Autor: U.K. Bild: Wikipedia/Sandro Halank, Wikimedia Commons
Meinungen, die von der offiziellen Staatslinie abweichen, sind Regierenden stets ein Dorn im Auge. Die freie Äußerung, die Verbreitung und der Austausch solcher Meinungen ist aber nun mal ein Wesensmerkmal einer funktionierenden Demokratie. Eine immer wichtigere Rolle dabei spielen Soziale Medien wie Facebook, WhatsApp oder eben der Messenger-Dienst Telegram.
Dem möchte aber nun die Innenministerin der grün-linken Bundesregierung, Nancy Faeser (SPD), einen Riegel vorschieben. Denn anders als die US-Dienste Facebook und WhatsApp, die als werbefinanzierte Unternehmen auf den guten Willen der Politiker in Bonn und Brüssel angewiesen sind und auf entsprechenden Druck hin durchaus willig politisch missliebige Beiträge oder Benutzerkonten löschen, ist Telegram hier standhaft und bewahrt sich seine Unabhängigkeit.
Darum wechseln immer mehr Benutzer zu Telegram. Allein im zweiten Halbjahr 2020, nach Beginn der Corona-Maßnahmen, wuchs die Zahl der Telegram-User um 25 Prozent auf über eine halbe Milliarde Menschen. Auch in Österreich ist Telegram sehr beliebt und dient z.B. der freiheitlichen FPÖ als bevorzugtes Kommunikationsmittel mit den Bürgern.
Ein solch unzensierter Nachrichtenkanal gehört verboten und muss weg, befindet nun Ministerin Faeser. Unterstützung erhält sie dabei von ihrem Parteikollegen Boris Pistorius, dem Innenminister von Niedersachsen. Der liefert auch gleich die Begründung, warum: „Das soziale Netzwerk Telegram und vergleichbare Anbieter dienen Menschen in Deutschland als Vernetzungsebene von Querdenkern, Corona-Leugnern und Rechtsradikalen.“ So steht es in einem gemeinsamen Papier der deutschen Innenminister.
Aha, wenigstens sind die beiden ehrlich. Denn „Querdenker“ sind im deutschen Mainstream-Sprech Leute, die auch mal offizielle Behauptungen hinterfragen, und als „Corona-Leugner“ gilt jeder, der gegen überzogene Maskenpflicht, Einkaufsverbot für nicht Geimpfte oder Betriebsverbote für die Gastronomie protestiert. Und „rechtsradikal“ kann man schon sein, wenn man sich in der traditionellen Mitte der gesellschaftlichen Werte verortet.
Wegen angeblich „nicht gelöschter Gewaltaufrufe und Hetze“ soll nun Telegram kalt gestellt werden. Als ersten Schritt verlangt Frau Faeser, dass Google und Apple die Telegram-App aus ihren App-Stores entfernen sollen. Denn dort war Telegram im Januar 2021 mit mehr als 63 Millionen Downloads die weltweit am häufigsten heruntergeladene App. Zudem solle die EU über Brüssel Druck auf Dubai ausüben, wo Telegram seinen Firmensitz hat. Nun, da werden die Ölscheichs in den Vereinigten Arabischen Emiraten aber zittern.
Sollte das alles nichts nützen, so erwägt die Ministerin tatsächlich eine Sperre des Telegram-Diensts auf Internet- und Netzwerkebene in der Bundesrepublik. Dass so etwas tatsächlich technisch funktionieren kann, haben andere „Demokratien“ wie die VR China, Kasachstan oder der Iran bereits erfolgreich bewiesen. Dumm nur: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige Sperrungen von Internetdiensten, die wahllos auch legale Inhalte treffen, mit dem Verbot einer Zeitung oder eines Fernsehsenders verglichen und als grundrechtswidrig ausgeschlossen.
Das ficht aber die wackere Frau Faeser nicht wirklich an. Denn: Bei ihrer Nominierung als designierte Innenministerin im Willy-Brandt-Haus am 6. Dezember 2021 bezeichnete sie den Kampf gegen Rechtsextremismus, den sie als größte Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung benannte, als ein besonderes Anliegen (mehr dazu). Und der Kampf gegen „Rechts“ rechtfertigt natürlich jeden Rechtsbruch.