„Die Bakschisch-Kultur in Österreich ist sehr ausgeprägt“

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Ex-Rechnungshofpräsident Franz ­Fiedler über Parteispenden, die Bedeutung der Wirtschafts- und Korruptionsstaats anwaltschaft und mangelndes Problem­bewusstsein in Bezug auf Korruption

Herr Dr. Fiedler, im Zuge des Ibiza-Untersuchungsausschusses waren mögliche Verbindungen eines Glückspielkonzerns zu ÖVP-Politikern ein großes Thema, es kam auch zu einer Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel. Natürlich ist eine Hausdurchsuchung keine gerichtliche Verurteilung, aber hinterlässt die ganze Sache nicht doch einen schalen Nachgeschmack?
Franz Fiedler: Es ist natürlich nicht alltäglich, dass bei einem Finanzminister eine Hausdurchsuchung vorgenommen wird. Und unabhängig davon, wie nun diese Ermittlungen letztlich ausgehen, sollte jedenfalls doch im Hinblick auf die Lauterkeit des Amtes bedacht werden, das man am besten, wenn man konfrontiert wird mit Angeboten, die nicht ganz astrein erscheinen, dann die Finger davon lässt bzw. zumindest eine solche Mitteilung dem Absender zukommen lässt, in der klar und deutlich erkennbar ist, dass man mit den Absichten des Absenders nichts zu tun haben will.

Dr. Franz ­Fiedler war von 1992 bis 2004 Präsident des Rechnungshofes, von 2003 bis 2005 Vorsitzender des Österreich-Konvents sowie von 2006 bis 2014 Präsident des Beirates von Transparency International Österreich. Heute ist Fiedler Ehrenpräsident des Beirats von Transparency International Österreich (Bild: NLK/Filzwieser/ CC BY-SA 2.0).

Wie sehen Sie die Debatte über Spenden an Parteien, insbesondere von Unternehmen? Kann das Korruption fördern, weil sich der Spender bei höheren Summen wohl eine Gegenleistung erwartet?
Fiedler: Spenden an Parteien sind im Parteiengesetz genau geregelt, und es gab in den letzten Jahren Verschärfungen. Das ist darauf zurückzuführen, dass in den letzten Jahren ein gewisses Umdenken Platz gegriffen hat, dass man sehr wohl gesehen hat, dass mit Spenden an Parteien hier eine Beeinflussung stattfinden kann, die dann dazu führt, dass jene Amtsträger, deren Parteien Spenden bekommen haben, dann nicht mehr unbeeinflusst ihre Tätigkeit ausüben. Es ist die Spendentätigkeit an Parteien immer mit einer gewissen Gefahr verbunden, dass damit Korruption
einhergehen könnte.

Sehen Sie auf diesem Gebiet die Notwendigkeit von weiteren Verschärfungen?
Fiedler: Ich würde nicht Verschärfungen das Wort reden, was die Höhe der Spenden und dergleichen anlangt. Aber ich würde mir wünschen – und das ist eine Forderung von Transparency International schon seit Jahren –, dass man die Möglichkeit für den Rechnungshof eröffnet, diese gesamte Spendentätigkeit an die Parteien einer Überprüfung zu unterziehen.
Derzeit kann der Rechnungshof das nicht tun. Er bekommt zwar die Rechenschaftsberichte der politischen Parteien, in denen auch die Spenden aufgelistet sind, er kann aber von sich aus die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auflistungen nicht überprüfen. Wenn der Rechnungshof Bedenken haben sollte, kann er nur einen Wirtschaftsprüfer damit beauftragen – das ist aber keineswegs mit einer Prüfung durch den Rechnungshof vergleichbar, und es wäre daher notwendig, dass hier die volle Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes Platz greifen kann wie in den übrigen Fällen, wo der Rechnungshof eine Prüfungszuständigkeit hat.
Ich betone das ganz besonders, weil immer wieder dann, wenn der Ruf laut wird, es müsste mehr Kontrolle im Zusammenhang mit den Spenden an Parteien geben, die politischen Parteien darauf hinweisen, der Rechnungshof sei ja ohnedies eingebunden. Eingebunden ist er schon, indem er Rechenschaftsberichte bekommt, aber kann nicht prüfen. Er müsste eine volle Prüfungszuständigkeit bekommen.

Im Zuge der jetzigen Debatte gab es teilweise sehr heftige Kritik seitens der ÖVP an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wie sehen Sie die Arbeit der WKStA?
Fiedler: Transparency International hat sich schon vor mehr als zehn Jahren dafür eingesetzt, dass es überhaupt eine Korruptionsstaatsanwaltschaft in Österreich kommen soll. Nach deutschem Vorbild übrigens, wo sich das schon zuvor bewährt hatte. Von Seiten von Transparency International haben wir es dann sehr begrüßt, als es dann soweit war. Am Anfang war es so, dass die Unterbesetzung bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft eines der größten Probleme war. Das scheint jetzt einigermaßen behoben zu sein.
Es hat jedoch in den letzten Jahren einige Ereignisse gegeben, die nicht unbedingt das Vertrauen in die Korruptionsstaatsanwaltschaft gesteigert hätten. Ich meine insbesondere, dass von Seiten der Korruptionsstaatsanwaltschaft bei einem Dienstgespräch mit Vertretern der Oberstaatsanwaltschaft und des Ministeriums ein Tonband mitgelaufen ist, von dem die anderen Gesprächspartner nichts wussten. Das hat mich als ehemaligen Staatsanwalt doch etwas irritiert, um es sehr vorsichtig auszudrücken.
Man sollte aber auf der anderen Seite nicht übersehen, dass natürlich aufgrund des gesamten Fachwissens, das sich bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft angesammelt hat, auch eine vermehrte Ermittlungstätigkeit einhergeht und das ist durchaus zu begrüßen. Gewisse Dinge, die in der Korruptionsstaatsanwaltschaft vorgefallen sind, würde ich nicht überbewerten und damit das gesamte System, den Aufbau, die Existenz und die Schlagkraft dieser Staatsanwaltschaft infrage stellen wollen. Es müsste aber seitens der Justizministerin dafür gesorgt werden, dass die Verhältnisse zwischen der Weisungssektion im Ministerium, der Oberstaatsanwaltschaft und der Korruptionsstaatsanwaltschaft etwas geordneter ablaufen.

Höre ich aus Ihrer Antwort auch eine Ablehnung der kolportierten ÖVP-Pläne heraus, wonach die WKStA in mehrere kleinere, regionale Einheiten aufgespalten werden soll?
Fiedler: Dazu muss man sagen, dass es ein Vorbild in Deutschland gibt, wo die Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht zentral ist, sondern regional aufgeteilt. Nur sollte es Österreich als wesentlich kleineres Land nicht unbedingt als oberste Priorität ansehen, dass man die Korruptionsstaatsanwaltschaft verteilt. Die Frage ist immer: Welche Absicht steckt dahinter? Will man damit die Korruptionsstaatsanwaltschaft schwächen oder will man dafür sorgen, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft dezentralisiert wird und auch in anderen Bundesländern unmittelbar näher agieren kann?
Wenn man allerdings bedenkt, dass dieser Vorschlag der ÖVP gerade jetzt kommt, wo sie mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft in einen Kleinkrieg verwickelt ist, dann macht einen das natürlich stutzig. Und wenn man die derzeitigen Umstände ins Kalkül zieht, z. B. die Ermittlungen gegen Blümel, hat man Bedenken, ob das tatsächlich zum Vorteil der Korruptionsstaatsanwaltschaft ist. Und wenn das nicht der Fall ist – und im Zweifel wird es vielleicht doch nicht sein –, dann sollte man hier die Finger davon lassen.

Wie sehen Sie im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung die geplante Abschaffung des Amtsgeheimnisses?
Fiedler: Von einer „Abschaffung“ des Amtsgeheimnisses kann keine Rede sein. Es wird natürlich aus Gründen der militärischen Geheimhaltung, außenpolitischer Rücksichten, nationaler Interessen oder auch der Interessen ganz gewöhnlicher Personen immer ein Amtsgeheimnis geben. Mit dem Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz gibt es aber immerhin einen Anfang, dass man von Seiten der Behörden selbst proaktiver auf die Öffentlichkeit zugeht, dass man von sich aus bestimmte Dinge von öffentlichem Interesse der Öffentlichkeit zugänglich macht, indem ein Informationsregister geschaffen werden soll. Das ist ein wesentlicher Fortschritt.
Was die Informationseinholung durch den einzelnen Staatsbürger betrifft, wird sich aber nicht viel von der derzeitigen Rechtslage unterscheiden. Anstelle des Beschwerdeweges zu den Verwaltungsgerichten wäre vorzuziehen, dass man das deutsche Beispiel für Österreich anwendet, wo es die Bestellung eines Informationsbeauftragten gibt, der erstens die Einhaltung des Informationsfreiheitsgesetzes prüft und zweitens den Interessenten, der eine Information von einer Behörde einholt, an die Hand geht, so wie die Volksanwaltschaft dies tut. Das ist von Transparency International Österreich schon immer gefordert worden, dass man das machen muss, weil es sich in Deutschland sehr bewährt hat. Man hat es nicht gemacht, obwohl man gewusst hat, dass von vielen Seiten eine solche Forderung erhoben wurde, und das erscheint mir als schwerer Mangel dieses Gesetzesentwurfes.

Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International liegt Österreich an 15. Stelle von 179 untersuchten Ländern, und an der Spitze stehen Dänemark und Neuseeland. Was kann sich Österreich von Dänemark und Neuseeland abschauen?
Fiedler: Erstens die innere Einstellung der gesamten Bevölkerung zu Dingen wie Korruption. Denn in den skandinavischen Ländern – die anderen stehen ja auch sehr gut da – hat man eine ganz andere Mentalität im Umgang mit der Korruption. Dass man das bei uns nicht in diesem Umfang hat, hängt damit zusammen, dass in Österreich immer noch eine gewisse Graugrenze zwischen Trinkgeld und Bestechungsgeld besteht. Die Bakschisch-Kultur in Österreich ist sehr stark ausgeprägt. Es ist in den letzten Jahren zwar gelungen, etwas an Besserung zu erreichen, aber insgesamt ist noch vieles nachzuholen. Es gilt noch immer als Kavaliersdelikt, wenn man den einen oder anderen Beamten etwas verspricht oder eine Flasche Wein gibt – unverständlicherweise ist es nach dem Beamtengesetz erlaubt, dass er eine Flasche Wein kriegt –, und damit geht einher, dass, wenn dann etwas auftaucht, man eher mit den Achseln zuckt.
Das Zweite ist, dass man die Korruption im öffentlichen Bereich als sogenanntes opferloses Delikt betrachtet. Wenn es beispielsweise bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrages zu Bestechungen, zu Schiebungen kommt, und nicht der Bestbieter, sondern ein anderer Anbieter letztlich den Zuschlag erhält, dann ist das ohne Frage ein Schaden für die Republik, aber den einzelnen Steuerzahler kratzt das nicht besonders. Er ist nicht so sehr davon betroffen, was ein schwerer Nachteil ist, nämlich die Denkweise, das ist ein opferloses Delikt, wo niemand geschädigt ist. Das ist falsch, denn es ist der Staat geschädigt und damit jeder einzelne Steuerzahler. Es müsste meines Erachtens von den politisch Verantwortlichen dieser Umstand viel stärker herausgestrichen werden, dass man betont, letztlich ist der Steuerzahler derjenige, der im öffentlichen Bereich, wenn es zu Korruption kommt, der Geschädigte ist.
Und ich muss auch ganz offen sagen, dass wir eine Mentalität haben, die dem Balkan näher ist als Dänemark dem Balkan. Nicht umsonst hat Metternich gesagt: „Am Rennweg beginnt der Balkan.“ Sein Ausspruch ist schon 200 Jahre alt, hat aber nichts von seiner Gültigkeit verloren.

Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.

[Autor: Bild: PxHere Lizenz: –]

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