„Am Ende des Tages entscheiden die Mehrheiten im Parlament!“

Der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) zu den Parteien, zu den Verhältnissen in der BRD und zu den demokratischen Usancen nach der Wahl.

by admin2

Bild: Parlamentsdirektion/Johannes Zinner Lizenz: –


Herr Präsident wie gut funktioniert die Demokratie in Österreich noch?
Norbert Hofer. Ich hoffe, sie wird auch noch nach dem 29. September funktionieren. Leider gewinnt man den bei uns den Eindruck, dass demokratische Ergebnisse nur dann als solche akzeptiert werden, wenn sie in das persönliche Weltbild passen. Das dürfte nach der Wahl bei vielen nicht der Fall zu sein. Es hat einmal Friedrich Eder, der unverdächtig ist, ein Freiheitlicher zu sein gesagt, Demokratie braucht Demokraten! Ob wir die nach dem 29. September in Österreich haben, wird man sehen.

Norbert Hofer – längstdienender Dritter Nationalratspräsident der Republik (Bild: Parlamentsdirektion/Bubu Dujmic)

Es hat nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen ein deutscher Wissenschaftler gesagt, mit der Demokratie ist es so wie mit der Schwangerschaft. Es gibt keine Halbheiten. Warum ist es für Deutschland so schwierig demokratische Entscheidungen mit einer starken AfD anzuerkennen?
Hofer: Die früheren etablierten und nun geschwächten Parteien haben bei ihrer Brandmauer etwas völlig übersehen. Es brennt auf ihrer Seite der Mauer. Sie schaden sich mit dieser Brandmauer, die sie aufgebaut haben. Sie müssten doch längst erkennen, dass sie umso schwächer werden je intensiver sie diese Ausgrenzung betreiben.

Sie haben mit dem Begriff „Brandmauer“ einen Kampfbegriff ins Spiel gebracht, der in undemokratischer Weise nur gegen Rechts in der Politik angewendet wird. Er geht auch wieder von der Bundesrepublik aus. Beispielsweise wird dieser Begriff gegen die postkommunistische Sarah Wagenknecht nicht verwendet. Was lässt sich eigentlich mit Worten in einer Demokratie alles anstellen?
Hofer: Wir sehen, dass sich Parteien, die sich anderen gegenüber abfällig verhalten, im Niedergang befinden. Was in der BRD so ist, gilt letzten Endes auch für Österreich. Als Dritter Nationalratspräsident bin ich immer einer gewesen, der sich als Brückenbauer versucht hat. Ich sehe auch, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, mit Personen aus anderen Parteien gut ins Gespräch zu kommen. Dann aber sehe ich auch Versuche, dass andere Parteien untaugliche Rezepte aus Deutschland übernehmen. Das würde ich ihnen nicht empfehlen, denn damit schaden sie sich nur selbst.

Das Versehen der Systemparteien: Es brennt auf der anderen Seite der Brandmauer

Sie haben jetzt mehrfach die Situation nach der Wahl angesprochen und vor undemokratischem Verhalten gewarnt. Wie sehr müssen wir damit rechnen, dass Kickl im Falle eines Wahlsieges, entgegen der in Österreich üblichen Usancen, nicht mit der Regierungsbildung beauftragt wird.
Hofer: Es ist auch für mich schwer einzuschätzen, was der Bundespräsident dann letztlich in so einem Fall tun wird. Ich würde ihm nicht empfehlen von eingebürgerten Verhaltensweisen abzurücken. Man stelle sich den theoretischen Fall vor, ich wäre als Bundespräsident bei einer, durchaus hypothetischen Annahme, grünen Mehrheit hergegangen und hätte gemeint, diese nicht mit einer Regierungsbildung betrauen zu wollen. Das hätte zu einem Aufschrei bei Politikern und Medien geführt, und das durchaus zurecht. Ich halte die Regel, dass der Bundespräsident den Chef, oder die Chefin der stärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt, für eine durchaus gute und nachahmenswerte Usance. Das ist natürlich nur einmal der Anfang. Ein Fehler Van der Bellens in diesem Belang würde auch in der österreichischen Öffentlichkeit einen großen Schatten auf seine Amtszeit werfen. Vergessen wir nicht, dass sich die überwiegende Mehrheit der Österreicher ein demokratisches Vorgehen, nach bisherig geübter Praxis wünschen.

Wir sprechen von nicht rechtlich vorgeschriebenen Usancen. Sollte man nicht etwa in diesem Fall gesetzliche Vorschreibungen für den Bundespräsidenten in unsere Verfassung aufnehmen?
Hofer: Das würde ich in diesem Fall nicht machen, denn am Ende des Tages entscheiden ohnehin die Mehrheiten im Parlament. Der Bundespräsident würde sich ohnehin nur bloßstellen. Wir können uns noch gut an die saure Mine von Thomas Klestil erinnern, als er die blau-schwarze Regierung mit Wolfgang Schüssel angelobte. Er musste die parlamentarische Mehrheit zur Kenntnis nehmen. Erinnern wir uns auch an die Vorvorgänger-Regierung von Sebastian Kurz nach dem Ausscheiden der Freiheitlichen. Sie hatte schließlich keine Mehrheit im Parlament und wurde prompt abgewählt.

Wenn Sie Sebastian Kurz ansprechen, wie hat damals eigentlich die Zusammenarbeit in der Regierung mit der ÖVP, die jetzt Kickl ja nicht will, funktioniert?
Hofer: Sie war unkompliziert. Ich war damals, mit Blümel als Gegenpart, Koordinator der Regierungsparteien. Bei den gemeinsamen Gesprächen haben wir festgelegt, welche Themen beschlussreif waren und welche nicht. Diese wurden zur weiteren Bearbeitung an die Klubs zurückverwiesen. Es war alles sehr unkompliziert.

Die relativ kleine Partei der Grünen treibt einen übermächtigen Koalitionspartner so vor sich her

Die Regierung der FPÖ mit der ÖVP ist ja keine Erfindung von Kurz. Bereits zu Beginn des Jahrtausends hat es so etwas ja bereits zwischen Schüssel und Riess-Passer bzw. Haider gegeben. Knapp davor hatte der schwarze Koordinator Andreas Khol noch gemeint, die FPÖ befände sich außerhalb des Verfassungsbogens. War das nicht damals bereits eine demokratiepolitische Einschätzung, die zu einer Ausgrenzung führen sollte.
Hofer: Alle diese Aussagen in der Vergangenheit sind ja nicht ernst zu nehmen. Genauso wenig wie jetzige Aussagen ernst zu nehmen sind, die zum Inhalt haben, mit der FPÖ nicht Koalitionen bilden zu können. Erinnern wir uns nur einmal an die Aussagen von Werner Kogler vor der letzten Wahl. Er meinte damals wörtlich „die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit dieser Schnöseltruppe der ÖVP in eine Koalition gehen, liegt bei Null.“ Wir wissen was darauf folgte. Wer hätte auch jemals geglaubt, dass wir nach all den Ansagen im Wahlkampf in Niederösterreich in eine Koalition mit der ÖVP gehen würden, oder in Salzburg.

Wenn Sie Kogler ansprechen, so sind es ja gerade die Grünen die es verstehen, mit ihrer Wortwahl neue Wertigkeiten aufzubauen. Sei es nun der Begriff der Brandmauer, die Diskussion um die Corona-Impfung, oder das Spektakel um die Klimaveränderung und auch die Ausgrenzung kommt aus dieser Ecke. Befinden sich die Grünen eigentlich noch am Boden der Demokratie oder sind das jene, die mit „halbschwanger“ verglichen wurden, als solche, die Demokratie Prozesse nur akzeptieren, wenn diese ihrer Meinung entsprechen?
Hofe: Man kann sagen, dass sie sich innerhalb des Verfassungsbogen befinden, wenngleich manche Aussagen Grund geben, darüber nachzudenken. Am Ende aber schaden sie sich selbst damit. Das sieht man auch an den Umfragedaten, die ja nicht gerade berauschend für die Grünen sind.

Demzufolge sind sie gerade einmal bei der Hälfte der Stimmen, die sie bei der letzten Wahl hatten. Allerdings könnte die Hochwasserkatastrophe ihnen entgegenkommen. Wie ist da ihre Einschätzung?
Hofer: Das glaube ich nicht, es gibt aber einen anderen Aspekt. In schwierigen Zeiten profitiert im Allgemeinen die Kanzlerpartei. Wir müssen daher noch alle Anstrengungen unternehmen, um klarzustellen, dass sie es waren, die die Grünen in die Regierung geholt haben. Auch in der Frage der sogenannten Renaturierung muss man schon die Frage stellen, was denn nun passieren soll mit den Häusern, die in der Nähe von Wasserläufen gebaut wurden, die nun den Bächen und Flüssen weichen sollen, weil diese mehr Platz bekommen müssen.

Wenn Sie nun darauf verweisen, dass die ÖVP als Kanzlerpartei von der aktuellen Katastrophe profitieren könnte, dann muss man auch auf haarsträubende Unterlassungen verweisen. Die ÖVP hat zwar gegen Gewessler ob deren Fehlverhalten die Klage eingebracht. Als diese von der Staatsanwaltschaft abgelehnt wurde, hat sie es verabsäumt auf die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte hinzuweisen, die in diesem Fall in der Kompetenz der grünen Justizministern Zadic gelegen hatte?
Hofer: Die ÖVP hat sowas wie ein „Stockholmsyndrom“ bei den Grünen. Man stelle sich vor, dass eine relativ kleine Partei wie die Grünen einen übermächtigen Koalitionspartner so vor sich hertreiben kann. Da wird der grünen Ministerin vorgeworfen, gegen Regierungslinie Verfassungsbruch zu begehen und dem Staat schweren Schaden zufügen und trotzdem führt die ÖVP diese Koalition fort. Das wird ihr nicht guttun. Die ÖVP hat sich als Kanzlerpartei die vierzig Jahre in der Regierung ist, abgenutzt. Es ist nur schade, dass die SPÖ sich mit ihrer Ausgrenzung selbst Koalitionsmöglichkeiten nimmt. Ihr wird letzten Endes nur ein Partner übrigbleiben, nämlich die ÖVP und die kann dann von der SPÖ alles verlangen was sie will.

Im Burgenland ist es zwischenzeitlich ja anders gelaufen…
Hofer: Da hat in der Koalition zwischen SPÖ und FPÖ alles funktioniert. So aber eigentlich auch in weiterer Folge mit der Kurz-ÖVP. Man musste mit Blümel allerdings alles, das in den gemeinsamen Gesprächen erörtert wurde, schriftlich und im Detail festlegen. Mit der SPÖ im Burgenland gab es einen Handschlag und der reichte dann durchaus aus.

Schriftliche Vereinbarungen haben die Grünen mit der ÖVP auch getroffen. In einem „sideletter“, wie man weiß. Allerdings ist da nichts Anderes passiert, als dass Posten aufgeteilt wurden. Bei der Bestellung des Gouverneurs der Nationalbank sogar ein Jahr im Voraus.
Hofer: Also das ist ein klassisches Beispiel für Korruption. Es kann nicht sein, dass bereits ein Jahr vor Ablauf des alten Vertrages ein Minister bestellt wird, der nach Beschluss einer Regierung, die dann längst nicht mehr im Amt ist, an die Spitze der Nationalbank wechselt.

Bei den Sozialdemokraten unter Andreas Babler scheint es keine Koalitionsmöglichkeit für die FPÖ zu geben, man muss sich aber fragen, ob es nach dem 29. September noch Babler an deren Spitze geben wird…
Hofer: In der SPÖ ist es bereits wie „dead man walking“. Ich glaube nicht, dass Babler bleiben wird. Es hat wahrscheinlich der Wiener Finanzstadtrat Hanke die besten Chancen zu übernehmen. Er ist nicht nur ein sehr pragmatischer Typ, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Dazu kommt, dass Bürgermeister Ludwig, damit einen unliebsamen Konkurrenten wegloben kann.

Wäre Peter Hanke nun ein Politiker, mit dem die FPÖ eine Koalition bilden könnte?
Hofer: Mit Hanke „ad personam“ wäre das möglich. Ob ihm allerdings die SPÖ folgen würde, ist eine andere Frage.

Die SPÖ ist eine Partei, bei der einiges durcheinandergeraten ist. Man hat allerdings den Eindruck. Dass die Basis bereits zu allem ja und Amen sagen würde, das sie wieder in die Regierung brächte.
Hofer: Ich habe in meinem Freundeskreis etliche Sozialdemokraten, die man durchaus zur Basis zählen kann. Und dieser Freundeskreis wäre dazu bereit.

Welche Koalitionsvarianten bleiben eigentlich mit Herbert Kickl an der Spitze der FPÖ übrig?
Hofer: Ich glaube, dass die wahrscheinlichste Variante eine Zweierkoalition, und da mit der ÖVP ist. Natürlich wird es auf das tatsächliche Ergebnis ankommen. Die größte Überraschung aber wäre wohl, wenn die Meinungsforschungsinstitute dieses Mal Recht behalten würden und die FPÖ Nummer eins in Österreich wird.

Bei der ÖVP muss man mit noch viel größeren Verlusten rechnen. Die sich in einer Größenordnung von 15 Prozent bewegen könnten.
Hofer: Ja, da ist es aber bezeichnend, dass die Türkisen, wie bei der Europa-Wahl, bereits in Jubel ausbrechen, wenn es nicht ganz so schlimm ausfällt, wie vorhergesagt.

Abschließend noch die Frage nach dem Nationalratspräsidenten. Üblicherweise wird der Kandidat der stärksten Partei zum ersten Präsidenten gewählt. Wird das dieses Mal auch so sein, wenn die FPÖ stärkste Partei wird?
Hofer: Dieses Vorgehen ist die stets geübte Usance in Österreich. Im Falle eines freiheitlichen Kandidaten ist ein Bruch mit dieser Regel nicht auszuschließen, dass sich die anderen Parteien auf einen anderen Kandidaten festlegen. Davor warne ich allerdings. Man würde damit eine Büchse der Pandora öffnen, die auch für die Zukunft, auch bei anderen Ergebnissen, jede Wahl zum Präsidenten des Nationalrates zu einem Geschiebe und Gezerre machen.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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