Autor: U.K. Bilder: Wikipedia/Hhbooker2 Lizenz: CC BY-SA 1.0
Während Europa stagniert, eilen die Kurse japanischer Top-Firmen zu immer neuen Höchstwerten
Japanische Aktien gehörten lange Jahre zu den eher langweiligen Dingen im Tagwerk eines Börsenhändlers. Solide, ja, und mit eher mäßigen Dividendenerträgen, gaben sie doch Investoren eine halbwegs profitable Möglichkeit, ihr Geld in der krisenfesten Währung des japanischen Yen anzulegen. Denn die andere Alternative, die gefragten Staatsanleihen aus dem Land der aufgehenden Sonne, boten schon seit ewigen Zeiten keine Verzinsung mehr an.
Doch seit Anfang dieses Jahres kommt plötzlich Bewegung in die Sache. Appu, appu! – Aufwärts, Aufwärts! lautet der Schlachtruf, der das Geschehen an der Tokioter Börse bestimmt. Der Leitindex Nikkei 225, der die Aktienwerte der 225 größten japanischen Wirtschaftsunternehmen zusammenfasst und von der Bedeutung etwa dem Dow Jones in New York oder dem deutschen DAX entspricht, steigt in einem ungebremsten Aufwärtstrend. Um satte 30% ist der „Nikkei“, wie er im Börsenjargon genannt wird, seit dem 1. Jänner gestiegen. Und alle Anzeichen deuten weiter nach oben.
Auf solche Zahlen können hiesige Aktienbesitzer nur neidvoll schauen. Der österreichische ATX-Index, der die 20 wichtigsten Börsenkonzerne der Alpenrepublik abbildet, tritt seit Jahresanfang auf der Stelle. Und dabei ist der aktuelle Mega-Pleitier Kika/Leiner gar nicht mal im Index enthalten, sonst sähe es wohl nocht trüber aus.
Interessanterweise kommt das Geld, das jetzt in die Aktien der japanischen „Blue Chips“ fließt, nicht aus dem Lande selbst, sondern ganz überwiegend von ausländischen Investoren. Und diese bewerten die Zukunftsaussichten japanischer Industrie- und Autofirmen offensichtlich wesentlich besser als die ihrer europäischen Konkurrenten. Besonders Japans Chip-Hersteller wie Rohm, Denso, Toshiba, Mitsubishi Electric und Fuji profitieren von dem Boom. Denn Japan hat sich seit Jahren auf die Fertigung von Leistungshalbleitern spezialisiert und ist in diesem Segment Weltmarktführer. Das sind spezielle elektronische Bauelemente, die sehr hohe Ströme und Spannungen schalten und steuern können. Etwas, dass sowohl in zukünftigen Elektroautos, aber auch in jeder Windturbine oder Solaranlage eine entscheidende Rolle spielt.
Hinzu kommt eine kluge Energiepolitik der dortigen Regierung. Japan, das über kaum eigene Bodenschätze verfügt und auch Wasserkraft nur wenig nutzen kann, setzt konsequent weiter auf Kernenergie. Dort hat man den nach der Fukushima-Katastrophe verkündeten Ausstieg aus der Kernkraft rechtzeitig als Irrweg erkannt und die Laufzeit der noch aktiven Atomkraftwerke letztes Jahr verlängert. Gemäß nationalem Energieplan sollen jetzt zügig neue Reaktoren gebaut werden, bis 2030 will man mindestens 20% des Stroms aus Kernkraft erzeugen.
Auch CO2-Strafsteuern, wie sie in der EU und in Österreich Bürger und Wirtschaft belasten, kennt Japan in dieser Form nicht. Das liegt auch daran, dass in Japans Politik Grüne so gut wie keine Rolle spielen. Zwar plant das Land, der fünftgrößte CO2-Emittent der Erde, ab 2028 auch eine Art des Emissionshandels für CO2-Zertifikate einzuführen, um dem westlichen Druck etwas entgegen zu kommen. Aber der angepeilte Preis von umgerechnet ca. 13 Euro/Tonne CO2 liegt um Größenordnungen unter den knapp 100 Euro, die derzeit in der EU fällig werden. Das wissen professionelle Investoren sehr wohl zu goutieren, wenn sie die Zukunftsfähigkeit von Volkswirtschaften einschätzen.
Noch ein Hinweis in eigener Sache: Im neuen ZurZeit-Magazin, ab Freitag im Handel und hier online als E-Paper, berichten wir exklusiv über die neue Energiepreisbombe der EU-Kommission, genannt „ETS-II“, die Energie und Leben ab 2027 noch weiter verteuern dürfte.