Autor: Lothar Höbelt Bild: PxHere
Wer weiß, was bis zum Erscheinen unserer Kommentare alles noch passiert. Beschränken wir uns deshalb lieber auf die Ausgangsposition, die bleibt – und von den gegenwärtigen Konjunkturen bloß aufs Neue bestätigt wird.
Außenpolitik ist ein lohnendes Thema – für den Pathologen, sprich: für den Historiker, der allen Beteiligten in die Karten schauen kann und deshalb zumindest halbwegs weiß, „wie es eigentlich gewesen ist“. Der Zeitgenosse weiß genau das nicht, er tappt im Dunkeln und kann da bestenfalls spekulieren – was aber insofern nicht weiter tragisch ist, weil er die Dinge (selbst wenn sie tatsächlich tragisch enden) ohnehin nicht beeinflussen kann, besonders dann nicht, wenn er Bürger eines Kleinstaates ist. Die Außenpolitik, die Österreich zu interessieren hat, sind nun einmal nicht die Winkelzüge der Weltpolitik. Denn Kreml und Weißes Haus kommen erstaunlicherweise sehr gut ohne unsere Ratschläge aus – und sind wir ehrlich: auch ohne unsere Vermittlung.
Politik besteht eben nicht im Verteilen von Duftnoten, von „likes“ und „dislikes“. Manche Zeitgenossen mögen Gefallen daran finden, den Amerikanern am Zeug zu flicken, wo immer sie können. Derlei Beckmesserei wirkt oft ziemlich kindisch. Aber es wäre genauso irrelevant, wenn ich jetzt mit einer langen Liste von Gründen begänne, warum mir die Amerikaner – und die Ukrainer – sympathischer sind. Da gibt es für Konservative viele gute Gründe. Aber darauf kommt es einfach nicht an. Für österreichische Rechte ist „außenpolitisch“ vielmehr in erster Linie wichtig die Pflege und die Festigung der mitteleuropäischen Zusammenarbeit, die Schaffung eines Gegengewichts zur politisch-korrekten deutsch-französischen Links-Achse innerhalb der EU.
Dieser so notwendigen Kooperation erweist man jedoch einen Bärendienst, wenn man sich aus lauter Jux und Tollerei stets in die Rolle des Pflichtverteidigers aller Eskapaden Putins wirft. Historische Erfahrungen und aktuelle Bedrohungen ergeben da ein durchaus stimmiges und eindeutiges Bild. Man muss nicht „vom Völkerrecht kommen“, wie gewisse jüngst (nicht) promovierte Faschingsprinzessinnen, um festzustellen: Alle unsere Nachbarn haben ein berechtigtes Interesse an einer möglichst stabilen Ukraine, und Polen als stärkster Faktor der Visegrad-Länder erst recht. Man mag allenfalls noch das Argument durchgehen lassen, die Donezk-Bezirke gehen zu lassen, würde die Ukraine stabilisieren. Luftangriffe auf Lemberg tun das sicherlich nicht. Die Folgen dieser russischen Eskalationsstrategie – vom Energiepreis bis zur Flüchtlingsproblematik – werden wir bald höchst unangenehm zu spüren bekommen.
Damit sind wir beim zweiten wesentlichen Punkt. Auch innenpolitisch wirft diese outrierte Russophilie alles andere als Dividenden ab. Derlei Debatten sorgen bloß für Zwietracht auf der Rechten und bieten Angriffsflächen für allerlei Verdächtigungen des politischen Gegners. Ich kann die Attraktion der Rolle als advocatus diaboli bei privaten Kamingesprächen durchaus nachvollziehen. Wer nach Entschuldigungen für die „Entnazifizierung“ der Ukraine (O-Ton Putin) sucht, mag sich dabei sehr originell vorkommen. Doch wer vor Meinung birst zu Themen, deren Erörterung in der Öffentlichkeit bloß kontraproduktive Folgen nach sich zieht, täte wohl besser, sich aus der praktischen Politik zurückzuziehen. Vielleicht wird man ihn deshalb in hundert Jahren als verkannten Guru schätzen. Mag sein. Hic et nunc aber grenzen solche Ausritte an „parteischädigendes Verhalten“.
Zugegeben: Die Leutchen, die seit Jahr und Tag gegen alles Militärische wettern – und jetzt plötzlich die starken Männer spielen wollen, sind um nichts besser. Aber für Torheiten auf der Linken fühle ich mich nicht zuständig. Auf der Rechten schmerzen sie mich – besonders wenn sie aus dem Munde oder der Feder persönlicher Freunde kommen.
Ao. Univ.-Prof. Dr. Lothar Höbelt lehrt Neuere Geschichte an der Universität Wien.