schier unerträglichen Machtergreifung der ÖVP in nahezu allen Institutionen der Republik führt auch überall ein schwarzer Faden hin. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Themen der Sendung in Zukunft auch weiter gefasst sein werden, abzuarbeiten gäbe es schon alleine in Sachen Coronawahnsinn mehr als genug.

Was würden Sie sich wünschen, wie der aktuelle Ausschuss weiterhin über die Bühne gehen wird? Welche Ergebnisse erwarten Sie noch aus dieser Untersuchung?
Hafenecker:
Es wäre eine Frage der politischen Hygiene, dass NR Präsident Sobotka den Vorsitz im Untersuchungsausschuss zurücklegt und damit sein eigenes Ansehen, aber auch jenes des Nationalrates nicht weiter demoliert. Das würde zwangsläufig auch den Fortgang der Aufklärung positiv beeinflussen, da auch parteipolitische Winkelzüge wegfallen würden. Was wir momentan im Hinblick auf die politische Durchsetzung des Staates in seiner Gesamtheit vorfinden, hätte ich selbst nicht für möglich gehalten. Einflussnahmen an allen Ecken und Enden. Ich bin daher davon überzeugt, dass dieser Untersuchungsausschuss erst ein Anfang sein wird. Wer weiß, vielleicht stellt sich heraus, dass auch das Ibiza-Video ein abgekartetes Spiel auf Parteiebene ist, und lediglich über die (deutsche) Bande gespielt wurde. Ausschließen möchte ich gar nichts mehr.

Der aktuelle Untersuchungsausschuss ist nicht der erste, den Sie mitgestalten dürfen. Wie bewerten Sie denn den Sinn und den Nutzen solcher parlamentarischen Untersuchungen generell, was könnte Ihrer Meinung nach optimiert werden?
Hafenecker:
Ich halte die Verfahrensordnung, die unter maßgeblicher Mitarbeit des freiheitlichen Klubdirektors Mag. Norbert Nemeth verfasst und mit dem Hypo Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde, für ein grundsätzlich gutes Instrument. Dieser Ausschuss wurde übrigens damals auch eingesetzt, um uns Freiheitlichen zu schaden­, am Ende ist er allerdings der ÖVP auf den Kopf gefallen. Verbesserungspotenzial gibt es aber im Zusammenhang mit der Befangenheit eines Vorsitzenden, der das im Prinzip nur selbst feststellen kann. Problematisch ist weiters auch noch immer, dass uns Akten vorenthalten werden können und dadurch auf Zeit gespielt wird. Ich halte es für falsch, dass uns Ermittlungsbehörden Akten nach Kriterien der strafrechtlichen Relevanz liefern. Wir untersuchen im Ausschuss die politische Verantwortung für die angezeigten Vorgänge, da können Akten, die strafrechtlich vielleicht irrelevant sind, eine ganz andere­ Dynamik bekommen. Hier muss eine deutliche Verbesserung erfolgen. Was wir sofort angehen müssen, ist eine Änderung der Geschäftsordnung für die Zeit der verordneten Pandemie, diese bietet vielen Auskunftspersonen nämlich die Möglichkeit, sich vor der Befragung zu drücken. Die Möglichkeit der Videobefragung würde hier Abhilfe schaffen, ein Freiheitlicher Antrag dazu wird eingebracht.

Welche anderen Themen sind denn Ihrer­ Meinung nach eine parlamentarische Untersuchung wert?
Hafenecker:
Das hängt davon ab, ob wir mit unseren Untersuchungen im vorgegebenen Zeitraum zu einem Ende kommen, oder noch ein Folgeausschuss nötig ist.
Abgesehen davon bin ich aber der festen Überzeugung, dass wir rasch auch die Coronamaßnahmen der Bundesregierung unter die Lupe nehmen sollten. Abgesehen vom wirtschaftlichen Massenexodus, der durch schwarz–grün mutwillig in Gang gesetzt wurde, gibt es noch den zweiten großen Bereich­, den breit angelegten Anschlag auf unsere Grund- und Freiheitsrechte, der, im Nachhinein gesehen, auch verfassungswidrig war. Es wurde eine regelrechte Flut von Gesetzen durch das Parlament gepeitscht, die einzeln noch einmal analysiert und repariert werden müssen. Als FPÖ, die das Wort Freiheit in ihrem Namen trägt, sollten wir das als unsere erste Pflicht ansehen. Wie im Übrigen auch die vielen nationalfreiheitlichen Korporationen in unserem Land. Der politische Auftrag war selten so klar definiert­ wie dieser Tage.

Das Gespräch führte Friedrich-Wilhelm Moewe.

[Autor: Bild: Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen Lizenz: –]

Das könnte Sie auch interessieren